Genisa-Forschung:Erinnerungen aus Papier

Jüdischess Leben in Veitshöchheim

Bei der Renovierung der ehemaligen Synagoge wurde eine Sammlung religiöser Schriften entdeckt.

(Foto: Daniel Peter)

Jüdisches Museum thematisiert aus aktuellem Anlass das Fremdsein

Martina Edelmann steht in einem Raum voll mit Altpapier und sagt: "Auf jedem Fitzelchen könnte etwas Interessantes stehen." Im jüdischen Kulturmuseum gibt es gleich drei solcher Räume. In Hunderten Kartons und Kisten lagern dort Zeugnisse jüdischen Lebens in Franken - sauber archiviert, inhaltlich halbwegs sortiert oder in Schnipseln wahllos aufgetürmt. "Viele Wissenschaftler würden einen Herzinfarkt bekommen, wenn sie das hier sehen", sagt Edelmann schulterzuckend. Die Kulturreferentin der Gemeinde weiß, dass die Genisa-Forschung eine müheselige Arbeit ist.

Eine Genisa ist ein Hohlraum zur Aufbewahrung jüdischer liturgischer Schriften, die nach religiöser Vorschrift nicht vernichtet werden dürfen. Als vor 30 Jahren die Renovierungsarbeiten an der ehemaligen Synagoge begannen, wurde im Dachstuhl des Gebäudes eine solche Sammlung entdeckt. Sie enthielt neben religiösen Schriften auch aufschlussreiche Dokumente jüdischer Alltagskultur seit dem 17. Jahrhundert: Märchen, Briefe, Rezepte, Einkaufszettel. Seit 1998 werden die zerfallenden Papiere von zwei Mitarbeiterinnen inventarisiert - eine Sisyphusarbeit, seitdem einige fränkische Gemeinden ihre Genisa-Funde nach Veitshöchheim gegeben haben, weil sie mit dem historischen Material nichts anzufangen wussten. Es soll in Zukunft Forschern als Online-Datenbank zur Verfügung stehen. Ausgewählte heimische Funde sind in dem kleinen Museum ausgestellt, das sich auf die Darstellung jüdischen Lebens konzentriert. Dem Holocaust ist bewusst nur ein Raum gewidmet.

Die Synagoge war von 1727 an vom Juden Schmul Moses an der heutigen Mühlgasse gebaut worden. Zur fürstbischöflichen Residenz waren es schon damals keine 500 Meter. Diese Botschaft ist auch Martina Edelmann wichtig: Die jüdische Gemeinde hat nicht abseits, sondern mitten im Ort gelebt. Im August 1938 wurde das Gebäude von der Gemeinde für 200 Reichsmark aufgekauft und zu einem Feuerwehrhaus umgebaut, weshalb es in der Pogromnacht vom 9. November nicht zerstört wurde. 1942 wurden die letzten in Veitshöchheim lebenden Juden deportiert. Die barocke Bausubstanz der Synagoge wurde bei der Restaurierung Ende der Achtzigerjahre zwar erhalten. Dafür wurden die Spuren der Zweckentfremdung leichtfertig entfernt, weshalb man Besuchern die Zerstörung besonders vermitteln müsse, sagt die Kulturreferentin.

"Du und deine Synagoge", hatten manche Veitshöchheimer immer wieder spöttelnd zu Martina Edelmann gesagt. Manchmal, da sei sie sich nicht sicher, ob die Aufklärungsarbeit der letzten 20 Jahre etwas gebracht habe, sagt sie. Als im Oktober 500 Flüchtlinge in die Kaserne am Ortsrand einquartiert wurden, hat Edelmann das Murren im Ort mitbekommen. Den Umgang mit Fremden will Edelmann deshalb auch im neuen Museumskonzept thematisieren, das derzeit entsteht.

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