Wirtschaft in Oberbayern:Altlasten und Zukunftsängste im Chemiedreieck

Wirtschaft in Oberbayern: Der Chemiepark in Gendorf: PFOA wird hier seit 15 Jahren nicht mehr verarbeitet. Der Stoff findet sich aber immer noch in Boden, Grundwasser und Blut der Menschen.

Der Chemiepark in Gendorf: PFOA wird hier seit 15 Jahren nicht mehr verarbeitet. Der Stoff findet sich aber immer noch in Boden, Grundwasser und Blut der Menschen.

(Foto: Thomas L. Fischer/Thomas L. Fischer)

Die Belastung der Menschen im Landkreis Altötting mit der gefährlichen Perfluoroktansäure geht laut jüngsten Untersuchungen zurück. Zugleich wächst dort die Sorge um Hunderte Arbeitsplätze in der Chemieindustrie.

Von Matthias Köpf, Burgkirchen

Die Perfluoroktansäure (PFOA), ein Grundstoff für allerlei Imprägnierungen und Beschichtungen, wird im Chemiepark Gendorf seit mittlerweile 20 Jahren nicht mehr hergestellt und seit 15 Jahren nicht mehr verarbeitet. Und doch findet sich der mutmaßlich krebserregende Stoff im Landkreises Altötting immer noch im Boden und im Grundwasser, im Wildbret und in den Fischen - und im Blut der Menschen. Erst als 2017 eine Studie an Blutspenden aus der Gemeinde Emmerting bekannt wurde, hat das die Anwohner hier im bayerischen Chemiedreieck wirklich aufgeschreckt. Nach neuesten Untersuchungen ist die PFOA-Belastung im Blut zurückgegangen, dafür wächst in der Region nun die Sorge um den Chemiepark und um Hunderte Arbeitsplätze, seit der US-Konzern 3M angekündigt hat, sich aus der Produktion der gesamten Stoffgruppe der PFAS zurückzuziehen.

Die seit 2020 in der gesamten EU verbotene Perfluoroktansäure ist nur eine von Tausenden dieser per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, auch im Chemiepark Gendorf hat sich die Industrie inzwischen auf andere Stoffe aus dieser Gruppe konzentriert - etwa auf HFPO-DA. Diese auch als "GenX" bekannte und ebenfalls gesundheitsschädliche Substanz ist Ende vergangenen Jahres im Trinkwasser von vier kommunalen Versorgern im Chemiedreieck nachgewiesen worden. Die Aktivkohlefilter, die dort inzwischen flächendeckend die PFOA aus dem Trankwasser holen, sind gegen GenX weniger wirksam.

Gegen PFOA allerdings wirken sie zuverlässig. Dies leitet jedenfalls das Altöttinger Landratsamt aus einer neuerlichen, breit angelegten Blutuntersuchung vom vergangenen Sommer ab, deren Ergebnisse es nun veröffentlicht hat. Demnach ist die PFOA-Konzentration im Blut der Probanden innerhalb von vier Jahren durchschnittlich um mehr als die Hälfte gesunken. An der Untersuchung des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hatten sich rund 760 Probanden beteiligt, etwa drei Viertel der Probanden einer Vorgängerstudie aus dem Jahr 2018.

Dies entspreche den Erwartungen von einer Halbwertszeit von zwei bis vier Jahren und bestätige die Vermutung, dass das Trinkwasser die hauptsächliche Aufnahmequelle für PFOA gewesen sei, heißt es dazu aus dem Landratsamt. Zwar liegen die Werte bei 280 Probanden immer noch über dem noch als unbedenklich geltenden Wert, nach aktuellem Kenntnisstand bestehe aber keine Gesundheitsgefahr.

Das Dyneon-Werk in Gendorf soll bis Ende 2025 geschlossen werden

Die Blutproben wurden vom Landesamt auch auf mehrere andere PFAS untersucht, doch für zahlreiche Substanzen aus dieser Gruppe gibt es überhaupt noch keine gesicherte Analytik, geschweige denn Grenzwerte. Unterdessen hat der 3M-Konzern, der sich in den USA hohen Schadenersatzforderungen wegen Gesundheitsschäden durch seine PFAS-Produktion gegenüber sieht, angekündigt, künftig überhaupt keine solchen Stoffe mehr herstellen zu wollen. Dies betrifft in Deutschland die 3M-Tochter Dyneon, die nach dem Aus von Hoechst im Chemiepark Gendorf Ende der Achtzigerjahre dessen Polymersparte übernommen hatte.

Das Dyneon-Werk in Gendorf mit seinen derzeit 680 Arbeitsplätzen soll bis Ende 2025 geschlossen werden, obwohl dort ein großer Teil aller in Europa insgesamt hergestellten PFAS produziert werden und diese Substanzen in vielen verschiedenen Sektoren von der Automobilindustrie bis hin zur Medizintechnik immer noch gebraucht werden. Trotz aller Altlasten gilt die Produktion in Gendorf inzwischen als eine der saubersten weltweit.

Indirekt stehen durch die angekündigte Werksschließung noch weit mehr gut bezahlte Jobs auf dem Spiel, denn die Produktion der verschiedenen Unternehmen im Chemiepark ist untereinander stark verflochten. Das Ende von Dyneon reißt ein Loch in dieses Geflecht. Insgesamt beschäftigen die Industriebetriebe im bayerischen Chemiedreieck nach Angaben ihres Interessenverbands Chemdelta Bavaria rund 20 000 Menschen und indirekt etwa noch einmal so viele bei zahlreichen verschiedenen Dienstleistern und Handwerksbetrieben.

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