Gekündigte Hausarztverträge:Wenn der Umzug von Praxen teuer wird

Gekündigte Hausarztverträge: Nur gut hundert Meter zogen drei Ingolstädter Ärzte weiter in eine neue Praxis - doch das sorgte für einen Rechtsstreit mit der AOK Bayern.

Nur gut hundert Meter zogen drei Ingolstädter Ärzte weiter in eine neue Praxis - doch das sorgte für einen Rechtsstreit mit der AOK Bayern.

(Foto: BHV/oh, Bearbeitung: SZ)

Mediziner verlegen ihre Praxis nur ein paar Häuser weiter, woraufhin die AOK den Hausarztvertrag kündigt. Den Patienten drohen so erhebliche Nachteile.

Von Dietrich Mittler

Hausarzt Rainer Katzfuß aus Sommerhausen südlich von Würzburg ist ein hochgewachsener, stattlicher Mann. Seit etlichen Wochen aber wirkt er in sich zusammengesunken, der Blick ist müde und niedergeschlagen. Sein Problem: Gut sechshundert Meter von seiner früheren Praxis entfernt hatte Katzfuß neue Praxisräume gefunden - weitaus großzügiger, behindertengerechter und zudem auch noch moderner. Der Doktor der 1700-Einwohner-Gemeinde zog also um, und kurz darauf erhielten mehr als 300 seiner Patienten Post von der AOK Bayern: Der bestehende Hausarztvertrag - er sichert den Patienten eine Reihe von Vorteilen - sei damit obsolet. Begründung: "Ihr Hausarzt hat seinen Praxissitz verlegt."

Das bedeutet nun erhebliche Nachteile für die Patienten, aber auch für Katzfuß. "Es droht uns erheblicher finanzieller Schaden", sagt er. Hausärzte, deren Patienten sich in den Hausarztvertrag einschreiben, müssen diesen zwar mehr Leistungen anbieten, bekommen das aber auch gut dotiert. Dass die Kasse dem nun ein Ende bereiten will, macht den 59-jährigen Hausarzt zornig. Es behindert seine ganze Zukunftsplanung, die eigentlich vorsah, damit zu beginnen, einen Nachfolger langfristig in die Praxis einzuführen. "Diese Ohnmacht, die ich da spüre, macht mich wütend."

Die Wut gibt ihm nun aber auch Kraft - vor allem, seitdem er weiß, dass sich ein junger Kollege in Ingolstadt in gleicher Angelegenheit erfolgreich gegen die AOK gewehrt hat: Der beantragte ein Eilverfahren vor dem Sozialgericht München, und das hat die Kündigung der Hausarztverträge zunächst einmal gestoppt.

AOK kündigte auch Arzt aus Ingolstadt

Im Fall der Ingolstädter Gemeinschaftspraxis wirkt das Vorgehen der AOK sogar noch absurder: Die Gemeinschaftspraxis Kroworsch, Frey und Glück war Anfang dieses Jahres nur gut hundert Meter weiter gezogen - um genau zu sein: von der Anschrift "Am Pulverl 1" in ein neueres Gebäude "Am Pulverl 5". Rainer Frey, mit 44 Jahren der jüngste Arzt des Ärzteteams, wollte sich nicht gefallen lassen, dass die Kasse "ohne jegliche Vorwarnung" 344 AOK-Versicherte anschrieb und ihnen - so wie im Falle Katzfuß - den Hausarztvertrag aufkündigte.

Mit dem Hinweis: "Beachten Sie bitte, dass dieser Hausarztvertrag gekündigt wurde. Eine erneute Einschreibung ist für Sie deshalb leider nicht mehr möglich". Zumindest so lange nicht, bis mit dem Bayerischen Hausärzteverband ein neuer Vertrag zustande komme.

"Wir haben angezweifelt, dass das rechtens ist", sagt Frey. Das Sozialgericht München bestätigte das mit seinem Beschluss und hob die Kündigung der Hausarztverträge zumindest vorläufig auf. Es bescheinigte der AOK, den Ärzten gehe es hier beileibe nicht nur ums Geld, sondern auch um die Interessen ihrer Patienten. Die Kündigung der Verträge sei "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig". Patienten aber sei das Recht eingeräumt, ihren Hausarztvertrag zu kündigen, wenn der Arzt umziehe und dadurch die Entfernung für sie "nicht mehr zumutbar" sei.

Wie die Krankenkasse reagiert

Die AOK Bayern ließ am Mittwoch zwar offen, ob sie Rechtsschritte gegen diesen Beschluss einlegen will und ob sie es auf ein Hauptsacheverfahren ankommen lässt. Aber sie bleibt bei ihrer Auffassung: "Bei Praxisverlegung endet grundsätzlich die Teilnahme von Versicherten an der besonderen hausarztzentrierten Versorgung, dem sogenannten Hausarztvertrag, das ist eindeutig geregelt." Grundsätzlich geht es der Kasse aber um weit mehr: Sie lehnt diesen Hausarztvertrag ab, hat ihn auch längst gekündigt. Nun will sie mit dem Hausärzteverband in neue Verhandlungen treten.

Ein neues Angebot ihrerseits liege vor. Die Kasse sei auch bereit, "die Zusatzhonorare der Hausärzte deutlich zu erhöhen". Doch eines ist auch klar: Der bisherige Vertrag, der erst durch das Machtwort einer Schiedsstelle zustande kam, erscheint der AOK als noch kostspieliger. Das sei mit dem Sozialgesetzbuch "nicht vereinbar". Die AOK Bayern hat seit 2008 eigenen Angaben nach "1,2 Milliarden Euro zusätzlich in die Hausarztverträge investiert".

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