Geiselhöring:Die Zweifel überwiegen im Prozess um Wahlfälschung

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Wegen der Wahlbetrugsvorwürfe gegen den Spargelbauer wurde die Wahl 2015 wiederholt. (Foto: dpa)

Das Gericht spricht den angeklagten Spargelbauer frei. Er hatte bestritten, mit manipulierten Stimmen seiner Erntehelfer die Fälschung der Kommunalwahl 2014 initiiert zu haben.

Von Matthias Köpf

Genau 3153 Menschen haben in der niederbayerischen Kleinstadt Geiselhöring bei der Kommunalwahl im März ihre Stimme abgegeben. Bei den ausländischen EU-Bürgern hat der Wahlleiter dieses Mal besonders genau ins Wählerverzeichnis geschaut, denn sechs Jahre zuvor hatten die Stimmen Hunderter rumänischer Saisonarbeiter in einem einzelnen Briefwahlbezirk das Gesamtergebnis plötzlich völlig verändert. Die Bürgermeister- und die Stadtratswahl in Geiselhöring und auch die Wahl zum Straubinger Kreistag hatten 2015 wiederholt werden müssen. Zwei Kommunalwahlen sind also ins Land gezogen, bis die Wahlfälschungsaffäre von 2014 nun auch juristisch aufgearbeitet ist. Doch am Ende blieben zu viele Fragen. Das Landgericht Regensburg hat daher einen Spargelbauern, der die rumänischen Briefwähler als Erntehelfer beschäftigt hat und als Drahtzieher des Wahlbetrugs angeklagt war, am Donnerstag freigesprochen.

Mehr als 20 Zeugen und einen Gutachter hatte das Gericht in den zwölf vorangegangenen Verhandlungstagen seit Ende Januar gehört, von mehr als 90 weiteren Zeugen lagen schriftliche Aussageprotokolle vor. Dass die Wahl manipuliert war, lag danach auch für das Gericht auf der Hand. Zu einer festen Überzeugung über die genaue Rolle und damit über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten ist die Kammer dabei aber nicht gelangt. Angesichts der Unklarheiten und offenen Fragen gelte der Grundsatz "in dubio pro reo", sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Schirmbeck. Im Zweifel also für den Angeklagten.

Der hatte ohnehin alle Vorwürfe bestritten, wonach er eine groß angelegte Wahlfälschung zugunsten seiner Ehefrau sowie einiger Angehöriger und Bekannter auf der Geiselhöringer CSU-Liste orchestriert habe. Zwar will der Angeklagte seine Erntehelfer ausdrücklich zum Wählen angehalten und ihnen Kandidaten empfohlen, dabei aber nie zu unlauteren Mitteln gegriffen haben. Laut der Argumentation seiner Verteidigerinnen hat also nicht er das Wahldebakel von 2014 zu verantworten, sondern die Geiselhöringer Stadtverwaltung, die nicht geprüft habe, ob die Saisonarbeiter tatsächlich abstimmen durften.

Profitiert hatte von der manipulierten Wahl vor allem die Ehefrau des Angeklagten, die für die CSU in den Geiselhöringer Stadtrat und auch in den Straubinger Kreistag eingezogen war. Auch sie war zunächst eine von ursprünglich sieben Angeklagten. Doch die Kammer sah schon vor der Hauptverhandlung keine Möglichkeit, ihr eine Beteiligung nachzuweisen, und stellte das Verfahren gegen sie und einen anderen Angeklagten ein. Vier weitere Mitarbeiter des Spargelbauern schieden als Angeklagte jeweils per Einstellung gegen Geldauflage aus dem Verfahren aus. Das Gericht konnte sich mangels aktuellerer Aussagen von ihrer Seite nur auf Protokolle früherer Vernehmungen stützen, in denen sie den Spargelbauern belastet und vom konzertierten Anfordern der Briefwahlunterlagen samt einer Fahrt nach Rumänien zum Einsammeln der nötigen Unterschriften berichtet hatten. Dort habe sich die Sache trotz entsprechender Ein- und Anweisung aber praktisch verselbständigt.

Jeweils mehr als 200 Stimmzettel für den Stadtrat und den Kreistag sind nach Angaben des grafologischen Gutachters jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit von maximal fünf verschiedenen Schreibern ausgefüllt worden. Zugleich waren bei der Überprüfung nach der Wahl 2014 noch weitere Stimmzettel als auffällig eingeschätzt worden, weil sie nach einem bestimmten Muster ausgefüllt worden sein sollten - darunter 34 in einem Stimmbezirk, in dem aber nur ein einziger Erntehelfer des Spargelbauern gewählt hatte.

Auch das sprach aus Sicht der Richter eher für den Angeklagten. Die Aussagen aus den Vernehmungen der Erntehelfer erschienen ihnen als zu uneinheitlich und lückenhaft für eine Verurteilung, die fehlende Möglichkeit, bei den früheren Mitangeklagten nachzufragen, vergrößerte die Zweifel. Ob der Freispruch nach den vielen Verzögerungen des gesamten Verfahrens nun das letzte Wort zur Geiselhöringer Wahlfälschung ist, bleibt jedoch ungewiss. Die Staatsanwaltschaft, die eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 500 Euro für angemessen gehalten hätte, hat noch die Möglichkeit, Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen.

© SZ vom 19.6.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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