Süddeutsche Zeitung

Gehaltsaffäre im Bayerischen Landtag:Weitere 62 Abgeordnete beschäftigten die Familie

Mit maximaler Transparenz will der Bayerische Landtag gegen die Gehaltsaffäre vorgehen. Deshalb veröffentlicht Landtagspräsidentin Barbara Stamm nun die Namen all jener Abgeordneten, die ihre Altverträge mit Familienmitgliedern nach der Änderung des Gesetzes nicht gleich beendet haben. Unter ihnen: Siegfried Schneider und Renate Schmidt.

Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat die Namen jener Abgeordneten bekanntgegeben, die nach dem Jahr 2000 Ehepartner, Eltern oder Kinder als Mitarbeiter beschäftigt hatten. 62 Namen stehen auf der Liste, mit der Transparenz geschaffen werden soll.

Bis zum Jahr 2000 durften Abgeordnete ihre Familienangehörigen regulär beschäftigen und mit Steuergeldern bezahlen. Alle Verträge die früher abgeschlossen wurden, durften fortbestehen. Neue Arbeitsverträge waren von diesem Zeitpunkt an nicht mehr erlaubt. Viele Abgeordnete beendeten damals die umstrittenen Beschäftigungsverhältnisse. Insgesamt 79 Politiker nutzten diese Regelung dagegen weiterhin.

In der aktuellen Amtsperiode sind 17 CSU-Politiker übrig geblieben - ihre Namen sind in den vergangen Wochen publik geworden und haben teils für Empörung gesorgt. In der nun vorgestellten Liste präsentiert Stamm nun auch jene Namen, die ihre Verträge zwar über das Jahr 2000 hinaus bestehen ließen aber bis spätestens 2008 aufgelöst haben.

Besonders prominente Namen sind auf dieser Liste nicht mehr vertreten. Zu den bekannteren Personen auf der Liste zählen etwa der frühere Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, Siegfried Schneider (CSU), der frühere Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) oder die frühere Bundesfamilienministerin (2002 - 2005) und bayerische SPD-Chefin Renate Schmidt.

Die vollständige Liste:

Bis spätestens zum Ende der 14. Wahlperiode (1998 bis 2003) wurden von folgenden Abgeordneten diese umstrittenen Altverträge gekündigt:

  • CSU: Franz Brosch, Josef Eppeneder, Josef Göppel, Dieter Heckel, Walter Hofmann, Rudolf Klinger, Christian Knauer, Friedrich Loscher-Frühwald, Gerhard Merkl, Herbert Mirbeth, Willi Müller, Ludwig Ritter, Hermann Regensburger, Helmut Schreck, Rita Schweiger
  • SPD: Dieter Appelt, Hermann Geiger, Gerhard Hartmann, Inge Hecht, Anne Hirschmann, Heinz Köhler, Heinz Mehrlich, Fritz Möstl, Hermann Josef Niedermeier, Gudrun Peters, Renate Schmidt, Heiko Schultz, Johannes Strasser
  • Fraktionslos: Volker Hartenstein (vormals Grüne)

Bis spätestens zum Ende der 15. Wahlperiode (2003 bis 2008) wurden dann von folgenden Abgeordneten die Altverträge gekündigt:

  • CSU: Manfred Ach, Helmut Brunner, Herbert Ettengruber, Ingrid Fickler, Herbert Fischer, Günther Gabsteiger, Helmut Guckert, Henning Kaul, Jakob Kreidl, Helmut Müller, Johann Neumeier, Rudolf Peterke, Herbert Rubenbauer, Berta Schmid, Siegfried Schneider, Bernd Sibler, Hans Gerhard Stockinger, Blasius Thätter, Jürgen Vocke, Peter Welnhofer, Alfons Zeller, Josef Zengerle
  • SPD:Rainer Boutter, Heinz Kaiser, Wilhelm Leichtle, Heidi Lück, Herbert Müller, Joachim Wahnschaffe, Klaus Wolfrum
  • Grüne:Maria Scharfenberg

(Drei betroffene Abgeordnete sind inzwischen gestorben, ihre Namen sind in dieser Auflistung nicht mehr aufgeführt.)

Tagelang alte Verträge gesichtet

Um diese Namen herauszufinden, mussten in der Landtagsverwaltung in den vergangenen Tagen intensiv die Unterlagen zu den Arbeits-, Dienst- und Werkverträgen seit dem Jahr 2000 gesichtet werden. Stamm hattte sich mit der Vorsitzenden der CSU-Fraktion, Christa Stewens, und dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Markus Rinderspacher, darauf verständigt, die Namen sämtlicher Abgeordneter zu veröffentlichen, die jemals von der Regelung Gebrauch gemacht haben. Konsequenzen müsse keiner der Abgeordneten fürchten, da es sich bei der Regelung um geltendes Recht handele.

"Heutzutage aber ist eine so lange Übergangsregelung nicht mehr vermittelbar", so Stamm: "Wir müssen deshalb schnell reagieren." Schon in der nächsten Plenarsitzung am 16. Mai 2013 soll ein neues Gesetz verabschiedet werden, das voraussichtlich zum 1. Juni 2013 in Kraft treten soll.

Bereits am 24. April 2013 haben die CSU-Fraktion und die Grünen jeweils einen Gesetzentwurf eingebracht, nach denen Ehegatten sowie Verwandte und Verschwägerte bis zum 3. Grad nicht mehr aus der Mitarbeiterentschädigung bezahlt werden dürfen.

Zuvor hatte die CSU die Rücktrittsforderungen von SPD-Spitzenkandidat Christian Ude gegenüber fünf Kabinettsmitgliedern abgelehnt. "Das ist nichts anderes als ein übles und durchsichtiges Wahlkampfmanöver von Ude", so CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. "Es wird Ude damit nicht gelingen, von der erheblichen Mitverstrickung von SPD-Abgeordneten abzulenken." Ude solle lieber dafür sorgen, dass die Aufklärung bei der SPD in Gang komme.

Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) kritisierte ebenfalls: "Von einer schweren Regierungskrise zu sprechen, ist dummes Geschwätz." Die Koalition sei "dank der stabilen Rolle der FDP" handlungsfähig. "Die Selbstbedienung der betroffenen Politiker, egal welcher politischen Farbe, muss natürlich schnellstens abgestellt werden."

Ude hatte zwei Ministern und drei Staatssekretären Bereicherung auf Steuerzahlerkosten vorgeworfen, ihren Rücktritt gefordert und von einer Regierungs- und Parlamentskrise gesprochen. Einer der Angesprochenen ist Kultusminister Ludwig Spaenle. Er kündigte am Freitagabend, am Rande des CSU Parteikonvents in München, an, etwa 34.000 Euro an öffentlichen Geldern zurückzahlen. Diese Summe hatte seine Frau seit dem Jahr 2008 als Abgeordneten-Mitarbeiterin erhalten. Dies sei eine angemessene Konsequenz, sagte Spaenle. Er will das Geld entweder an die Landtagskasse zurückzahlen oder es für einen gemeinnützigen Zweck zur Verfügung stellen.

Aiwanger warnt vor Berufsverbot

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hat unterdessen vor einem Berufsverbot für Familienangehörige von Landtagsabgeordneten gewarnt. Ansonsten würde Kindern von Abgeordneten womöglich bald gar ein Praktikum in der Fraktion untersagt, mutmaßte Aiwanger am Freitag in Nürnberg. Politischer Nachwuchs werde damit "kaltgestellt".

"Was wir jetzt diskutieren, führt in letzter Konsequenz zu einem Berufsverbot für Angehörige von Abgeordneten", so Aiwanger. "Am Ende müssen Kinder von Abgeordneten automatisch Handwerker oder sonstwas werden", sagte der FW-Chef - und beeilte sich zu ergänzen: "Wobei das vielleicht auch nicht schlecht wäre."

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