Gehaltsaffäre der CSU:Seehofers weiß-blaue Jammerarie

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Reue zeigen und Geld spenden: Ministerpräsident Seehofer will die Gehaltsaffäre in der CSU mit Rückzahlungen möglichst schnell beenden. Das wird aber so einfach nicht funktionieren, weil es bei dieser Affäre um Moral und Anstand geht. Die lassen sich nicht einfach mit Geld zurückkaufen.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Bayern ist ein deutscher Komparativ: Der Himmel ist blauer, die Berge sind höher, Wiesen und Affären saftiger, Skandale skandalöser. Selbst Zorn, Empörung, Sack und Asche sind in Bayern heute voluminöser als anderswo. Warum? Erstens deshalb, weil die CSU erfolgreicher und abgründiger ist als andere Parteien, zweitens weil der Wahlkampf beginnt.

Wenn anderswo ein Skandal aufzieht, dann rast, wie man in Schillers "Wilhelm Tell" nachlesen kann, der See "und will sein Opfer haben". Bei der Verwandten-Affäre rast derzeit in Bayern nicht nur ein einzelner, es rasen alle Seen: Es rasen der Chiem-, Ammer-, Wörth- und Tegernsee, es rasen auch die unbekannten Gewässer, vom Froschgrundsee bis zum Dutzendteich.

Um der CSU-gefährlichen Raserei Einhalt zu gebieten, hat Ministerpräsident Seehofer seinen Mandatsträgern und Kabinettsmitgliedern befohlen, das Geld zurückzuzahlen, das diese aus Landtags-, also Staatsmitteln für bei ihnen arbeitende Verwandte ausgegeben haben. Die Rückzahlungen sollen Beruhigungsopfer sein für die rasenden Seen; sie sollen, wie Öl, die Wogen glätten und die CSU sicher in die nächste Legislaturperiode bringen.

Moral und Anstand sind nicht käuflich

Das wird aber so einfach nicht funktionieren, weil es bei dieser Affäre um Moral und Anstand geht; die lassen sich nicht einfach mit Geld zurückkaufen. Ein wenig erinnert einen diese Verwandten-Affäre, die derzeit die CSU beutelt, an das Schicksal von Al Capone - der nicht wegen der größeren Untaten, sondern wegen nicht bezahlter Steuern gepackt wurde.

Auch die Verwandten-Affäre ist von vergleichsweise harmloser Art: Es handelt sich nicht um Betrug; an der Beschäftigung der Verwandten war nichts strafbar; das Wort "Amigo" im Kontext dieser Affäre zu gebrauchen, verharmlost die wahren Amigo-Affären im Bayern von Strauß, Tandler und Streibl; damals ging es um Korruption, Bestechung und Bestechlichkeit.

Nichts dergleichen lässt sich den Abgeordneten vorwerfen, die in ihren Büros Ehefrauen oder Verwandte beschäftigt haben. Die Verträge waren rechtlich leidlich sauber, aber nicht rein; sie waren ungut, aber von Landtags-Regeln knapp gedeckt. Die Menschen empfinden das alles freilich als Echo der Großschmutzeleien aus alten Tagen der CSU.

Seehofers Jammerarie

Von Ehefrauen und Verwandten kann man das Geld nicht zurückverlangen; sie hatten ja ein ordentliches Arbeitsverhältnis. Lohn für geleistete Arbeit müssen sie nicht zurückzahlen. Das kann auch ein Ministerpräsident nicht anordnen. Das Geld könnte aber von den Abgeordneten zurückgefordert werden, wenn sie es, als Teil ihrer Aufwandsentschädigung, missbräuchlich verwendet hätten; von Missbrauch im Rechtssinn kann man aber nur dort reden, wo die Zahlungen von "Übergangsregelungen" nicht gedeckt waren.

Es bleibt ansonsten nur der moralische Appell an freiwillige Rückzahlung, die sich aber (jedenfalls, wenn es um Beschäftigung von Ehefrauen geht) indirekt auf diese, weil auf die gemeinsame Haushaltskasse, auswirkt. Seehofers Rückzahlungsarie ist keine Bravour-, sondern eine Jammerarie.

© SZ vom 06.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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