Gehälteraffäre im Landtag:Wenn selbst Seehofer plötzlich kleinlaut wird

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Horst Seehofer fürchtet Stimmenthaltungen bei der Landtagswahl wegen der Verwandtenaffäre.  (Foto: dpa)

Horst Seehofer markiert den rücksichtslosen Aufklärer, doch die Verwandtenaffäre bekommt der CSU-Chef nicht unter Kontrolle. Die neueste Enthüllung: Laut einem Medienbericht haben drei hochrangige CSU-Politiker noch im Jahr 2000 ihre Ehefrauen angestellt - kurz bevor genau das verboten wurde. Seehofer fürchtet die Folgen.

Von Sebastian Gierke

Wie kraftstrotzend die CSU noch vor fünf Wochen daherkam. Die Rückeroberung der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im September? Nur noch Formsache - so glaubten viele in der Partei.

Doch dann brach der Stum los. Und dieser Sturm hat das Potenzial, die von Umfragen gut genährten Träume hinwegzufegen. Wie schnell es abwärts gehen kann, das weiß die CSU nur zu gut. Auch 2008 sagten die letzten Umfragen der Partei knapp 50 Prozent voraus. Am Wahltag waren es dann nur noch 43,4 Prozent. Und das ohne eine Affäre von dem Ausmaß, wie sie gerade die Christsozialen erschüttert.

Horst Seehofer gibt den rücksichtslosen Aufklärer, versucht verzweifelt, die Debatte zu beenden. Doch es gelingt ihm nicht. Jetzt fürchtet er sogar, dass die Verwandtenaffäre seine Partei langfristig belastet. Es seien "Blessuren in Umfragen" zu erwarten, außerdem werde die Verwandtenbeschäftigung im bayerischen Landtag "zu einem Stück Wahlenthaltung führen", sagte der bayerische Ministerpräsident der Welt am Sonntag.

Seehofer gab sich in dem Gespräch - ganz CSU-untypisch - zurückhaltend, nannte als Ziel für die Landtagswahl am 15. September nicht die absolute Mehrheit, sondern eine Fortsetzung der Koalition mit der FDP.

Auch zu Vorwürfen, er habe schon früher von der Praxis gewusst, äußerte sich Seehofer: "Ich kann ruhigen Gewissens sagen: Ich habe von der Verwandtenbeschäftigung erfahren durch die Veröffentlichung der Fälle", sagte der CSU-Chef. "Ich fahre doch nicht in die Wahlkreise und frage die Abgeordneten: Beschäftigen Sie Ihre Gattin? Das ist doch total lebensfremd!"

Die Karriere von Horst Seehofer
:Einzelkämpfer mit Machtinstinkt

Horst Seehofer hat sich aus ärmlichen Verhältnissen zum bayerischen Ministerpräsidenten hochgearbeitet. Seine Karriere ist alles andere als geradlinig verlaufen, seine Arbeitswut hätte ihn fast das Leben gekostet. Nun hat er den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Ein Werdegang in Bildern.

Der CSU-Chef verteidigte außerdem sein Krisenmanagement. Die CSU könne verloren gegangenes Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen, wenn sie ihren Weg der "Krisenbewältigung durch Aufklärung und strikte Konsequenzen" weiter gehe, sagte er. Für seine Art des Krisenmanagements bekomme er "sehr viel Zustimmung".

Dabei bekommt er Zustimmung nicht einmal von allen in seiner eigenen Partei. Einige Abgeordnete fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt - und verärgern mit dieser Haltung ihren Chef zusätzlich. Für den gibt es nichts Schlimmeres, als ein Problem, das durch ständige neue Fehler und Enthüllungen immer größer wird. Und Landtagspräsidentin Barbara Stamm, qua Amt Chefaufklärerin der Affäre, wirkt zunehmend überfordert.

Ein Ende der Debatten ist jedenfalls nicht in Sicht. Immer wieder werden neue Fakten bekannt: Der Bayerische Rundfunk berichtet jetzt, dass der aktuelle Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Innenstaatssekretär Gerhard Eck und Kultusstaatssekretär Bernd Sibler (alle CSU) ihre Ehefrauen im Jahr 2000 noch "kurz vor knapp" einstellten. Das Verbot der Ehegattenbeschäftigung trat nur wenige Wochen später in Kraft. Möglicherweise hat diese Affäre noch nicht den letzten Rücktritt gesehen.

Seehofer hatte unter anderem den Rücktritt des CSU-Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid erzwungen und Kabinettsmitglieder zur Rückzahlung von Gehältern für Verwandte gedrängt. Außerdem verschärfte der Landtag das Abgeor dnetengesetz.

Aber so schlimm war`s auch wieder nicht

Schmid hatte seiner Frau nach eigenen Angaben als Büroleiterin auf Steuerzahlerkosten bis zu 5500 Euro im Monat bezahlt. Er gehört zu den Abgeordneten, die in der seit 2000 in Bayern verbotenen Beschäftigung naher Familienangehöriger eine Altfallregelung nutzten. Damit konnten Abgeordnete bestehende Beschäftigungsverhältnisse fortführen.

Den Ernst der Lage noch nicht erkannt hat offenbar Seehofers Parteikollege Peter Ramsauer. Er jedenfalls rechnet nicht mit einem Einbruch bei der Landtagswahl im September. Der Bundesverkehrsminister Ramsauer schloss im Gespräch mit dem Tagesspiegel kurzfristig eine Delle bei den Zustimmungswerten zwar nicht aus. "Aber die Leute sagen andererseits auch: Wir können's nicht mehr hören. Das mag zwar alles nicht ganz in Ordnung gewesen sein. Aber so schlimm war's auch wieder nicht."

Die Karriere von Horst Seehofer
:Einzelkämpfer mit Machtinstinkt

Horst Seehofer hat sich aus ärmlichen Verhältnissen zum bayerischen Ministerpräsidenten hochgearbeitet. Seine Karriere ist alles andere als geradlinig verlaufen, seine Arbeitswut hätte ihn fast das Leben gekostet. Nun hat er den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Ein Werdegang in Bildern.

Mit Material von AFP.

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