Gegner der Isental-Trasse:A für Autobahn, B für Bagger, D für Demo

Eine Familie im Isental engagiert sich gegen die Trassenführung über ihre Wiesen. Sie will nicht jammern, verliert aber den Glauben an Vernunft und Recht.

Ulrike Heidenreich

Wenn Michélle Forstmaier vor ihrem Kaminofen sitzt und sagt: "Ich bin es gewöhnt, an vielbefahrenen Straßen zu wohnen", ist das ein bisschen seltsam. Schaut man durch das eine Wohnzimmerfenster, sieht man nichts als Wiesen, sanfte Hügel und ein paar Apfelbäume. Schaut man durch das andere, sind lediglich ein paar Häuser zu entdecken und ein mickriger Feldweg. Dort hinten aber, 500 Meter entfernt vom Haus der Familie, wird wohl irgendwann eine zehn Meter hohe Autobahnbrücke stehen.

Gegner der Isental-Trasse: Manche Kinder im Ort lernen das ABC anhand des Protestvokabulars: Michélle Forstmaier mit ihren Söhnen Hans, Max und Fritz (v. links) auf ihrer Wiese - im Hintergrund soll eine Brücke der A94 verlaufen.

Manche Kinder im Ort lernen das ABC anhand des Protestvokabulars: Michélle Forstmaier mit ihren Söhnen Hans, Max und Fritz (v. links) auf ihrer Wiese - im Hintergrund soll eine Brücke der A94 verlaufen.

(Foto: Peter Bauersachs)

Auf vier Spuren werden die Autos auf der A94 darüberrasen und Michélle Forstmaier kann schon gut den Laut imitieren, wenn Fahrzeuge über Ausdehnungsstreifen von Brücken rattern: "Do-dock-do- dock", sagt sie mit einem Lächeln. Die 39-Jährige ist Gegnerin der Isental-Trasse, doch ihr ist es wichtig, nicht als eine Frau, die ständig jammert, dazustehen. Sie sagt: "Mit der A 94 können wir irgendwie leben." Allein, sie hat durch die Jahre des Widerstands den Glauben an die menschliche Vernunft verloren. Und ein bisschen auch an die Justiz.

Wenn an diesem Mittwoch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München über die Klagen gegen den geplanten Autobahnabschnitt zwischen Pastetten und Dorfen entscheidet, wird die Lengdorferin mal nicht im Gerichtssaal sein. Sie wird die Entscheidung im Radio hören, wenn sie das Fest für ihren 40. Geburtstag am Freitag vorbereitet und sich in ihrer Küche sicherlich wohler fühlen.

Es hört sich ein wenig traurig an, wenn sie sagt: "Es tut weh, im Gerichtssaal mitansehen zu müssen, wie die Richter die Augen verschließen vor den offensichtlichen Schönrechnereien der Verkehrsgutachter. So kommen die innerhalb eines Jahres bei zwei Gutachten, eines für die Flughafentangente und eines für die A94, im Ort Hörlkofen einmal auf 17.000 und im anderen auf 120.00 Fahrzeuge, obwohl die Rahmenbedingungen die gleichen waren. Wir wünschen uns ein unabhängiges, gerichtlich beauftragtes Gutachten."

Vor fünf Jahren ist Michélle Forstmaier mit ihrem Lebensgefährten Franz Obermeier, 42, aus dem nahen Dorfen in den alten Hof in Lengdorf gezogen. "Wir haben das Haus in dem Bewusstsein gekauft, dass hier mal die Autobahntrasse vorbeiführen kann, aber nicht daran gelaubt. Schließlich sprechen ja unendlich viele logische Argumente dagegen."

Gestandene Männer mit feuchten Augen

Mit drei Söhnen leben sie hier. Der Jüngste, der dreijährige Hansi, tollt im Wohnzimmer herum, in dem gerade umgebaut wird, und an dessen Wand Protestplakate lehnen. "Kommt nach der Politikverdrossenheit die Justizverdrossenheit?" steht auf einem. Bei den Nachbarn, erzählt Frau Forstmaier, lernten die Kinder das Alphabet folgendermaßen: A für Autobahn, B für Bagger, C für Caterpillar, D für Demo.

Ein ganzes Tal betrauert die immer neuen, abschlägigen Gerichtsurteile. Die "Aktionsgemeinschaft gegen die Isental-Autobahn" hat im Laufe der Jahrzehnte Tausende mobilisiert - Anwohner im Tal, Politiker und Naturschützer von außerhalb, Künstler aus ganz Bayern. Und mit denjenigen Nachbarn, die für die Trassenführung der A94 durch die Hügel des Isentals sind, "weil sie fünf Minuten schneller in München sein wollen", so die gelernte Architektin, streite man eigentlich nicht mehr - man vermeide das Thema im Alltag. Schließlich geht das ja nun schon 30 Jahre so.

Während ihres Studiums hat sie in Regensburg gelebt, an lauten, breiten Kreuzungen. Darum die Bemerkung mit den vielbefahrenen Straßen. Sie sagt betont sachlich: "Man kann an solchen Straßen leben, viele Menschen tun das. Auch wir können es, aber darum geht es hier nicht." Den Protestparteien geht es um die verlorene Idylle des Isentals, die Überzeugung, dass die Autobahn viel besser dort verlaufen könnte, wo sich jetzt auf der B12 die Autos stauen. Schon die alten Römer hatten diese Trasse nach bautechnischen Erwägungen gewählt.

Je nach Richterspruch könnte 2013 mit dem Bau im Isental begonnen werden. In etwa zehn Jahren könnte der Verkehr auf einem Autobahn-Teilstück nahe dem Forstmaier-Haus durch Wald und Wiesen führen. Sie haben ihr Haus in den vergangenen Jahren energetisch saniert. "Wir bereiten uns vor auf das Zeitalter nach dem Erdöl, Uran und Kohle."

Dazu gehöre doch auch der sparsame Verbrauch von Acker- und Waldflächen. "Wenn die verantwortlichen Politiker und Richter einmal dabei wären, wie die Isentaler mit Blick aufs Tal 'Gott mit dir, du Land der Bayern' singen und gestandene Männer feuchte Augen bekommen, könnten sie vielleicht begreifen, was hier kaputt gemacht wird", sagt Michélle Forstmaier. Aber sie möchte nicht jammern.

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