Gegensätze in Bayern:Das geteilte Land

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Nord gegen Süd, Stadt gegen Land: Bayern leidet unter krassen Gegensätzen. Die schwarz-gelbe Regierung vertieft mit ihrer Politik die Spaltung. Vier Thesen, um der drängenden Probleme Herr zu werden.

Von Christian Sebald

Bayern braucht ein Landesentwicklungsprogramm (LEP), das Antworten gibt auf all die Herausforderungen, vor denen der Freistaat steht. Darin sind sich Staatsregierung und Opposition einig. Denn - so lautet ihr Credo - Bayern soll weiter so prosperieren wie seit den 1970er Jahren, als man das erste LEP verabschiedete und der systematische Ausbau einer leistungsstarken Infrastruktur in Gang kam.

Sonst aber, das wird sich bei der Anhörung zum neuen LEP diesen Donnerstag im Landtag zeigen, haben sich Schwarz-Gelb, SPD, Grüne und Freie Wähler, aber auch Kommunen, Wirtschaft, Handel, Umweltschützer und all die anderen, die mit der Landesentwicklung zu tun haben, heillos zerstritten. Etliche Experten sagen sogar, das neue LEP sei das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist. Sie fordern, die Staatsregierung soll es zurückziehen und nach der Landtagswahl einen neuen Anlauf nehmen. Vier Thesen für ein neues LEP für Bayern.

Bayern braucht dringend ein neues Konzept der Landesentwicklung

So akademisch es klingt, an dem Punkt entscheidet sich, ob der Freistaat seine Vielfalt behält und damit seine Besonderheit. Oder ob er immer mehr zu einem Einerlei aus grauen Wohnsiedlungen und Gewerbegebieten verkommt. Die Landesentwicklung basiert wesentlich auf dem System der zentralen Orte.

Bisher teilt es die Kommunen in sieben Kategorien ein, in Unter- und Mittelzentren und dergleichen mehr. Je nach Kategorie hat ein Ort Anrecht auf Infrastruktur - auf Kindergärten und Schulen zum Beispiel, aber auch auf Läden, Einkaufszentren und anderes. Das System der zentralen Orte ist so aufgebläht, dass es sein Ziel - den ausgewogenen Ausbau der Infrastruktur - längst verfehlt.

Einer Studie zufolge erbringen nur 40 Prozent der zentralen Orte die Leistungen für ihre Bevölkerung, zu denen sie verpflichtet sind. Doch der Freistaat hält stur an der Gesamtzahl von 920 zentralen Orten fest. Die Folge: Der Wildwuchs wird immer schlimmer. Wichtig sind weniger, dafür echte Zentren.

Bayern muss endlich den demografischen Wandel bekämpfen

Die Phrase von der "Gleichheit der Lebensbedingungen überall in Bayern" gehört zu jeder Politikerrede wie das Amen zur Kirche. In Wahrheit ist Bayern längst ein zweigeteiltes Land. In Oberfranken und der nördlichen Oberpfalz, aber auch in Teilen Mittelfrankens wandern die jungen Leute in Scharen ab, nur die Alten (müssen) bleiben. Dafür kämpfen die Region München und andere Ballungsräume schier vergeblich mit den Lasten des Zuzugs - nicht nur was die Explosion der Mieten anbelangt.

Zumindest in München ist das S-Bahn-System veraltet. Die großen Städte kommen mit den Kindertagesstätten noch weniger hinterher als die ländlichen Kommunen. Um dieser und vieler anderer Probleme Herr zu werden, sind differenzierte Entwicklungskonzepte für jede einzelne Region Bayerns überfällig. Diese müssen im LEP verankert werden. Stattdessen belässt es die Staatsregierung bei dem Allgemeinplatz von den gleichen Lebensbedingungen überall im Freistaat.

Bayern braucht dringend einen Plan für die Energiewende

Darin sind sich selbst der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Eon-Chef Johannes Teyssen einig: Es gibt keine Alternative zur Energiewende, sie muss gelingen. In schöner Übereinstimmung ermahnten der Bischof und der Manager unlängst die Politiker, dass sie sich endlich an konkrete Planungen machen müssen.

Die Staatsregierung tut in ihrem LEP so, als könne sie den Atomausstieg mit Absichtserklärungen voranbringen. "Erneuerbare Energien sind verstärkt zu erschließen und zu nutzen", heißt im Kapitel Energie zum Beispiel - oder: "In den Regionalplänen können Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für die Errichtung von Freiflächen-Fotovoltaikanlagen festgelegt werden." Das ist ungenügend.

Jede Region in Bayern muss endlich verpflichtet werden, genaue Vorgaben für den Ausbau von Windkraft, Solaranlagen, Wasserkraft und Biomasse samt Zeit- und Netzplan zu erarbeiten. Das muss unbedingt auch im LEP als Aufgabe fixiert werden.

Bayern muss endlich den Flächenfraß eindämmen

Der Flächenfraß ist eines der größten Umweltprobleme im Freistaat. Das sagen nicht nur Naturschützer. Das sagen auch die Bauern. Und inzwischen sagt das sogar die CSU. 2011 wurden jeden Tag 18 Hektar Land in Baugrund für Siedlungen, Gewerbegebiete oder Verkehrswege umgewandelt. Das entspricht 27 Fußballfeldern.

Doch so sehr sogar Agrarminister Helmut Brunner und Umweltminister Marcel Huber (beide CSU) den Flächenfraß beklagen, die Staatsregierung will nun wieder einmal die Vorgaben für neue Gewerbegebiete, Discounter und selbst Hotels in der freien Landschaft lockern. Dabei könnten Ministerpräsident Horst Seehofer und Co. den Flächenverbrauch mit dem neuen LEP wirksam angehen. Anstelle der üblichen Absichtsbekundungen müsste die Staatsregierung im Kapitel Siedlungsstruktur nur verankern, dass in einer Kommune ausnahmslos alle Baulücken im Ort geschlossen sein müssen, bevor diese am Ortsrand ein neues Baugebiet ausweisen darf.

© SZ vom 21.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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