Süddeutsche Zeitung

Geflügelmast:"Das ist kein Bauernhof mehr, sondern ein Industriebetrieb"

  • Ein Landwirt aus Eschelbach bei Wolnzach hat eine Mastanlage genehmigen und bauen lassen, in der er im Jahr mehr als eine Million Hähnchen mästen könnte.
  • Der Bund Naturschutz hat Klage gegen den Bauern erhoben, deswegen stehen die Hallen leer.
  • Letztlich geht es um die Fragen, ob ein solches Unternehmen noch ein Bauernhof ist und woher das Futter für das Geflügel kommen darf.

Von Christian Sebald

Es soll ein Zeichen sein, sagt Josef Höckmeier, ein Zeichen an den Bund Naturschutz (BN). Höckmeier, 31 und Landwirt aus Eschelbach bei Wolnzach, kämpft dafür, dass seine Familie eine gigantische Hähnchenmastanlage betreiben darf. Seit Herbst 2018 sind die Hallen mit den 144 600 Mastplätzen fertig. In ihnen könnte Höckmeier fast 1,1 Millionen Hähnchen im Jahr mästen.

Doch ein Großteil der Hallen steht leer. Denn der BN hat Klage gegen die Anlage erhoben. Solange das Verwaltungsgericht München nicht geurteilt hat, darf Höckmeier sie nicht in Betrieb nehmen. Jetzt hat der Landwirt verkündet, dass er die Zahl der Mastplätze um 20 000 verringern wird. "Wir wollen Kompromissbereitschaft zeigen", sagt Höckmeier, "deshalb gehen wir zurück auf 124 600 Mastplätze." 20 000 Mastplätze weniger bedeuten einen Verzicht auf 150 000 schlachtreife Hähnchen im Jahr.

Den BN wird Höckmeier mit seinem Verzicht nicht umstimmen können. "Für uns ist der Betrieb ein Paradebeispiel für die Industrialisierung der Landwirtschaft", sagt BN-Landesgeschäftsführer Peter Rottner. "Deshalb lehnen wir die Anlage ab, wir setzen weiter darauf, dass wir sie vor Gericht zu Fall bringen." Für Experten ist der Eschelbacher Betrieb tatsächlich ein Beleg für die Konzentration der Geflügelbranche im Freistaat. Das lässt sich sogar im Agrarbericht 2018 der Staatsregierung nachlesen. Zwar sind die Zahlen darin inzwischen drei Jahre alt. Aber sie dürften sich insgesamt nur wenig verändert haben. Danach gab es 2016 bayernweit knapp 5,4 Millionen Hähnchenmastplätze. 5,2 Millionen oder 96 Prozent entfielen auf Massentierhaltungen mit mehr als 10 000 Mastplätzen. In den 21 größten Betrieben des Freistaats erfassten die Statistiker gut zwei Millionen Mastplätze. Das entspricht 38 Prozent der gesamten Mastplätze.

Die Hähnchenmast zählt zu den umstrittensten Arten der Tierhaltung. BN und anderen Gegnern zufolge kommt es dabei allein wegen der Menge der Tiere in den Hallen zwangsläufig zu massiven Verstößen gegen den Tierschutz. "Die Tiere haben keinerlei Auslauf ins Freie, sie können nicht nach Insekten und Würmern picken und es fehlen Stangen oder andere Gerätschaften, auf die sie hinauffliegen könnten", sagt Rottner. Auch die meist 32-tägige Turbomast der Tiere auf 1,6 Kilo Schlachtgewicht sei eine Qual.

Und für die Bevölkerung in der Umgebung seien die Anlagen eine immense Belastung. "Schon vom Geruch her", sagt Rottner. "Und natürlich was die Keime anbelangt." Die Risiken für die Umwelt - in Eschelbach etwa für ein geschütztes Wäldchen - seien ebenfalls groß. In seiner Klage wirft der BN dem Landratsamt Pfaffenhofen vor, dass es den Bau der Anlage niemals hätte genehmigen dürfen. "Denn das ist kein Bauernhof mehr", sagt Rottner, "sondern ein Industriebetrieb." Und ein solcher gehöre auf keinen Fall in das Umfeld eines 300-Einwohner-Dorfes wie Eschelbach. "Sondern wenn überhaupt in ein Industriegebiet."

In seiner Klage stützt sich der BN hauptsächlich auf die sogenannte Privilegierung landwirtschaftlicher Bauvorhaben. "Danach darf ein Bauer im Umfeld eines Dorfes einen Stall nur dann errichten, wenn er den überwiegenden Anteil des Futters für die Tiere darin auf seinen Agrarflächen erwirtschaftet - sei es auf seinen eigenen oder auf langfristig gepachteten", sagt Rottner. Der BN bestreitet, dass dies bei Höckmeiers Mastanlagen der Fall ist. "Denn in den entsprechenden Berechnungen für die Genehmigung wurden nur die Futteranteile Mais und Weizen angesetzt", sagt Rottner. "Nicht aber das Soja für den Eiweißbedarf der Masthähnchen." Der sei aber "erheblich" und müsse unbedingt zum Flächenbedarf der Mastanlage hinzugerechnet werden. Wegen dieses Fehlers, so das Argument des BN, sei die Baugenehmigung für die Mastanlage hinfällig.

Landwirt Höckmeier weist all die Vorwürfe strikt zurück. "Wir sind kein Industriebetrieb", sagt er, "wir sind ein Familienbetrieb." Schließlich war es Höckmeiers Großvater, der 1965 in die Hähnchenmast eingestiegen ist, "er war ein Pionier". Zuletzt hatte die Familie zwei Großställe mit zusammen 40 000 Mastplätzen. Selbst nach der massiven Aufstockung sieht sich der Bauer keinesfalls als Beispiel für die Industrialisierung der Landwirtschaft. "Auf Deutschland bezogen sind wir im guten Durchschnitt", sagt er. "Ich will noch mindestens 30 Jahre Bauer sein, dazu brauche ich die 124 600 Mastplätze."

Außerdem betont Höckmeier, beim Umweltschutz ganz vorne mit dabei zu sein. "In den neuen Hallen haben wir für 500 000 Euro eine Wäscheanlage für die Abluft eingebaut", sagt er, "so eine gibt es in keiner anderen Mastanlage in Bayern." Die Entlüftung in den alten Hallen habe man ebenfalls komplett modernisiert. Auch in das Tierwohl habe man investiert, zum Beispiel in eine Verglasung der Hallen, damit die Hähnchen Tageslicht haben, und in eine Kühlung, dass es im Sommer in der Anlage nicht zu heiß werden kann. "Das sind alles freiwillige Leistungen", betont Höckmeier, "keiner bezahlt uns dafür einen Cent mehr für unsere Hähnchen."

Und wie steht es mit dem Soja und den Flächen dafür? "Hier bei uns in Bayern und Deutschland sind die Böden für Soja-Anbau viel zu unfruchtbar", sagt Höckmeier. Deshalb beziehe er es aus Importen. Das Verwaltungsgericht München will noch in dieser Woche bekannt geben, wie es die Sache mit dem Soja sieht.

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SZ vom 21.03.2019/vewo
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