Gefängnis-Mitarbeiter aus Nürnberg:Bewacher im Pendeldienst

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Gefängnis-Mitarbeiter aus Nürnberg fahren jede Woche nach München, um einen Mann, der in Untersuchungshaft sitzt, in der Klinik zu beaufsichtigen. Warum passen nicht die Kollegen aus München auf ihn auf?

Katja Auer

Sie wollte sich von ihrem Ehemann trennen. Da rastete der aus. In ihrer Wohnung im Nürnberger Westen schüttete ein Mann Brandbeschleuniger auf seine 30-jährige Frau und zündete sie an. Sie konnte sich auf die Straße retten, ein Autofahrer hielt an und löschte die brennende Frau. Sie wurde schwer verletzt, ihr 48 Jahre alter Ehemann ebenfalls - auch seine Kleidung hatte Feuer gefangen.

Fast einen Monat ist das nun her, das 30-jährige Opfer wird wegen seiner schweren Verbrennungen immer noch in einem Nürnberger Krankenhaus behandelt. Auf derselben Station lag auch ihr Mann, der Täter. Weil das der Frau aber nicht zuzumuten sei, wurde der Mann in eine Klinik nach München verlegt. So weit, so nachvollziehbar.

Weil gegen den 48-Jährigen aber ein Haftbefehl erlassen wurde wegen versuchten Mordes und Brandstiftung, sitzt der Mann eigentlich in Untersuchungshaft. Und weil das so ist, muss er im Krankenhaus bewacht werden. Wäre er gesund, würde er im Nürnberger Gefängnis sitzen, wo ihn Nürnberger Justizvollzugsbeamte bewachen würden.

Nun ist er in einem Münchner Krankenhaus - und wird trotzdem von den Leuten der JVA Nürnberg bewacht. Im Schichtdienst fahren mindestens zwei Bedienstete nach München und sitzen dort abwechselnd vor der Krankenzimmertür des Mannes. Damit keine unnötigen Fahrkosten entstehen, bleiben sie gleich sieben Tage in München, übernachten und essen in Stadelheim - bis die Ablösung kommt. Die Nachtschicht übernehmen die Bediensteten der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim. So bestätigte es ein Sprecher des Justizministeriums.

Der SPD-Abgeordnete Horst Arnold ist Gefängnisbeirat in Nürnberg und hat von dem Fall erfahren. "Absolut amateurhaft" sei dieses Vorgehen, sagt er und fordert vom Justizministerium, die Pendelei der Bewacher abzustellen. Wegen Personalnot habe es die JVA Stadelheim abgelehnt, auf den Nürnberger Häftling aufzupassen. Das sei jedoch inakzeptabel und zeige nur die verfehlte Personalpolitik der Staatsregierung, sagt Arnold. München und Nürnberg teilten sich die Bewachung, bestätigte der Ministeriumssprecher und räumte ein, dass es eigentlich sinnvoll sei, wenn die Bediensteten vor Ort einen Häftling bewachten.

Seit Jahren schon beklagt nicht nur die Opposition, dass Bayerns Gefängnisse personell chronisch unterbesetzt sind. Auch das Justizministerium räumt das immer wieder ein. Im Vergleich der Bundesländer liegt der Freistaat bei der Personalausstattung seit Jahren an letzter Stelle. Etwa 800 Stellen fehlen im bayerischen Justizvollzug, so teilte das Ministerium vor einem Jahr auf eine Anfrage der Freien Wähler mit.

In der Nürnberger Untersuchungshaft sei es besonders schlimm mit der Personalnot, sagt Arnold. Auch deswegen, weil in Nürnberg all diejenigen Münchner Kriminellen sitzen, die ihre Geldstrafen nicht bezahlen können und darum ins Gefängnis müssen. Auch das sei eine Ausnahme, sagt der Ministeriumssprecher und nennt als Grund Baumaßnahmen in Stadelheim. Zwar werden die Münchner mit Ersatzfreiheitsstrafen, wie es im Justizjargon heißt, schon seit ein paar Jahren in Nürnberg eingesperrt.

Wenn Stadelheim umgebaut ist, solle das aber wieder aufhören - und zwar in absehbarer Zeit. "Wir sind schon in der Lage, die Mehrbelastung mit unserem motivierten Personal zu leisten", sagt ein Vertreter der Nürnberger Anstaltsleitung, "ebenso wie den Krankenhaus-Wachdienst in der Landeshauptstadt." Das sei eben ein außergewöhnlicher Umstand. Mehr Personal, ja, dagegen hätte er freilich trotzdem nichts einzuwenden.

© SZ vom 23.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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