Als Fotograf oder als Grafiker würde er gerne arbeiten, sagt Tobias G., sogar in einem Lager, als Kellner sowieso. Er würde eigentlich jedes Jobangebot annehmen, aber eines will er vorerst nicht mehr: seinen Traum von einem eigenen Lokal verwirklichen. G. sagt: "Ich habe zu große Angst."
Tobias G., der eigentlich anders heißt, will einfach seine Ruhe haben, will wieder durch die Straßen seines Heimatdorfes im Landkreis Freyung-Grafenau gehen, ohne beobachtet zu werden, ohne sich ausgegrenzt zu fühlen. Er will vor allem keine weiteren Drohbriefe erhalten.
Zehn Jahre lang lebte und arbeitete Tobias G. in verschiedenen europäischen Ländern, zuletzt betrieb er mit seinem Freund eine Gastronomie in einer spanischen Großstadt. Vor wenigen Monaten ist er mit seinem Partner in seine Heimat zurückgezogen, sie wollten ein eigenes Lokal eröffnen.
Deutschland erschien ihnen als eine gute Wahl, allein wegen der vergleichsweise guten konjunkturellen Lage. Sie verhandelten mit einer Bank über einen Kredit, unterschrieben hatten sie zwar nichts, aber immer wieder hieß es, dass es klappen werde. Dass nur Kleinigkeiten fehlten. Anfang Dezember unterzeichnete das Paar den Pachtvertrag für ein Lokal.
Doch plötzlich sagten ihnen die Bank-Mitarbeiter, dass ihr Konzept nicht überzeugend sei. Sie seien daher nicht kreditwürdig, nicht einmal für einen Betrag in Höhe von 1000 Euro. Eine Bankangestellte sagte Tobias G., dass es ja nur "zu seinem persönlichen Schutz" sei, dass er ihnen eines Tages noch dankbar sein werde. Tobias G. verstand die Anspielung sofort.
Seit 2007 ist er HIV-positiv, sein damaliger Freund war fremdgegangen und hatte ihn unwissentlich angesteckt. Er nimmt täglich ein Medikament ein, die Ärzte sagen, das Virus sei inzwischen im Schlummerzustand. Im Blut ist er nicht mehr nachweisbar, er ist nur im Rückenmark gespeichert. Eigentlich, sagt Tobias G., "bin ich wieder negativ." Zu 99,99 Prozent sei er nicht mehr ansteckend. Sein Freund zum Beispiel ist nicht infiziert.
Nach der überraschenden Absage der Bank fragte das Paar bei einem anderen Institut nach, wieder bekamen sie eine positive Rückmeldung. Es war dennoch der Tag, an dem Tobias G. merkte, dass er es schwer haben würde mit seinem Wunsch von der eigenen Gastronomie.
An jenem Tag vor knapp drei Wochen erhielt er den ersten Drohbrief. In der ersten Zeile stand in großen Buchstaben: "AIDS ist tödlich." Homosexuelle seien in dem Dorf toleriert, aber niemand wolle "eine schleichende Infizierung": "Wir brauchen so etwas wie euch hier nicht." Tobias G. erstattete Anzeige.
Landrat bietet Unterstützung an
Eine Woche später bekam er wieder einen Brief, mit exakt demselben Wortlaut. Er ignorierte ihn. Bis eine Mitarbeiterin einer Lokalzeitung anrief und sagte, dass sie noch Nachfragen zu dem Nachruf habe. Sie dachte, sie spreche mit dem Vater von Tobias G. Sie wollte über den Nachruf auf dessen Sohn sprechen, der angeblich am 25. Januar 2013 gestorben war. Ein Unbekannter hatte im Namen der Familie die Todesanzeige aufgegeben.
Tobias G. erstattete erneut Anzeige. Einen konkreten Verdacht hat er nicht, er weiß nur, dass sein Bekanntenkreis beteiligt sein muss. Das Foto auf der Todesanzeige stammt von seinem Facebook-Profil; er hat es so eingestellt, dass nur Facebook-Freunde seine Fotos sehen können. Die Kriminalpolizei Passau ermittelt wegen Beleidigung gegen Unbekannt.
Am Dienstag bot Michael Adam, Regener Landrat und ebenfalls homosexuell, Tobias G. Unterstützung an, er könne auch noch einmal mit der Bank reden. Tobias G. lehnte ab. "Das mit der Selbständigkeit ist für uns gestorben." Er sucht jetzt nach einer Anstellung in seinem Geburtsdorf. Wegziehen will er nicht. "Ich fühle mich hier wohl, selbst unter diesen Umständen", sagt er. "Das ist weiter meine Heimat."