Unfall:Mindestens vier Tote bei Zugunglück in Oberbayern

Der Zug entgleist in Burgrain bei Garmisch-Partenkirchen. Bayerns Innenminister spricht von 16 schwerverletzten Personen und etwa 140 Leichtverletzten.

Von Thomas Balbierer, Matthias Köpf, Martin Moser, Johann Osel und Patrick Wehner

Es ist der letzte Schultag vor den Pfingstferien, Kinder fahren nach Hause. Da entgleist der Zug in Burgrain bei Garmisch. Es gibt Tote und Verletzte. Unzählige Retter eilen zur Unglücksstelle in der beliebten Urlaubsregion. Mittlerweile spricht das Polizeipräsidium Oberbayern Süd von vier Menschen, die ums Leben gekommen sind. Weitaus mehr Menschen werden verletzt.

Das Unglück ereignete sich gegen 12.15 Uhr im Ortsteil Burgrain in den Loisachauen. Auf Luftbildern ist zu erkennen, dass der Zug mit Doppelstockwagen auf einer einspurigen langgezogenen Kurve unterwegs war. Eine Weiche ist nicht zu sehen. Der Streckenabschnitt liegt erhöht auf einem Bahndamm, mehrere Waggons rutschten vom Damm in einen kleinen Bach. Ersten Vermutungen zufolge könnte ein Fehler am Gleis die Ursache sein.

Gut 500 Retter eilen herbei und kümmern sich um die vielen Opfer. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kommt am späten Nachmittag zum Unglücksort. Er spricht von 16 überwiegend schwerverletzten Personen und etwa 140 Leichtverletzten. Das seien allerdings vorläufige Zahlen. Alle Verletzten wurden mittlerweile abtransportiert, hieß es an der Unfallstelle. "So weit wir das überblicken können, sind alle Menschen aus dem Zug geborgen", sagte ein Polizeisprecher. Die Rettungskräfte würden die Waggons des entgleisten Zuges aber noch einmal genau durchsuchen.

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(Foto: Josef Hornsteiner/dpa)

Eine schwerverletzte Person soll laut Innenminister Herrmann auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben sein. Unter dem Zug sollen allerdings noch mindestens drei tote Personen liegen, so der Minister. Solange die umgekippten Waggons nicht angehoben seien, könne man nicht genauer sagen, ob sich noch weitere Personen darunter befänden. "Das ist eine überaus schwierige Aufgabe für die Einsatzkräfte, Tonnen die bewegt werden müssen", sagte Herrmann am Unglücksort. Und man müsse darauf achten, dass die Helfer nicht selbst gefährdet werden.

Viele Schüler im Unglückszug vermutet

Der Regionalzug war gegen Mittag Richtung München unterwegs. Zum Ferienbeginn und kurz nach Unterrichtsende nutzten wohl viele Schüler diese Bahn.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat sich erschüttert und tief betroffen zum Zugunglück geäußert. "Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer und wünschen allen Verletzten rasche Genesung", schrieb der CSU-Chef am Freitag bei Twitter. Gerade die Schüler hätten sich auf die Pfingstferien gefreut. "Großen Respekt und Dank allen Rettungskräften für die schnelle Hilfe", betonte Söder.

Feuerwehr, Notärzte und Polizei waren rasch mit einem Großaufgebot vor Ort. "Die Menschen werden durch die Fenster gezogen", sagte ein Sprecher der Bundespolizei während der Rettungsmaßnahmen. Zwölf Rettungshubschrauber kreisten über der Gegend. "Es wurde Vollalarm für Feuerwehr und Rettungsdienst ausgelöst", sagte ein Sprecher der Integrierten Leitstelle im Oberland.

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(Foto: SZ-Grafik)

Autofahrer haben den Unfallhergang von der benachbarten Straße mit ansehen müssen. "Es war einfach schrecklich", sagte ein amerikanischer Soldat, der in einem Auto neben der Bahnstrecke gefahren ist, dem Garmisch Partenkirchener Tagblatt. "Einfach schrecklich, plötzlich ist der Zug umgekippt."

Aus dem Münchner Klinikum Großhadern ist am Nachmittag zu hören, dass das Personal bereits dabei sei, die Intensivstation leerzuräumen und Patienten schnellstmöglich zu verlegen, um Platz für die Verletzten zu schaffen.

Die bayerische Landespolitik reagiert betroffen auf das Zugunglück

Während Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mittags noch in Würzburg den abschließenden Pressetermin zur mehrtägigen Innenministerkonferenz abhielt, kamen die ersten Meldungen vom Unglück auf die Handys. "Gruselig" beschreiben Teilnehmer die Stimmung in Würzburg, wo sich die Ressortchefs von Bund und Ländern etwa über den Ausbau von Warnsirenen, Beamtenrecht und den strafrechtlichen Umgang mit Kinderpornografie beraten haben. Herrmann machte sich umgehend auf den Weg nach Garmisch.

"Wir haben wieder einen schrecklichen Unfall hier in Garmisch-Partenkirchen", sagte Herrmann in seinem Statement an der Unglücksstelle. Warum der Zug entgleist sei, könne man augenblicklich noch nicht sagen. Bundespolizei und Kriminalpolizei ermitteln.

Unfall: Joachim Herrmann an der Unglücksstelle

Joachim Herrmann an der Unglücksstelle

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Herrmann lobte die Arbeit der Retter, er sehe aber keinen Anlass, den Katastrophenfall auszulösen. "Hilfreich" seien 15 Bundeswehrsoldaten gewesen, die sich auch im Zug befanden, so der Minister. Sie haben "kräftig mitgeholfen, Personen aus dem Zug heraus zu bergen". Bei den Soldaten soll es sich um Gebirgsjäger aus der Kaserne in Mittenwald handeln.

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), der zusammen mit Herrmann an die Unfallstelle gefahren war, sagte, es sei entsetzlich, wenn mit einem öffentlichen Personenzug ein so schweres Unglück passiere. "Wir werden genau untersuchen, was die Ursache des Zugunglücks ist. Es war kein zweiter Zug und kein anderes Fahrzeug beteiligt", betonte Bernreiter.

Noch am Freitagabend wird auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Unfallort erwartet. Bundesverkehrsminister Volker Wissing und Bahnchef Richard Lutz wollen sich am Samstag vor Ort ein Bild machen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach unterdessen von "erschütternden Nachrichten" und "bedrückenden Bildern" von der Unfallstelle. "Unser Mitgefühl ist bei den Angehörigen, bei den Verletzten, denen wir eine baldige Genesung wünschen", sagte er am Freitag den Sendern RTL und ntv. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat sich bestürzt geäußert. "Die Bilder, die uns in diesen Stunden aus Garmisch-Partenkirchen erreichen, sind dramatisch", sagte der FDP-Politiker in Berlin. "Aktuell lässt sich das gesamte Ausmaß der Katastrophe nur erahnen. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen und Verletzten. Wir stehen im engen Austausch mit der Bahn und unterstützen, wo wir können. Unsere Experten sind bereits vor Ort, um gemeinsam mit den Ermittlungsbehörden die Unfallursache zu untersuchen."

Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner zeigte sich vom Unglück tief betroffen: "Unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen der tödlich Verunglückten - ihnen wünsche ich viel Kraft", teilte sie mit. Den Verletzten wünsche sie schnelle und gute Genesung, sie danke den vielen Einsatzkräften vor Ort.

Auch die Deutsche Bahn hat den Angehörigen ihr tiefes Mitgefühl ausgesprochen. Einsatzkräfte und Mitarbeiter der DB seien am Unfallort, teilte das Bundesunternehmen in Berlin mit. Über die Ursache des Unfalls am Freitagmittag könne noch keine Aussage getroffen werden. "Die Eisenbahnerfamilie und ich sind schockiert von dem schrecklichen Zugunglück", teilte Bahnchef Richard Lutz mit. "Unsere Gedanken sind bei den Opfern, den Verletzten und ihren Familien."

Die Bahn sperrte die Strecke zwischen Garmisch-Partenkirchen und Oberau. Züge aus Richtung München wenden vorzeitig in Oberau. Aus Richtung Mittenwald wenden die Züge vorzeitig in Garmisch-Partenkirchen. Die Sicherung und Bergung der umgekippten Waggons werde indes "sicher die nächsten Tage noch in Anspruch nehmen", sagte ein Polizeisprecher. "Das wird heute nicht mehr funktionieren." Die Sperrungen der Bahnstrecke und der parallel verlaufenden Bundesstraße 2 müssten daher "sicher übers Wochenende aufrechterhalten werden".

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen
:"Soweit wir das überblicken können, sind alle Menschen aus dem Zug geborgen"

500 Helfer eilen an die Unglücksstelle. Drei tote Personen sollen noch unter Waggons eingeklemmt sein, es gibt zahlreiche Verletzte. Bilder von der Unfallstelle.

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