Oberbayern:Päpstliche Familie drinnen, Demonstranten draußen

Oberbayern: "Nichts als die Wahrheit": Der Titel des Buches, das der langjährige Privatsekretär des verstorbenen Papstes in Altötting vorstellte, provozierte Proteste.

"Nichts als die Wahrheit": Der Titel des Buches, das der langjährige Privatsekretär des verstorbenen Papstes in Altötting vorstellte, provozierte Proteste.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Ein Besuch von Erzbischof Georg Gänswein, dem langjährigen Vertrauten des verstorbenen Papstes Benedikt XVI., wird in Altötting von Protesten begleitet. Es geht um Missbrauch in der Kirche und Vorwürfe der Vertuschung.

Nach dem Tod von Papst Benedikt XVI. ist der Kampf um die Deutungshoheit über sein Schaffen im vollen Gange. Kritiker sehen in ihm einen Vertuscher von Missbrauchsfällen, Anhänger streiten das ab. In Altötting standen sich beide Lager nun gegenüber. Georg Gänswein, der langjährige Privatsekretär des verstorbenen Papstes, stellte am Samstagabend dort mit Verleger Manuel Herder im voll besetzten großen Saal des Kongress-Forums sein neues Buch "Nichts als die Wahrheit" vor. Vor der Tür hatte sich eine Gruppe von etwa 20 Personen der "Initiative Sauerteig" aus Garching an der Alz und von "Wir sind Kirche" postiert.

Die Demonstranten machten auf Bannern und Handzetteln darauf aufmerksam, dass aus ihrer Sicht "Joseph Ratzingers Wissen um den Missbrauch auch zur Wahrheit gehört". Ein Slogan: "Ratzinger wusste Bescheid". Zu einer direkten Begegnung mit Gänswein kam es nicht. Das Thema spielte bei der Veranstaltung selbst offenbar keine Rolle.

Oberbayern: Etwa 20 Personen protestierten. Joseph Ratzingers Wissen um den Missbrauch gehöre auch zur Wahrheit, mahnten sie.

Etwa 20 Personen protestierten. Joseph Ratzingers Wissen um den Missbrauch gehöre auch zur Wahrheit, mahnten sie.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die "Initiative Sauerteig" entstand in Garching im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauchstaten durch einen bereits einschlägig vorbestraften Pfarrer. Die Initiative fordert "Entschädigungen, die dem wahren Ausmaß des Schadens gerecht werden". Sie unterstützt unter anderem die Zivilklage eines mutmaßlichen Missbrauchsopfers. Der Mann verlangt vom Erzbistum München und Freising, dem als Täter beschuldigten Priester und mehreren früheren Münchner Erzbischöfen Schadensersatz. Zu den Beklagten zählt auch der inzwischen verstorbene Ratzinger. Eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Traunstein soll am 20. Juni beginnen. Im Falle von Ratzinger geht die Klage auf seine gesetzlichen Erben über, die noch nicht ermittelt sind. Das Erzbistum München und Freising hat bereits signalisiert, dass es zu einer angemessenen Entschädigung bereit ist. Die Initiative fordert generell eine bessere Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs in der Kirche und höhere Entschädigungen.

Gänswein berichtete bei der Veranstaltung vom Leben in der "päpstlichen Familie", und davon, dass sein Chef sich auch als Oberhaupt der katholischen Kirche nicht verändert habe. Seinen Humor habe sich Benedikt stets bewahrt. Und zuallererst sei er Bayer gewesen - wohl danach erst Deutscher. Das hörte man gern beim Publikum in dem oberbayerischen Wallfahrtsort, in den Gänswein auch gereist war, um dort am Sonntag in der Basilika den Gottesdienst zum Bruder-Konrad-Fest zu feiern. 96 Jahre alt wäre der am Silvestermorgen gestorbene deutsche Papst an diesem Sonntag geworden. Gänswein wurde an diesem Geburtstag auch noch in dessen Geburtsort Marktl am Inn erwartet, für eine Signierstunde.

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