G-7-Gipfel:G wie Grillhähnchen

G-7-Gipfel: Die eigentliche Kontrolle wartet auf der Bundesstraße bei Farchant kurz vor Garmisch-Partenkirchen.

Die eigentliche Kontrolle wartet auf der Bundesstraße bei Farchant kurz vor Garmisch-Partenkirchen.

(Foto: gf)
  • Rund 10 000 Demonstranten erwartet das Stop-G-7-Bündnis zu seiner Demonstration in Garmisch am Samstag. Nur: Wie hinkommen?
  • Um den Ansturm an Demonstranten abzufedern, haben die Aktivisten Busse organisiert, die Bahn hängt einen Extra-Waggon an die Züge.
  • Die Mehrzahl der Demonstranten macht sich aber mit Autos auf den Weg - und reiht sich somit ein in eine Karawane, die sich zäh, aber unaufhaltsam Richtung Berge schiebt.
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Von Lisa Schnell und Wolfgang Wittl

Die Wahl der Verkehrsmittel spielt eine wichtige Rolle beim G-7-Gipfel. "Wir wollen zum Schloss!" - so lautet der Slogan der Gipfelgegner, denen die Großdemo in München nicht reicht. Rund 10 000 Demonstranten erwartet das Stop-G-7-Bündnis zu seiner Demonstration in Garmisch am Samstag. Nur: Wie hinkommen? Busse für 150 Leute hat das Bündnis am Donnerstag von München aus organisiert, am Samstag sollen weitere 240 auf diese Weise folgen. Andere versuchen es mit dem Zug. Um den Ansturm an Demonstranten abzufedern, hat die Bahn einen Extra-Waggon an die Züge gehängt, sodass etwa 700 Personen Platz finden.

Die Mehrzahl der Demonstranten indes macht sich mit Autos auf den Weg - und reiht sich somit ein in eine Karawane, die sich zäh, aber unaufhaltsam Richtung Berge schiebt. Es sind Momente wie diese, in denen selbst überzeugte Anhänger einer Gangschaltung sich auf einmal nach einem Automatikgetriebe sehnen. Seit Mittwoch hat die Polizei auf den Straßen rund um Elmau Kontrollpunkte eingerichtet, die A 95 etwa wird bei Sindelsdorf auf eine Spur verengt.

Der Nullpunkt des Staus

Erste Stau-Schilder tauchen kurz nach dem Starnberger See bei Seeshaupt auf. Doch noch ist die Straße frei. Neben jenen, die den G-7-Gipfel ansteuern, ist auf der Autobahn die übliche Klientel anzutreffen: Motorradfahrer, Feiertagsausflügler mit Fahrrädern am Auto, Urlauber im Wohnmobil. Noch machen alle einen sehr entspannten Eindruck, doch gleich werden sie sich unfreiwillig nahekommen. Vier Kilometer Stau melden die Nachrichten seit dem Morgen.

Der Nullpunkt des Staus beginnt in der Nähe von Penzberg. "Das blaue Land" steht auf einer Hinweistafel, aber blau ist hier nur der Himmel. Das Land besteht aus heißem Teer und meterhohen Grasbüscheln am Wegesrand, die für deutsche Verhältnisse erstaunlich lange nicht mehr gemäht wurden. Nur gut, dass Barack Obama mit dem Hubschrauber eingeflogen werden soll. Die nächsten Schilder zeigen an, dass man besser nicht überholen oder schneller als 80 Kilometer pro Stunde fahren soll.

G7-Gipfel 2015 - Sicherheit

Die Polizei sichert sogar Gully-Deckel, hier in Krün.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Damit gehen im Grunde nur die zahlreichen Polizeiautos etwas an, die sich aber nichts darum scheren, sondern trotzdem auf dem Standstreifen vorbeidüsen. Der Rest steht. 300 Meter nach Staubeginn, 18 Minuten später also, geben die ersten Leidgeprüften nach und holen sich Getränke aus dem Kofferraum. Als es plötzlich weitergeht, tritt jeder sofort dankbar aufs Gaspedal - auch ein Mann, dessen Frau gerade ausgestiegen ist und nun tapfer in Flip-Flops hinterherhechelt.

Der Gestank von verschmortem Reifengummi

Die meisten Nummernschilder beginnen mit "M", einige Autos stammen auch aus dem Münchner Umland. Ob sie alle zum Demonstrieren fahren? Einen Ausflug in die Berge wolle sie mit ihrer Familie machen, ruft eine Frau aus dem Seitenfenster. Gipfel-Annäherung einmal anders. Die Außentemperatur beträgt inzwischen angeblich 25 Grad, offenbar ein technischer Defekt der Anzeige. Denn gefühlt könnte man sich ebenso in der Sauna des Elmauer Retreats befinden.

Zeit für die obligatorischen Stau-Fragen: geöffnete Fenster oder Klimaanlage? Auf welcher Spur geht es schneller voran? Manche bewegen sich sogar bei geöffneter Türe fort, tapfer den Gestank von verschmorten Reifengummi und Abgasen ignorierend. Ein Starnberger hat seine Füße samt neonroten Turnschuhen auf dem Außenspiegel drapiert, während er lässig seine Zigarette abstaubt. Die Zeit rinnt ebenso schnell wie der Schweiß.

Kühe grasen und staunen

Staumeter 800, endlich Abwechslung: Ein Polizeibus aus Dresden zieht nicht rechts vorbei, sondern zwängt sich durch die Mitte. Allerdings nur, weil ein Kleinwagen aus Salzburg die Standspur blockiert - einsam und verlassen, mit eingeschalteter Warnblickanlage als letztem Lebenszeichen. Staumeter 1200, nun ist Tempo 60 vorgeschrieben. Nur komisch, dass zwei Fußgänger erfolgreich zum Überholverbot ansetzen, bis sie von Polizisten ermahnt werden. Der Nachrichtenmann im Radio verkündet, der G-7-Gipfel werfe seinen Schatten voraus. Schön wär's. Auf der A 95 herrscht weiter Grillhähnchen-Atmosphäre. Eine Frau stellt immer wieder den Motor ab, was wohl ganz im Sinne der G-7-Klimaziele sein dürfte, den Fahrfluss und die Stimmung ihrer Umgebung aber doch etwas beeinträchtigt. Nebenan grasen Kühe und staunen.

Staumeter 2300, noch ein Kilometer bis Sindelsdorf. Nach knapp eineinhalb Stunden Stillstand fragt schließlich ein Polizist mit weißer Sonnenmilch auf der Nase freundlich nach dem Reiseziel und winkt einen durch. Was danach kommt, erinnert in seiner Leere angenehm an die autofreien Sonntage während der Ölkrise in den Siebzigerjahren.

"Wo Cops die Autos filzen! Passt auf!"

Die eigentliche Kontrolle wartet gut 25 Kilometer weiter auf der Bundesstraße bei Farchant kurz vor Garmisch-Partenkirchen. Etwa ein Dutzend Polizisten sieht sich auf einem Parkplatz ausgewählte Fahrzeuge genauer an. Bis zu 30 Autos könne man in einer Stunde pro Haltepunkt kontrollieren, sagt Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Bereits mehrere polizeibekannte Personen aus dem linksextremen Spektrum hätten sich unter den Durchsuchten befunden. Ein Messer ist sichergestellt worden, verhaftet wurde noch niemand. "Alles friedlich bislang", sagt Kammerer. Die Polizei sei jederzeit um Freundlichkeit bemüht.

Die Gipfelgegner warnen sich via Twitter bereits vor den Kontrollstellen. "Wo Cops die Autos filzen! Passt auf!", heißt es unter Hinweis auf eine Karte. Anlasslose Kontrollen und das Filmen von Kennzeichen seien dazu geeignet, potenzielle Versammlungsteilnehmer einzuschüchtern, beklagt sich Benjamin Ruß, Sprecher des Bündnisses Stop G 7 Elmau. Er fordert die Polizei auf, den Zugang zum Camp ohne solche Maßnahmen zu gewährleisten. Davon ist wohl nicht auszugehen. Die Zahl der Demonstranten werde in den nächsten Tagen noch deutlich zunehmen, sagt Polizeisprecher Kammerer. Auch aus verkehrstechnischen Gründen sei es besser, die Gegend weiträumig zu umfahren.

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