G-9-Absolventen:Frust nach dem Abiturstart

Das hatten sie sich anders vorgestellt: Viele Schüler beklagen die hohen Anforderungen - vor allem in den Naturwissenschaften.

Hans Kratzer

Die bayerischen Abiturienten stecken in einem Zwiespalt der Gefühle. Die Grundkurs-Prüfung am Freitag hatte vor allem die Absolventen der naturwissenschaftlichen Fächer frustriert, denn ihrer Meinung nach wurden ihnen überdurchschnittlich schwierige Aufgaben vorgesetzt. Nach den Leistungskurs-Klausuren am Montag hat sich die Stimmung aber verbessert, das zeigen die erleichterten Reaktionen der Abiturienten im Internet. Die Interpretation von Picassos Monumentalbild "Guernica" im Leistungskurs Kunst war, ähnlich wie die Aufgaben in anderen Fächern, für die Prüflinge durchaus machbar.

Umso größer war ihr Unmut beim Abiturstart. In manchen Fächern waren die Anforderungen weitaus höher als erwartet. In der Mathematikklausur bekamen viele Schüler nach eigenem Bekunden Zeitprobleme. "Bei Analysis hab ich mich verzettelt, in Geometrie höchstens die Hälfte geschafft", sagte eine Schülerin stellvertretend für viele andere bei einer Umfrage der Landshuter Zeitung. Auch an den Gymnasien Bad Tölz und Tutzing jammerten die Absolventen des Mathematik-Grundkurses, sie hätten viel zu wenig Zeit gehabt, um alle Aufgaben zu lösen. In den Facebook-Foren ließen sie ihrer Enttäuschung freien Lauf. "Es war absolut schwieriger als alle Abiaufgaben der vergangenen Jahre", postete beispielsweise Abiturientin Melissa D.

Die Grundkurs-Prüfung im Fach Chemie sei deutlich schwerer gewesen als in den Vorjahren, bestätigt ein Lehrer aus dem Oberland. Ein Teil der Aufgaben habe Leistungskurs-Niveau gehabt. "Wir hatten ein leichteres Abitur erwartet, das ist schon extrem ungerecht." Am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) in München, wo die Abituraufgaben unter der Oberaufsicht des Kultusministeriums zusammengestellt werden, zeigt man sich über solche Reaktionen überrascht. "Mir sind keine Klagen zu Ohren gekommen", sagt Thomas Sachsenröder, der Direktor des ISB. Im Übrigen sei es durchaus üblich, dass Schüler in einer Prüfung in Zeitnot gerieten. Manche hätten eben ein Problem mit der Zeiteinteilung. Auch das Kultusministerium teilte mit, es lägen keine Beschwerden über zu umfangreiche Aufgabenstellungen vor. "Umfang und Anforderungsniveau der Grundkurse entsprechen dem der vergangenen Jahre."

Max Schmidt, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands, hat die Arbeiten seiner Physikprüflinge bereits korrigiert. Die Ergebnisse werden wohl so ausfallen wie die Vornoten aus dem laufenden Schuljahr, hat er festgestellt. Insofern werde es keine Überraschungen geben. Und doch befürchten manche G-9-Absolventen Nachteile im Vergleich zum G-8-Jahrgang, der erst in zwei Monaten in die Abiturprüfungen startet. Ihre Gefühlslage spiegelt sich im Internet wider: "Also, nach 25Prozent des Abiturs steht nun fest, dass das Kultusministerium den G-9-Jahrgang im Vergleich zum G-8-Jahrgang sehr schlecht dastehen lassen möchte" schreibt der Abiturient Leo K. und erntet damit breite Zustimmung.

Josef Kraus, Direktor des Gymnasiums Vilsbiburg, nennt die Grundkurs-Prüfung in Mathematik "von gehobenem Anspruch", ungerecht sei sie aber nicht gewesen. Andrea Hafner, stellvertretende Leiterin des Korbinian-Aigner-Gymnasiums in Erding, bewertet auch die Biologieprüfung als sehr anspruchsvoll für einen Grundkurs. Dies bestätige, dass sich die Anforderungen im Grundkurs dem Niveau des Leistungskurses stetig angenähert hätten, sagt sie. Friedrich Schrägle, der frühere Leiter des Gymnasiums in Laufen, warnt indessen davor, dass die Schüler nur noch unter Zeitdruck eingetrichtertes Wissen ausspucken. "Es darf nicht sein, dass das Denken für die Lösung einer Abituraufgabe nicht vorgesehen, ja sogar hinderlich ist."

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