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Fußball schauen am Arbeitsplatz:Hier pfeift der Chef

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Die EM-Organisatoren meinen es gut mit den Arbeitnehmern, denn die Spiele werden nicht vor 18 Uhr angepfiffen. Weniger Glück haben die Schichtdienstler. Dürfen sie in der Arbeitszeit den Fernseher einschalten? Und gibt es spezielle Urlaubsansprüche? Ein Überblick.

Jennifer Müller

Es ist soweit: Der Startschuss für die Fußball-Europameisterschaft steht kurz bevor. Und bereits am Samstag um 20.45 Uhr spielt Deutschland sein erstes Länderspiel gegen Portugal.

Die Spielübertragungen der EM finden zwar am späten Nachmittag und abends statt, doch einige Arbeitnehmer könnten wegen der Nacht- oder Wochenendschicht Spiele der Deutschen Nationalmannschaft verpassen. "Mitarbeiter haben keinen Anspruch darauf, die Spiele während der Arbeitszeiten im Fernsehen, im Radio oder im Internet mitzuverfolgen", sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW).

Die bayerischen Unternehmer seien sich des Fußballfiebers zwar durchaus bewusst - allerdings weisen sie darauf hin, dass trotz des großen Sportereignisses und der Begeisterung in den Betrieben keine anderen Regeln gelten als sonst. Das bedeutet: Radioübertragungen dürfen nur dann angehört werden, wenn es mit der konkreten Art der Tätigkeit zu vereinbaren sei und der Arbeitsablauf sowie die Kollegen nicht gestört würden. Es liege aber im Ermessen des Arbeitgebers, ob er für die EM-Zeit gesonderte Regelungen für seine Belegschaft treffen wolle, heißt es von der VBW weiter.

Große Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der EM erwartet Brossardt aber nicht. Er ist zuversichtlich: "Nach unserer Erfahrung wird das in den Unternehmen sehr pragmatisch gehandhabt. Gute einvernehmliche Lösungen stellen sicher, dass die Mitarbeiter bei den Spielen mitfiebern können und die Produktion gleichwohl weitergeht."

Auch der Einzelhandelsverband Bayern und die Handwerkskammer für München und Oberbayern sind dieser Ansicht. Sie sehen, in diesen Zeiten des Mitfieberns, keine ernstzunehmenden Schwierigkeiten für das allgemeine Betriebsklima.

Viele Mitarbeiter der Gastronomie allerdings könnten möglicherweise einige Passagen der Spiele verpassen. In vielen Lokalen werden zwar Bildschirme aufgestellt und so das Mitverfolgen auch für die Beschäftigten möglich sein - doch beim Servieren wird ihnen wohl der eine oder andere Spielzug entgehen.

Betroffen sind vor allem, Betriebe mit Schichtbetrieb, Industriezulieferer oder Mitarbeiter in der Metallverarbeitung", sagt Jens Christopher Ulrich von der Handwerkskammer für München und Oberbayern. "Das Problem wäre bei einer Weltmeisterschaft allerdings akuter, weil es dabei häufiger zu größeren Zeitverschiebungen kommt und ein Fußballspiel auch schon mittags oder nachmittags übertragen wird", weiß Ulrich.

Die Fußballfans, die kein Spiel ihrer Lieblingsmannschaft verpassen wollen, müssten sich also frei nehmen. Brossardt warnt jedoch: "Es gibt auch hier keine Sonderurlaubsrechte. Das heißt, der Urlaub muss mit den Urlaubsansprüchen anderer Arbeitnehmer abgestimmt sein."

So gibt es Mitarbeiter, die ihre Schicht mit der eines Kollegen tauschen, um zu Hause oder beim Public Viewing mit der eigenen Mannschaft mitfiebern zu können. Es geht aber noch besser: Beim Münchner Metallbaubetrieb Josef Dopfer will sich der Chef, Michael Dopfer, gemeinsam mit seinen Mitarbeitern die Spiele nach der Arbeit bei einem kühlen Bier in einer Kneipe anschauen.

Die EM in Polen und der Ukraine scheint es also mit den Arbeitnehmern gut zu meinen, denn die Übertragungszeiten liegen für sie günstig. Die Spiel fangen um 18:00 Uhr oder um 20:45 Uhr an - da werden sie meisten Arbeitnehmer schon im Feierabend und bestenfalls in EM-Stimmung sein.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2012
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