Further Drachenstich:Hauptrolle des Sommers

Further Drachenstich: Seit 500 Jahren wird der "Further Drachenstich" aufgeführt.

Seit 500 Jahren wird der "Further Drachenstich" aufgeführt.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Schnell den Knopf "Schrei, Qual, Wut" drücken und das Tier brüllt vor Schmerz: Sechs Männer steuern jedes Jahr den monströsen Drachen beim Schauspiel "Further Drachenstich". Das Spektakel mit dem größten vierbeinigen Roboter der Welt ist die Attraktion der Region - und endet immer mit literweise Blut.

Von Viktoria Großmann

Markus Eder hatte keinen guten Tag. Und jetzt hat er Lampenfieber. Das ist auch das Mindeste, was einen angesichts der Riesenechse, die er an diesem Abend steuern wird, ergreifen kann. Markus Eder und seine Kollegen Thomas Roßmann, Stefan Ege, Hans und Alexander Lauerer und Markus Igel haben die Hauptrolle des Sommers. Die sechs sind der Further Drache im seit 500 Jahren aufgeführten Schauspiel "Further Drachenstich", der Attraktion der Region. Im vierten Jahr nun ist der größte vierbeinige Roboter der Welt, hergestellt von der Oberpfälzer Firma Zollner in Zandt, darin der Star.

Noch blockiert der 16 Meter lange Elf-Tonner den hinteren Bühneneingang. Die Schlafaugen geschlossen, die Krallen in der Luft kauert er auf einem schwarzen, vierrädrigen Untersatz. Das sieht schon mal recht imposant aus. Doch die Schauspieler des Drachenstichs, manche in Fellen als Urmenschen verkleidet, andere mit halbfertig geschminkten Wunden, Bratwurstsemmeln in der Hand, in Ritter- oder Bauernkleidung, wuseln um das Ungeheuer herum, ohne ihm große Beachtung zu schenken. Roßmann nutzt ihn vorderhand als Regendach, unter dem er seine Kollegen vorstellt und ihre Arbeit erklärt. Erst später, wenn das Tier läuft, faucht und Feuer speit, werden die sechs Steuermänner vergessen machen, dass der Drache nur ein Roboter aus Motoren und Plastik ist, und auch vorführen, was für ein Kunststück der Ingenieurstechnik er ist.

Roßmann ist derjenige, der den Drachen zum Laufen bringt. Das Tier könnte sich auch im Parallelschritt wie ein Kamel bewegen, soll aber eigentlich versetzt laufen, wie die meisten Vierbeiner. Mit seiner Fernbedienung steuert Roßmann außerdem die Rumpfbewegungen des Tieres und seinen Schwanz - für die Statik nicht unwichtig. Kontrolliertes Schwanzeinziehen hilft vor allem beim Um-die-Kurve-Fahren.

Das ist gleich als erstes dran, wenn der Drache aus seiner Ecke hinter dem Bühnentor in Stellung gebracht werden muss. Das ist der Job von Alexander Lauerer. Er steuert den fahrbaren Untersatz. Schon hier zeigt sich, was Markus Eder, der Kopf und Hals des Drachen bewegt, sagt: Es geht nur in Teamarbeit. Auf seine Räder hinauf und von ihnen herunter helfen die Männer dem Drachen gemeinsam. Sobald er auf seinen eigenen vier Beinen steht, drückt Roßmann auf den Knopf "Schreiten" und das Tier läuft gemächlich los.

18 verschiedene Drachentöne

Das geht natürlich nicht ohne Getön. Dafür ist Stefan Ege zuständig. 18 verschiedene Drachentöne sind in seiner Fernbedienung gespeichert, um sie zur rechten Zeit einzusetzen, trägt er einen Spickzettel mit sich herum, auf dem er notiert hat: Atmung normal, Atmen schnell, unwillig, Aggression. Bis zur Aggression ist allerdings noch Zeit. Zunächst ist der Drache noch der Freund der Menschen, die in Einklang mit der Natur leben. Dazu braucht das grüne Tier außer Eges Schnurren auch ein Lächeln im Gesicht und schläfrige, freundliche Augen.

Das macht Hans Lauerer. Der Älteste in der Gruppe lebt seit seiner Rente nur noch für den Drachen. Wenn man ihm den Drachen nimmt, fällt er am nächsten Tag tot um, sagen seine Kollegen. Lauerer hat seit 1989 schon den Vorgänger-Drachen gesteuert. Damals war er seiner großen Liebe aber noch näher: Früher steckte er auf einem Gabelstapler im Inneren des Ungeheuers. Was draußen geschah, sahen die Techniker über Bildschirme.

Tagsüber Bädermeister, abends Drache

Auch Roßmann saß noch im alten Ungeheuer. Bevor er 1998 mit dem Drachenlenken anfing, sagt Roßmann, habe er sich überhaupt nicht für den Drachen und sein Festspiel interessiert. Die Zeit, in der alljährlich der Drachenstich aufgeführt wird, "das war meine Urlaubszeit". Das ist seit 15 Jahren anders. Die Urlaubszeit der anderen ist für Roßmann jetzt Arbeitszeit. Tagsüber ist er als Bädermeister beschäftigt, abends steuert er den Drachen. So machen es auch seine Kollegen. Alle sind sie städtische Angestellte, die, so sagen sie, mehr oder weniger freiwillig abends ihre Zeit mit der Riesenechse verbringen. "Alles Techniker bis auf mich", sagt Stefan Ege, der Faucher. Der gemütliche Tönemacher ist der Stadtgärtner von Furth im Wald. Mittlerweile, sagt er, seien ihnen die Abläufe in Fleisch und Blut übergegangen. Jetzt, wo der Drache auch eine Höhle hat und regelmäßig auch außerhalb der Festspiele Auslauf bekommt, bleibe das Team in der Übung.

Die Höhle ist tatsächlich eine Höhle. Ein 2,3 Millionen Euro teures technisches Meisterwerk wie der Drache - 13 Ingenieure haben ihn acht Jahre lang entwickelt -, das zugleich die Identität Furths ausmacht, kann nicht einfach in einer Garage stehen. Da braucht es schon eine im Felsenstil gestaltete Halle inklusive Knochenhaufen und angeschlossener Drachenhistorie.

Doch noch geht es da nicht hin. Das Festspiel ist fortgeschritten, der Drache hatte erst zwei kleinere Auftritte, auf der Bühne haben sich die Figuren unterdessen hinlänglich selbst wie Ungeheuer benommen und sich gegenseitig gemordet. Kopf-Hals-Eder und Mimik-Lauerer rauchen noch eine Zigarette. Dann kommt der Showdown mit Feuer und Gebrüll. Entweder opfert sich die Ritterin und Schützerin der Stadt Furth dem Drachen und rettet damit ihre Untertanen oder ihr geliebter Ritter Udo stürzt sich in den Kampf mit dem Ungeheuer. Natürlich trägt der mutige Ritter den Sieg davon in der Diskussion darüber, wer den größeren Heldenmut besitzt.

Nun tritt der Hauptdarsteller in voller Pracht auf die Bühne. Augenrollend und Feuer speiend (Lauerer), flügelschlagend und fauchend (Ege), sich aufbäumend (Eder) und bedrohlich voranschreitend (Roßmann) dominiert der Drache den Further Marktplatz. Sein Tod ist nah. Sobald Ritter Udo mit einer ersten Lanze dem Ungeheuer die Zunge durchbohrt hat, drückt Ege die Tasten für Blut - und 80 Liter rotes Wasser ergießen sich über den Boden. Er drückt "Schrei, Qual, Wut" und das getroffene Tier brüllt vor Schmerz. In "Tod(esatmung)" wird es schließlich sein Leben ausröcheln, wenn der Ritter ihm die Lanze ins Herz bohrt und schließlich sein Schwert ins Hirn.

Der Drache ist tot. Das Publikum auf seinen Holz-Rängen applaudiert, die Schauspieler verbeugen sich, auch Roßmann, Ege, Lauerer und Lauerer, Igel und Eder laufen schnell auf die Bühne. Dann beschäftigen sie sich wieder mit dem Drachen. An der Spitze einer immer länger werdenden Kette aus sich stauenden Autos bringen sie den Drachen im Schritttempo über zwei Hauptstraßen in sein Nachtquartier. Manchmal legt ihm der Pizzabäcker im Vorbeifahren ein Abendessen für die Techniker ins Maul. Heute nicht. In der Höhle schließen sich die Augen des Drachen. Ege öffnet ein Bier. Morgen wird der Drache auferstehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: