Süddeutsche Zeitung

Fund in Norwegen:Wie das KZ-Tor auf der Müllhalde landete

  • Das Eisentor der KZ-Gedenkstätte Dachau ist in Norwegen aufgetaucht - am Straßenrand liegend und angerostet.
  • Die Ermittler müssen nun herausfinden, wer die Tür stahl und wie sie nach Bergen gelangte.
  • Derzeit steht die 100 Kilogramm schwere Tür in der Garage der Polizeistation von Bergen, wann sie nach Dachau gebracht wird, ist unklar.

Von Silke Bigalke, Bergen, Susi Wimmer und Helmut Zeller

Die gestohlene KZ-Tür von Dachau ist nach zwei Jahren wieder aufgetaucht - doch die Ermittler stehen weiter vor einem Rätsel. Wie und wann gelangte die schmiedeeiserne Tür nach Norwegen, auf einen Parkplatz außerhalb von Ytre Arna? Die 2500 Einwohner große Ortschaft liegt 20 Kilometer von der Stadt Bergen entfernt am Fjord, dort lag die angerostete Tür vermutlich schon lange Zeit neben Abfällen unter einer Plastikplane.

Der Fund hat auch in Norwegen Aufregung verursacht: Die Lokalzeitung Bygdanytt ruft online die Leser dazu auf, sich mit Hinweisen zu melden. Sie zitiert einen Mann, der anonym bleiben möchte, er will das Tor bereits im Frühjahr in Ytre Arna in einem Graben neben einer Straße liegen gesehen haben. Neben dem abgelegenen Parkplatz würden die Leute oft ihren Müll abladen, berichten Anwohner, daneben befindet sich ein Schießstand. Der Mann habe sich gewundert, aber nichts unternommen.

Am Montag vor einer Woche erhielt die Polizei von Bergen einen anonymen Hinweis auf die KZ-Tür. Ihr Fund wirft jede Menge Fragen auf: Wie sie dorthin gekommen sein könnte, ob sie jemand loswerden wollte, ob die Diebe nervös geworden sind, ob sie ein Ortsansässiger abgeladen hat oder jemand von weit weg. "Es gibt keine große rechtsextreme Bewegung in Bergen", sagt Eirik Langeland Fjeld von Bygdanytt. Vor vielen Jahren hätten sich Rechtsextreme in Bergen in einer Gruppe organisiert, aber das sei vorbei. Die Polizei hatte seine Redaktion gebeten, wegen der laufenden Ermittlungen zunächst nicht über den Fund zu berichten. Aber am vergangenen Freitag habe dann der staatliche Fernsehsender NRK von dem Fund erfahren.

Für die Suche nach den Dieben dürfte jetzt eine zwei Jahre alte Zeugenaussage neues Gewicht erlangen: In der Tatnacht, am 2. November 2014, hatte ein Dachauer um 1.30 Uhr verdächtige Personen in einem dunklen Pkw-Kombi gesehen. Die Insassen sprachen den Passanten mit skandinavischem Akzent an und fragten nach dem Weg zur KZ-Gedenkstätte.

Die Ermittler um den Fürstenfeldbrucker Kripochef Manfred Frei brachte diese Spur nicht weiter. Auch die Täter-DNA, die man am Tatort aus Zigarettenkippen und durch gefundene Hautschuppen ermitteln konnte, half den Fahndern nicht. Der Abgleich der DNA-Muster mit den Datenbanken von zwölf europäischen Staaten ergab keinen Treffer.

Ein Sprecher der norwegischen Polizei erklärte nur, dass es keinen Verdächtigen gebe. Auch das Polizeipräsidium Oberbayern Nord hält sich bedeckt: "Es läuft alles über Interpol", sagte ein Sprecher am Sonntag. Die Tür wurde eingehend untersucht, es fanden sich aber keine verwertbaren Hinweise, teilte eine Polizeisprecherin der Nachrichtenagentur AP mit. Kripochef Frei sagte der SZ: "Wir sind selbst überrascht und erst einmal froh, dass die KZ-Tür überhaupt gefunden wurde." Momentan gebe es absolut keine Spur. Die 100 Kilogramm schwere Tür steht nun in der Garage der Polizeistation von Bergen, wann sie nach Dachau gebracht wird, ist unklar.

Das Comité International de Dachau (CID), der Verband ehemaliger Häftlinge, dankte den Ermittlungsbehörden in Norwegen und Deutschland. Auch wenn die Hintergründe der abscheulichen Tat noch nicht bekannt seien, sagte CID-Präsident Jean-Michel Thomas, freue er sich auf die Rückkehr der Tür. Das symbolträchtige Relikt werde restauriert und den Gedenkstättenbesuchern wieder präsentiert, erklärte Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte.

KZ-Häftlinge hatten das große Tor im Jourhaus und die darin eingehängte Tür 1936 geschmiedet. Ein Häftling, Karl Röder, musste auf Befehl der SS die Inschrift "Arbeit macht frei" anfertigen, die nach Kriegsende aber verschwand und im Jahr 1965 zur Errichtung der Gedenkstätte durch eine Rekonstruktion ersetzt wurde. Das hatten die Diebe, die wie die Täter 2009 in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz vielleicht auch im Auftrag eines Sammlers von NS-Devotionalien handelten, vermutlich nicht gewusst.

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SZ vom 05.12.2016/infu
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