Füssen:König-Ludwig-Musical: Wie es diesmal etwas werden soll

Stuttgart: Casting für das König Ludwig-2-Musical

Möchtegern-Prinzessin: 20 Sängerinnen sind zum Casting gekommen.

(Foto: Johannes Simon)
  • Ludwig² heißt der vierte Versuch, ein Musical über König Ludwig in Füssen zum Erfolg zu machen.
  • Drei Projekte sind bereits gescheitert.
  • Nun gibt es ein neues Konzept, es soll nur im Sommer gespielt werden - und ein Teil des Budgets ist über Crowdfunding gesammelt worden.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Der Kini trägt Wildleder-Slipper, Jeans und Stoppelbart. Zwischendrin beißt er immer wieder verstohlen in sein Sandwich. König Ludwig II. alias Matthias Stockinger sitzt im Theaterhaus Stuttgart im Bühnensaal T2. Neben ihm der frei schaffende Regisseur Benjamin Sahler. Gemeinsam suchen sie eine Partnerin für den Kini, genauer gesagt mehrere Partnerinnen: Sissi, Sybille, Sophie und Ludovika. Es ist das erste Casting für das Musical Ludwig², das am 11. August im Festspielhaus Füssen Premiere haben soll.

Der Untertitel lautet "Der König kehrt zurück", und das passt perfekt. Denn es ist jetzt schon der vierte Anlauf. Schon dreimal wurde im Allgäu der Musical-Vorhang für Ludwig II. mit viel Trara hochgezogen - dreimal brach alles krachend zusammen. Jetzt versuchen also Regisseur Sahler, Hauptdarsteller Stockinger und einige weitere Mitstreiter den vierten Neustart. Kann das gut gehen? Der Optimismus der Macher ist groß, das gilt auch für den Andrang an Künstlern bei diesem Vorsingen.

Das Interesse an den Rollen ist groß

Etwa 20 Sängerinnen sind gekommen, bis aus Berlin und Hamburg. Vor Raum T2 laufen sie nervös auf und ab und singen sich ein. Im Saal selbst warten Sahler und Stockinger mit zwei weiteren dunkel gekleideten Herren. Sie sitzen in der dritten Reihe des Zuschauerraums und lauschen, was die Kandidatinnen können. Ludwigs Kindermädchen Sybille singt dem kleinen "Wiggerl" ein Ständchen: "Fahr in fremde Länder, streite wie ein Held, befreie sie vor den Übeln, den Übeln dieser Welt." Bernhard Sahler hört mit hin und her wiegendem Kopf zu. Er lässt alle Frauen aussingen. Auch wenn er hernach sagt: "Da war nach dem zweiten Takt klar, dass das nix wird." Nach vier Stunden, kurz vor 14 Uhr, haben alle Sissis, Sybilles, Sophies und Ludovikas vorgesungen. Mittagspause.

Bevor die Männer kommen, kurzer Fototermin auf der Bühne. Kaum steht Kini-Darsteller Stockinger am Klavier, fängt er an zu singen. "Bau ein Schloss wie ein Traum, bau mit mächtiger Hand, und sein Name solle Zukunft sein." Mit dieser Zeile aus der Arie "Kalte Sterne" besingt er den Erbauer von Schloss Neuschwanstein.

Ludwig mischt auch hinter den Kulissen mit

Und ein bisschen beschwört er wohl auch sein eigenes Projekt. "Ludwig ist meine Lieblingsrolle", sagt Stockinger. Schon 2011 hat er in Füssen den König gegeben. Diesmal singt der 32-Jährige nicht nur, sondern mischt auch hinter den Kulissen mit. Im Januar hat er eine Musical-Agentur gegründet, sein Kompagnon Patrick Schenk wird in Füssen als Produktionsleiter fungieren.

Regisseur Sahler ist also kein Einzelkämpfer. Zusätzlich hat er Thomas Million hinter sich, den Inhaber der Music-Academy Stuttgart. Diese wird pro Vorstellung zehn Ensemble-Mitglieder stellen. Mit etwa 70 Mitarbeitern auf und hinter der Bühne wollen Sahler und seine Mitstreiter dem Ludwig-Musical eine Zukunft geben. Der Gesamtetat liegt bei 600 000 Euro. Zum Vergleich: Die erste Produktion startete anno 2000 mit 350 Mitarbeitern. Drei Jahre später war sie pleite. Auch 2007 und 2012 gab es ein bitteres Ende in der Insolvenz.

"Wir müssen eine Leiche wiederbeleben", sagt Sahler, der anfangs als "Spinner" belächelt wurde. Doch er sagt: "Nach menschlichem Ermessen müsste das klappen, ein Drittel Auslastung würde schon reichen." 1350 Plätze hat das Festspielhaus, die Karten kosten zwischen 29 Euro und 129 in der "Königsloge". Sahler macht alles ganz anders als seine Kollegen bei den ersten drei Versuchen.

Das neue Konzept: Verknappung

Stuttgart: Casting für das König Ludwig-2-Musical

In der Casting-Jury sind Kini-Darsteller Matthias Stockinger (Mitte) und Benjamin Sahler (rechts).

(Foto: Johannes Simon)

Sein Konzept lautet auch: Verknappung. Es wird heuer nur 27 Vorstellungen geben. Vom 11. August bis 4. September. In der Ferien-Hochsaison. Seine gescheiterten Vorgänger wollten Ludwig stets durchs ganze Jahr schleppen. Auch bei der Finanzierung geht Sahler neue Wege. Dabei hat sein erster Schritt schon mal besser geklappt als erhofft: Das Crowdfunding via Internet erbrachte nicht die erwünschten 75 000 Euro - sondern das Doppelte. Mit 150 000 Euro in der Tasche kann man schon mal zuversichtlich nach Darstellern suchen.

Nach der Pause sind die Männer dran. Einer kommt aus Kanada. Er singt erst eine Königs-Arie, dann schlüpft er in die Rolle des Leibarztes Dr. Gudden. Starke Stimme, große Ausstrahlung. Aber: Der Akzent ist zu stark. Sahler wiegt den Kopf: "Das wollen die Leute in Füssen nicht, der König muss hochdeutsch reden, allerhöchstens akzeptieren sie einen leichten bayerischen Einschlag." Beim nächsten Kandidaten, einem Südafrikaner, dasselbe Spiel: tolle Performance, aber die Sprache.

Die Hauptdarsteller stehen fest

Immerhin stehen zwei Hauptdarsteller schon fest, für sie braucht Sahler nur noch Zweitbesetzungen. Neben Kini Matthias Stockinger wird das Starlet Anna Hofbauer die Sissi singen. Die Marktoberdorferin gab 2014 in der RTL-Kuppelshow Bachelorette die Hauptrolle, sie hatte aber auch schon ernstere Engagements. Zuletzt die Evita am Staatstheater Oldenburg. Mit 17 sammelte sie ihre erste Bühnenerfahrung - als Statistin beim Ludwig-Musical in Füssen.

Die 26-Jährige wird also zurückkehren in das Festspielhaus, von dem aus man das Schloss Neuschwanstein sehen kann. Angesichts seiner Architektur und seiner Lage am Ufer des Forggensees wird das Gebäude mitunter als eines der schönsten Theaterhäuser Europas bezeichnet. Doch die Immobilie, einst für Millionen hochgezogen, einzig zu dem Zwecke, dem Kini zu huldigen, steht die meiste Zeit leer. Mitsamt dem 90 000-Liter-Bassin, in dem man Könige formvollendet untergehen lassen kann. Heute mieten sich nur ab und an Firmen für Events ein, vereinzelt gibt es TV-Aufzeichnungen oder den Komödienstadel.

Der Vorverkauf läuft prächig

Im Sommer soll der gläserne Palast nun wieder in altem Glanz erstrahlen. Allerdings ist schon ein erster Dämpfer in Sicht: Zwei andere ehemalige Darsteller aus dem Kini-Musical, Janet Chvatal und Marc Gremm, werben in diesem Sommer ebenfalls um Ludwig-Fans. Ihr Projekt heißt: "Der Schwanenprinz - das erste Musicalschiff Deutschlands". Auf der MS Füssen laden sie zu einem musikalischen Bootsausflug vor romantischer Kulisse. Ebenfalls in der Sommerferien.

Zwei Wochen lang werden am Forggensee also gleich zwei Könige in vollem Ornat gleichzeitig unterwegs sein. Benjamin Sahler aber kennt keine Furcht, er beteuert, dass die beiden Konzepte einander kaum in die Quere kommen. Sein Vorverkauf laufe jedenfalls prächtig, sagt der Regisseur. Ob am Ende dieses Sommers die Wiedergeburt eines Toten gefeiert werden kann? Oder muss wieder eine Leiche zu Grabe getragen werden?

Sahler scheint zu wissen, dass er noch viel Arbeit vor sich hat: "Die Ausbeute ist ein bisschen schwach", sagt er nach vielen Stunden Casting. "Ich glaube, wir schauen uns noch mal anderweitig um."

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