Süddeutsche Zeitung

Protest gegen geplantes Luxushotel:"Braucht die Stadt ein Festspielhaus? Darum geht es hier"

  • In Füssen wurde bei einer Podiumsdiskussion über den Bau eines Fünf-Sterne-Hotels direkt neben dem Festspielhaus diskutiert.
  • Zu den Befürwortern zählt unter anderem der Eigentümer des Festspielhauses, der darauf verweist, nur mit einem benachbarten Luxushotel sei es möglich, aus den roten Zahlen herauszukommen.
  • Die Gegner argumentieren, dass so ein Hotel am Forggensee überdimensioniert sei, die Umwelt schädige und das Landschaftsbild verschandle.

Von Florian Fuchs, Füssen

Am Ende will König Ludwig auch noch etwas sagen. Zweieinhalb Stunden haben sie nun im Festsaal des Hauses der Gebirgsjäger in Füssen diskutiert, ob neben dem Festspielhaus ein Fünf-Sterne-Hotel gebaut werden soll. Die Kritiker haben vorgebracht, dass so ein Hotel am Forggensee überdimensioniert sei, die Umwelt schädige und das Landschaftsbild verschandle. Die Befürworter haben die Gegner beschworen, dass das Festspielhaus ohne Hotel wirtschaftlich nicht tragbar und ein Bau deshalb unausweichlich sei. Und dass der Eingriff in die Natur doch minimal bleibe. Da steht Matthias Stockinger auf, der im Musical "Ludwig²" den König spielt, schimpft, dass die Gegner auch keine bessere Idee hätten, wie das Festspielhaus weiter betrieben werden könne und reduziert alle Argumente des Abends auf die aus seiner Sicht entscheidende Frage, die Füssen in den nächsten Wochen beschäftigen wird: "Braucht die Stadt ein Festspielhaus? Darum geht es hier."

Mehrere Hundert Zuhörer sind zu der Podiumsdiskussion der Stadt am Montagabend gekommen, Füssen ist gespalten. Da sind die, die im Festspielhaus oder im Tourismus arbeiten und einen Hotelbau deshalb unbedingt unterstützen. Und da sind Bürger, die "sich in den Sommermonaten kaum mehr in die Stadt hineintrauen" vor lauter Touristen, wie eine Füssenerin sagt. Es sind die, die das Bürgerbegehren gegen den Hotelbau unterstützen, das der Bund Naturschutz gemeinsam mit dem Kreisfischereiverein Füssen vergangene Woche auf den Weg gebracht hat. Sie wollen nicht noch mehr Gäste in der Stadt und nicht noch mehr Verkehr. Und sie wollen nicht einsehen, dass das Festspielhaus, das zur Jahrtausendwende für 37 Millionen Euro an den See gepflanzt wurde und bereits zwei Insolvenzen hinter sich hat, nur mit einem Luxushotel wirtschaftlich betrieben werden kann.

Genau davon sind Manfred Rietzler und seine Mitstreiter jedoch überzeugt. Seit 2017 ist er Eigentümer des Festspielhauses, "eine emotionale Entscheidung" sei der Kauf gewesen, sagt er. Der IT-Spezialist ist durch die Entwicklung von Computerchips reich geworden und hat das Festspielhaus vor der Insolvenz gerettet. Knapp 130 000 Besucher wird die Spielstätte dieses Jahr wohl wieder vermelden können, trotzdem steht sie in den roten Zahlen. "Ich trage die finanziellen Verluste für ein paar Jahre, aber ich mache das nicht für immer", sagt Rietzler. Nur ein Nobelhotel, so stellt er es dar, würde Synergien nutzen und den Gesamtkomplex in die Gewinnzone bringen.

Der Plan: ein Übernachtungstrakt mit 149 Zimmern, ein "Spa & Wellness Health Center" mit 2350 Quadratmetern Fläche, ein Tagungscenter für bis zu 500 Personen sowie 280 Auto-Stellplätze. Alles in etwa vier Kilometer Luftlinie zu Neuschwanstein am anderen Ufer des Sees, mit bestem Blick aufs Schloss. Das Problem aber ist, dass das Hotel in das Landschaftsschutzgebiet "Forggensee und benachbarte Seen" hineinreichen würde. Ein "Seehaus" würde auf Stelzen im Wasser stehen. Es wären, wie das Landratsamt Ostallgäu ausgerechnet hat, 0,014 Prozent des Schutzgebiets von dem Bau betroffen. Um 14 Meter haben die Architekten Tom Krause und Astrid Bohne das Hotel nach der ersten Kritik verkleinert, sodass kaum noch Baumbestand gefährdet sei. Wo ins Wasser gebaut würde, sagt Krause zur SZ, "bauen wir auf Stelzen, minimalinvasiv sozusagen".

"So ein Projekt ist eine Einbruchstelle für noch mehr Investorenprojekte"

Für den Bund Naturschutz ist dennoch eine Grenze überschritten. Der Ortsvorsitzende Michael Käs vergleicht die Dimensionen des Hotels mit einem Kreuzfahrtschiff und schimpft mit Verweis aufs Landesamt für Umwelt, dass die Kulturlandschaft bei Füssen nicht zur Staffage verkommen dürfe. Alexander Beck, Vorstandsmitglied bei den Fischern, bezeichnet den Forggensee als einen der letzten großen Seen Bayerns mit weitgehend unbebautem Ufer, der Bebauungsplan werde vollkommen überzogen ausgelegt, falls so ein Hotel komme. Die nährstoffreiche Füssener Ach fließt direkt hinter dem Festspielhaus in den See, der Bau hätte seiner Ansicht nach große Auswirkungen auf Flora und Fauna und würde den Verlust wertvoller Biotope für Kies-Laicher, Jungfische, Muscheln und Krebse mit sich bringen. Beck befürchtet verheerende Folgen des Verkehrs. "So ein Projekt ist eine Einbruchstelle für noch mehr Investorenprojekte", warnt er. Gegen ein Hotel sei nichts einzuwenden, aber dann hinter der Bundesstraße, weiter weg vom See.

Das jedoch kommt für Rietzler nicht in Frage, weil dann kaum Synergien genutzt und so kaum Kosten gespart würden. Und wenn er kein Hotel bauen darf, dann wird mit ihm als Eigentümer auch das Festspielhaus schließen, das hat er klargemacht. Dabei bezweifeln er und seine Mitstreiter, dass der Eingriff in die Natur wirklich so dramatisch sei. Zwei Nester haben die Hotelplaner gefunden im Baugebiet, eines von einem Singvogel und eines wahrscheinlich von einer Krähe. Der See ist vor knapp 70 Jahren künstlich aufgestaut worden, beim Bau des Festspielhauses vor 20 Jahren wurde das Gelände aufgeschüttet. "Was ist so schlimm daran, dort etwas hinzubauen?", fragt die Sprecherin des Wirtschaftsverbands Ostallgäu. Füssener Bürgern erläutert der örtliche Tourismuschef, dass er grundsätzlich auch kein quantitatives Wachstum mehr haben wolle. Das Festspielhaus allerdings sei "ein systemrelevanter Betrieb", deshalb befürworte er den Bau eines Hotels in einer Luxusklasse, die es sonst in der Umgebung nicht gebe.

Am 25. Juni berät der Stadtrat über die Einwände der Kritiker, knapp 1300 Unterschriften müssen die Gegner des Projekts jetzt erst einmal für ein Bürgerbegehren sammeln. Füssens Erster Bürgermeister Paul Iacob will das Projekt vor Ende seiner Amtszeit im nächsten Jahr unbedingt noch auf den Weg bringen. Als die Kritiker ihre Argumente vortragen, schüttelt er immer wieder mit dem Kopf. "Schloss Neuschwanstein zu bauen", murmelt er einmal vor sich hin, "da hätte König Ludwig heute auch keine Chance mehr."

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Quelle:
SZ vom 19.06.2019/huy
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