Es wird zurzeit viel diskutiert, wie sich jemand zu verhalten hat, der von woanders nach hier herkommt. Integration wäre schön, Anpassung aber mindestens, schließlich waren all die Bräuche und Gepflogenheiten von hier ja schon vorher da.
Umgekehrt muss freilich aufpassen, wer es zu gut meint mit der Annäherung, sonst ist schnell von kultureller Aneignung die Rede. Bei Minderheiten vor allem, deren Kultur ungefragt von der Mehrheit ausgebeutet wird. Bislang ging es hauptsächlich darum, ob man sich an Fasching als Indianer verkleiden darf, wobei schon das Wort ein Problem darstellt, oder ob der Mohr bei den Sternsingern im Gesicht schwarz angemalt werden darf, oder ob weiße Menschen Dreadlocks tragen dürfen.
Bayerns urtümliche Minderheiten, also Franken und Schwaben, fühlten sich davon bislang wenig betroffen, ignorierten die dominanten Altbayern ihre Kultur in der Regel doch eher, als sie zu übernehmen. Weder kommen die auf einmal in großer Zahl in Hofer Schlappen daher, noch bieten Münchner Konditoreien Coburger Schmätzchen und Rothenburger Schneeballen an. Nicht einmal die schwäbische Sparsamkeit haben sich die Großkopferten vom Tegernsee angewöhnt.
Andersrum ist es wurscht, Dirndl und Lederhose darf inzwischen jeder anziehen, das ist mehr Verkleidung als Aneignung. Und angesichts der Qualität und Ausführung jener sogenannten Tracht kann da von Kultur eh nur mehr bedingt die Rede sein. In dieser Hinsicht lässt sich der bayerische Landesvater nichts vorwerfen, der nun, obwohl Franke, in seiner ersten Hirschledernen aufgetreten ist, einer original Miesbacher Trachtenhose, handgefertigt im Oberland. Das wurde allgemein nicht als Aneignung, sondern als Bekenntnis zum Bayernland bewertet.
Nun ist es außerdem das Vorrecht des Ministerpräsidenten, qua Amt überall im Land irgendwie daheim zu sein und ohne Aneignungsverdacht in Gummihosen Oberpfälzer Karpfen zu fischen oder als Schäfer verkleidet Lämmer herumzutreiben.
Eins aber geht einfach nicht. Da teilte die Staatskanzlei vergangene Woche mit, der Ministerpräsident werde die Fürther Michaelis-Kirchweih eröffnen. Die Kärwa in Färdd! Die ist immaterielles Kulturerbe und von den Färddern so heiß geliebt wie die Bratwurst von Markus Söder. Eröffnet von einem Nürnberger? Undenkbar. Und so ließen allerhand Fürther – angeführt von einem einheimischen Sozialdemokraten – auf den sozialen Medien wissen, dass Söder schon beim Anstich anwesend sein könne, die Kirchweih aber natürlich vom Fürther Oberbürgermeister eröffnet werde.
So war es dann auch und es ist vermutlich als Eingeständnis einer beinahe stattgefundenen Übergriffigkeit zu deuten, dass Söder hernach in den sozialen Medien mitteilte, dass er „das erste Mal als Ministerpräsident beim Anstich dabei“ gewesen sei und „als Nürnberger neidlos anerkennen“ müsse: „Es ist echt schön hier.“ So geht das mit der Integration!