Süddeutsche Zeitung

Früherer CSU-Politiker vor Gericht:Ende einer langen Flucht

Der CSU-Politiker Uwe Kass prellte Geschäftspartner um Millionen Euro, erst nach dreijähriger internationaler Fahndung konnten ihn die Zielfahnder aufgreifen: Nun steht der ehemalige OB-Kandidat aus Schwandorf vor Gericht. Es geht um die Gier nach Geld - aber auch um eine persönliche Tragödie.

Wolfgang Wittl, Schwandorf

In der Zeit, in der Uwe Kass verschwunden war, wusste man manchmal nicht mehr, wen die Polizei da eigentlich suchte: einen Steuerberater und ehemaligen CSU-Lokalpolitiker aus Schwandorf, der Geschäftspartner um mehrere Millionen Euro betrogen haben soll - oder ein Phantom. Er schien gleichzeitig überall zu sein und doch nirgendwo.

Mal hieß es, Kass halte sich in den Arabischen Emiraten, in Jordanien, Israel oder Syrien auf, dann wollte er wieder in Klöstern Österreichs und der Schweiz gesehen worden sein. Andere argwöhnten, Kass könne einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein, oder er habe sich gleich selbst etwas angetan.

Tatsächlich wohnte der 46-Jährige die ganze Zeit über zurückgezogen in einem Düsseldorfer Mehrfamilienhaus, ehe Zielfahnder des LKA ihn im vergangenen Juli nach dreijähriger internationaler Fahndung aufgriffen. An diesem Dienstag muss sich Uwe Kass vor dem Landgericht Regensburg wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Untreue verantworten.

Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, er habe die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich sowie einen Unternehmer aus dem Landkreis Schwandorf um insgesamt vier Millionen Euro geprellt. Kass hatte in gefälschten Vereinbarungen vorgegaukelt, in aussichtsreichen Geschäften mit einem großen Energieversorger zu stehen. Der Bank genügte das als Sicherheit für einen Millionenkredit.

Gleich drei Millionen Euro bekam er von dem Geschäftsmann, obwohl dessen Anwalt tunlichst abriet. Diesem erschien das Versprechen auf eine hundertprozentige Rendite unglaubwürdig. Kass hatte angekündigt, er würde das private Darlehen innerhalb eines Jahres in doppelter Höhe zurückbezahlen - durch den Bau eines Kraftwerks in Griechenland. Das alles geschah zu der Zeit, als Kass auf die Bühne der Kommunalpolitik zurückdrängte. Im Juli 2007 nominierte ihn die Schwandorfer CSU als OB-Kandidaten.

Für Strafverteidiger Michael Haizmann ist die Geschichte seines Mandanten nicht nur die einer persönlichen Tragödie, sondern auch die von der Gier nach schnellem Geld. Den Geschäftspartnern hätte bei sorgfältiger Prüfung klar sein müssen, sagt Haizmann, dass Kass nicht seriös handele. Die Bank spekulierte jedoch womöglich auf eine lukrative Geschäftsbeziehung mit dem künftigen Stadtoberhaupt. Bei der Stadtratswahl 2002 erhielt Kass, auf Listenplatz 30 stehend, die fünftmeisten Stimmen.

Ein Jahr später legte er den Fraktionsvorsitz aus beruflichen Gründen nieder. Er übernahm eine Steuerberatungskanzlei in München - und er übernahm auch sich. "Mit der Kanzlei begannen die Probleme", sagt sein Anwalt. Kass türmte Schulden auf, die er durch die erschlichenen Darlehen zu tilgen versuchte. Von dem Geld ist nichts mehr da, die Steuerberatungsgesellschaft mit etwa zehn Angestellten wurde im September 2009 gelöscht. Ein Insolvenzverfahren hatte das Amtsgericht mangels Masse abgelehnt.

"Pack mer's" - soll er bei der Festnahme gesagt haben

Für Kass muss die OB-Kandidatur eine Flucht aus der Realität gewesen sein. Die Niederlage im März 2008 gegen Amtsinhaber Helmut Hey (SPD) im ersten Wahlgang erlebte er daher als Schock, wie Bekannte schildern. Fünf Monate später ließ Kass seine Frau in einem Brief wissen, dass er nach Irak reisen werde. Seine Hoffnung, "durch geschäftliche Kontakte aus dem Schlamassel rauszukommen", wie sein Anwalt heute sagt, erfüllte sich in dem vom Krieg zerstörten Land jedoch nicht. Zwei Wochen später kehrte Kass nach Deutschland zurück und versteckte sich im Düsseldorfer Stadtteil Friedrichstadt; unter falschem Namen lebte er angeblich in "bescheidensten Verhältnissen".

Als die Zielfahnder ihn im vergangenen Sommer nach einem Tipp aus der Bevölkerung mit seinem richtigen Namen ansprachen, soll Kass geradezu erleichtert gewirkt haben. "Pack mer's", soll er bei der Festnahme gesagt haben. Sich selbst zu stellen, dafür habe seine Kraft nicht gereicht.

Über seinen Pflichtverteidiger Jörg Meyer lässt Kass ausrichten, dass er zutiefst bereue, was er seiner Familie, Geschäftspartnern und ehemaligen Mitarbeitern angetan habe. Am liebsten würde er "die Uhr zurückdrehen, um das Geschehene ungeschehen zu machen".

Sein Umfeld hat sich von ihm distanziert: Die Ehe ist geschieden, und wer mit dem Schwandorfer CSU-Vorsitzenden Andreas Wopperer spricht, bekommt in kühlen Worten zu hören, dass er sich "über den Herrn Kass nicht mehr äußern" wolle. Nicht über dessen sechs Jahre als JU-Vorsitzender und nicht über die 13 im Stadtrat, davon sechs als Fraktionschef. Zum OB-Kandidaten hatte ihn die Partei seinerzeit einstimmig gekürt. Der Slogan lautete "Besser für Schwandorf".

Rechtsanwalt Haizmann hat angekündigt, dass sein Mandant sich in nahezu allen Anklagepunkten geständig zeigen werde. Die Verhandlung ist auf nur einen Tag angesetzt. Kass muss mit einigen Jahren Haft rechnen.

Nachtrag: Das Urteil wird voraussichtlich erst am Freitag verkündet.

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SZ vom 13.03.2012/sonn/gba
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