Früherer CSU-Chef Erwin Huber:Dann eben Wurmsham

Der frühere CSU-Chef Erwin Huber ist sich für nichts zu schade: Nachdem er die absolute Mehrheit seiner Partei bei der Landtagswahl 2008 verloren hatte, reihte er sich wieder unten ein. Die Geschichte von einem, der nicht aufhören kann.

Mike Szymanski

Eine Feierlichkeit der neuen Art im Energiewendeland: Heute wird ein Trafo-Häuschen eingeweiht. Ein Feld bei Roßbach, Kreis Rottal, tiefstes Niederbayern. Neben dem Umspannwerk steht ein Festzelt, ein paar Dutzend Gäste sind gekommen. Weil der Pfarrer in der Bibel natürlich nichts über Fotovoltaik gefunden hat, sagt er: "Lasst uns dankbar sein für all die Gaben."

Früherer CSU-Chef Erwin Huber: Straßenbahn statt Limousine: "Man muss sich erstmal im Kopf klarmachen, dass man nur noch die zweite Geige spielt", sagt Erwin Huber.

Straßenbahn statt Limousine: "Man muss sich erstmal im Kopf klarmachen, dass man nur noch die zweite Geige spielt", sagt Erwin Huber.

(Foto: Robert Haas)

Jetzt sagt Roßbachs Bürgermeister Josef Grübl noch ein paar Worte: "Ein Umspannwerk", erklärt er, "ist eine Anlage, die leise und unbeachtet vor sich hinbrummt." Und: "Erst wenn der Strom weg ist, wird uns bewusst, wie sehr unser Leben davon abhängt."

Strom weg? Leise und unbeachtet vor sich hinbrummen? Grübl könnte auch Erwin Huber gemeint haben, der ein paar Meter neben ihm steht.

Der Ex-Minister, der Ex-Chef der CSU, der Alles-mal-Gewesene dieser Partei - er ist Ehrengast. "Herr Staatsminister", begrüßen sie ihn, als hätte Huber nach der Wahlniederlage 2008, bei der die CSU auf 43,4 Prozent abstürzte, nicht alles abgeben müssen: seine Ämter in der Regierung und in der Partei.

Geblieben sind dem Landtagsabgeordneten der Vorsitz im Wirtschaftsausschuss und Auftritte wie dieser: "Gut habt ihr es gemacht!", ruft er den Mitarbeitern vom Energiekonzern zu und referiert über Stromtrassen und Energiemärkte.

Huber, 65, hat sich schon wieder hinters Steuer seines BMW geklemmt. Um sechs Uhr klingelte der Wecker, 6.30 Uhr schnappte er sich die Zeitung. Dann nimmt er die Termine wahr, für die sich andere zu schade sind.

Dieser Mittwoch bei ihm sieht so aus: 10.30 Uhr Trafo-Station, 14 Uhr Referat bei der Senioren-Union in Ergolding zum Thema "Ist unser Geld noch sicher?", 16.15 Uhr Besichtigung Drei-Quellen-Gemeinde Wurmsham, 19.30 Uhr Hauptversammlung CSU Niederaichbach. Fast 250 Kilometer wird Huber zurücklegen.

Nun schleppt er wieder Wasserkisten

Huber ist eine Ausnahme im Politikbetrieb. Der braucht eigentlich keine Gestrauchelten und Gescheiterten. Normalerweise sortiert er sie rasch aus, schiebt sie sanft aus ihrem Zentrum ab: auf die Hinterbänke im Parlament, in irgendwelche Präsidien und Ältestenräte.

Andere flüchten in die Wirtschaft, machen mit ihren Kontakten noch ein bisschen Lobbyarbeit. Und wieder andere ziehen sich fast komplett aus dem politischen Geschäft zurück, weil sie meinen, dort nichts mehr zu suchen zu haben.

Hubers Kompagnon Günther Beckstein, mit dem er 2007 das Erbe von Edmund Stoiber angetreten hatte, gehört zu ihnen. Sie waren einmal das Tandem: Beckstein als Ministerpräsident und Huber als Parteichef - verdammt zur Zusammenarbeit. Parteifreunde haben ihnen tatsächlich einmal ein Tandem geschenkt. Aber das steht heute in Hubers Garage herum und vom Abgeordneten Beckstein hört man kaum noch etwas. "Wenn man einmal ganz oben war, fängt man nicht wieder unten an", sagt Beckstein.

Ganz unten. Huber weiß, wie sich das anfühlt. Der Wahlabend am 28. September 2008, der Moment der Niederlage: Für seine Parteifreunde waren er und Beckstein Versager. Die Zwei der CSU, die es nicht im Kreuz hatten. Es gibt ein Foto aus jenen turbulenten Tagen, das zwei einst harte und mächtige Männer zeigt, die völlig neben sich stehen.

Wie in Trance habe er die Wochen damals erlebt, erzählt Huber im Auto. Und als sich der Schock legte, kam der Schmerz: Der Mann, der mit Kanzlerin Merkel verhandelte, schleppt beim Einkaufen im Supermarkt nun wieder Wasserkisten. Er hatte mehr Zeit, als ihm lieb war, und hörte die Leute hinter seinem Rücken tuscheln: "Guck mal, der Huber". Wenn er in München Straßenbahn fährt, die Hände auf seine Aktentasche gestützt, drehen sich die Köpfe nach ihm um.

Huber hat es in den ersten Monaten auch vermieden, Behörden zu betreten. Früher standen die Beamten für ihn von ihren Stühlen auf, wenn er ein Amt betrat. Er wollte sich und die Beamten nicht in Verlegenheit bringen. "Nur noch die zweite Geige spielen, Bittsteller sein statt Entscheider. Das muss man sich im Kopf erstmal klarmachen", sagt Huber. In jenen Tagen damals vertraute er sich aber auch Beckstein an: "Ich bin zu jung zum Aufhören."

Man muss Huber kennen, um diesen Schritt zu verstehen. Beckstein sagt, Huber sei ein ganz anderer Typ als er, eine Kämpfernatur. Huber hatte sich aus ärmlichen Verhältnisse hochgearbeitet. Sein Lebensmotto stammt aus einem Englischbuch: "Good, better, best, never let us rest, till our good gets better and our better gets best."

Und so verlief auch Hubers Karriere bis 2008: stellvertretender Generalsekretär, Generalsekretär, Staatsminister in verschiedenen Funktionen. CSU-Chef. Zum 50. Geburtstag stellten ihm seine Parteifreunde ein Denkmal in den Vorgarten: einen fast drei Meter hohen Metall-Geier, weil er als Finanzminister immer so geizig gewesen sei. "Ich bin in höchste Höhen aufgestiegen", sagt Huber.

"Ich harre dem nächsten politischen Höhepunkt meines Lebens"

Deshalb gibt es immer noch Parteifreunde, die nicht begreifen können, was sich Huber noch einmal zugemutet hat. Als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses sitzt Huber bei den wichtigen Vorbesprechungen der CSU zum Ministerrat mit am Tisch.

Er kommt pünktlich, ist immer bestens vorbereitet, meldet sich zu Wort, und wenn die Kabinettsmitglieder in den großen Sitzungssaal der Staatskanzlei hinübergehen, um die große Politik zu machen, verschwindet Huber in sein kleines Landtagskämmerlein. "Der Neuling im Landtag fängt bei Null an", sagt Huber. "Ich mit meiner Vorgeschichte bei unter Null. Ich musste mich doppelt hocharbeiten." Oder zum zweiten Mal. Wie man's nimmt.

Das größte Problem mit Huber hat Horst Seehofer, sein Nachfolger als CSU-Chef. Es gab Zeiten, da war Huber Seehofers größter Widersacher in der Partei - auch weil die vielen Jungen sich nicht trauten, den Mund aufzumachen. Wenn Seehofer etwas sagte, redete Huber dagegen. Von Huber ist das Wort überliefert, er werde noch auf dem Sterbebett die Hand heben, um gegen Seehofer zu stimmen.

Als Seehofer die Wehrpflicht aufgab und auch die Atomkraft, sorgte sich Huber um seine alte CSU. "Die Wähler wollen keine grün lackierte CSU", schimpfte Huber. Immer der Erwin, schimpfte Seehofer zurück. "Ich nehme das nicht mehr hin."

Huber weiß, dass es problematisch ist, sich als Vorgänger einzumischen. Er macht sich angreifbar, weil es schnell heißt: Da tritt einer nach. Beckstein formuliert es so: "Ratschläge eines Vorgängers sind immer nur Schläge und niemals Rat." Deshalb sagt Beckstein auch gar nichts mehr. Huber kann das nicht.

Er ist sieben Tage die Woche im Einsatz. Wenn er zu Hause ist, setzt er sich an den Computer und schaut, was es Neues gibt. Wenn am Sonntag das Handy klingelt, scherzt seine Frau schon: "Dann ist der Tag ja gerettet." Seehofer sagt, er habe sich mit Huber arrangiert. "Wir sind kulant", sagt er gönnerhaft. "Huber ist ein Parteisoldat. Das war er immer. Er lebt für die Politik."

Er weiß auch, was er an Huber hat. Und Huber erlebt gerade seinen zweiten Frühling. Neulich beim Volksfest in Velden brauchte er sieben Minuten, um Verkehrsminister Peter Ramsauer, dem Hauptgast des Abends, mit einer Bierzeltrede die Show zu stehlen. "Dann kam Erwin. . . ", titelte die Lokalzeitung. Es ist Nachmittag geworden. Huber steuert sein Auto in Richtung Wurmsham, zur Ortsbesichtigung. "Ich harre dem nächsten politischen Höhepunkt meines Lebens", scherzt Huber.

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