Süddeutsche Zeitung

Gewerkschafter und Sozialdemokrat:Fritz Schösser ist tot

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Kaum einer verkörperte die internen Kämpfe und Widersprüche der SPD so wie er. Fritz Schösser starb im Alter von 71 Jahren.

Von Kassian Stroh

Es gab eine Zeit, da sah sich die SPD als Vertreterin der Arbeitnehmer. Dann zerbrach der Einklang von Partei und Gewerkschaften und seit 15 Jahren nun ringt und hadert die SPD mit sich. Zumal die bayerische, die sich traditionell eher links verortet. Und es gab einen Mann, der dieses Ringen verkörperte, der die internen Kämpfe und Widersprüche in sich vereinte: Fritz Schösser, 20 Jahre lang der oberste Gewerkschafter Bayerns, und nicht ganz so lang SPD-Abgeordneter in Landtag und Bundestag. Er litt mit seiner Partei, er stritt mit ihr, auch öffentlich. Auch wenn er nie ein Führungsamt in der bayerischen SPD innehatte, prägte er sie. Nun ist Fritz Schösser tot.

Schösser kam aus einer sozialdemokratischen Gewerkschafterfamilie, wurde mit 14 Jahren SPD-Mitglied. "Da verzeiht man viel", sagte er 2007, als er mal wieder im Clinch mit den Parteioberen lag. Damals lud er drei SPD-Bundestagsabgeordnete von den Maikundgebungen aus, weil sie der Rente mit 67 und einer aus Sicht der Gewerkschafter ungerechten Gesundheitsreform zugestimmt hatten. SPD-Mitglied blieb Schösser aber bis zuletzt, auch wenn er zwischendurch mit einem Austritt liebäugelte.

Geboren wurde Schösser 1947 in Töging am Inn. Er lernte Industriekaufmann bei den Innwerken, engagierte sich schon als Lehrling in der Gewerkschaft, stieg rasch auf und wurde 1990 Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Ein wortgewaltiger und streitbarer. "Der Klügere gibt nach? Davon halte ich nicht viel", sagte er einmal. Wenn er es für die Sache der Arbeitnehmer dienlich hielt, suchte er freilich auch die Nähe zur CSU-Staatsregierung, nicht immer zur Freude der eigenen Leute. Als er 1996 mit ihr und der Wirtschaft einen Beschäftigungspakt aushandelte, warfen ihm manche einen Schmusekurs vor.

"Ich habe mich verschlissen"

1994 kam Schösser für die SPD in den Landtag. Doch sein Doppelspiel funktionierte nicht: als Abgeordneter Oppositionsarbeit machen, als Gewerkschaftsboss einen Pakt mit der Regierung schließen. So wechselte er 1998 in den Bundestag. Dort wurde er zum Gegner der Arbeitsmarktreformen, die Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) unter dem Titel "Agenda 2010" vorantrieb. Hartz IV stimmte der Abgeordnete Schösser trotzdem zu, was er später als Fehler bezeichnete. Aus Ärger, auch über sich selbst, trat er bei der Bundestagswahl 2005 nicht mehr an.

Fortan piesackte er seine SPD weiter, wann immer sie ihm zu neoliberal erschien. Auf diese Weise artikulierte er den Unmut vieler Gewerkschafter über den Kurs der Partei, die sie lange als natürliche Verbündete gesehen hatten, die sie aber auch nicht - wie andere - verlassen wollten. Schösser prophezeite der SPD sinkende Wahlergebnisse, musste sich daraufhin von seinen Genossen anhören, er sei ein verbitterter, alter Mann. 2010 gab er den Gewerkschaftsvorsitz ab. Ohne Wehmut, wie er sagte, aber auch müde: "Ich habe mich verschlissen." Öffentlich trat er seitdem kaum noch in Erscheinung.

Wie der DGB am Mittwoch mitteilte, ist Schösser am Dienstag gestorben. Er wurde 71 Jahre alt.

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