KunstgeschichteMalerisches Oberbayern – auf den Spuren der Künstlerkolonien

Lesezeit: 5 Min.

Der Walchensee spielte eine große Rolle in der Kunstgeschichte.
Der Walchensee spielte eine große Rolle in der Kunstgeschichte. (Foto: Christof Stache / AFP)

Oberbayern inspiriert bis heute nicht nur Touristen. Von Murnau bis zum Tegernsee: Sechs Orte, die zu den bedeutsamsten der deutschen Kunstgeschichte zählen.

Von Hannes Christoph Meck

„Oh mei, auf oamoi sans dagwen, wia d’ Schwammerl sans aufganga, unter jedm Baum is oaner gsessn“ – so erinnerte sich eine Dame an die Ankunft der Maler und Malerinnen im Dachauer Moor. Das schreibt zumindest Norbert Göttler in seinem Buch „Malerluft und Malerlust“. Und tatsächlich: Trotz seiner Überzeichnung charakterisiert das Zitat die Blütezeit der Dachauer Künstlerkolonie recht treffend. Wie solche „Malerwinkel“ heranreiften und in die Kunstgeschichte Eingang fanden, das erläutert der Schriftsteller in seinem Buch. Auf Basis seiner Entdeckungen hat die Süddeutsche Zeitung sechs Künstlerorte ausgewählt, die bis heute jenen Charme besitzen, der einst Maler wie Kandinsky, Haushofer und andere anzog.

Die Fraueninsel im Chiemsee

Blick auf die Fraueninsel nach Süden von Gstadt aus.
Blick auf die Fraueninsel nach Süden von Gstadt aus. (Foto: Johannes Simon)

Die Fraueninsel im Chiemsee wurde im Jahre 1828 von Maximilian Haushofer als Malermotiv entdeckt – welcher sich sowohl in die Insel als auch in die Tochter des Lindenwirts auf Frauenchiemsee verliebte. Ab 1860 machte die Eisenbahn der Linie München–Salzburg in Prien Station, woraufhin die kleine Nachbarin der Herreninsel zum kreativen Knotenpunkt wurde. Große Namen wie Adolf Lier, Christian Morgenstern, Daniel Fohr und Julius Köckert fanden sich auf der Insel ein und schufen manche ihrer bedeutsamsten Werke (siehe „Hochzeitsfahrt auf dem Chiemsee“ von Köckert).

Auch heute lohnt sich der Ausflug: Die Fraueninsel kann mit der Flotte der Chiemsee Schifffahrt erreicht werden, bietet im Südwesten eine Wiese mit Wasserzugang und ist Heimat des ältesten Frauenklosters Deutschlands. Am besten lernt man die gesamte Insel auf einem Rundgang kennen.

Der Tegernsee

Der Tegernsee bei Sonnenuntergang.
Der Tegernsee bei Sonnenuntergang. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Als König Maximilian I. das säkularisierte Klostergebäude der Benediktiner am Ufer des Tegernsees 1817 in seine Sommerresidenz verwandelte, wurde das Schloss zum kulturellen Herzstück. „Max I. Joseph galt als kunstsinnig und großzügig“, schreibt Göttler, in seiner Residenz „gingen die Künstler ein und aus“. Besonders tat es dem König Joseph Stieler an, welchen er zum persönlichen Hofmaler kürte und dazu nötigte, „sich in der Nähe des Schlosses wenigstens eine Zweitwohnung zuzulegen“. Mit Erfolg – das „Stieler Haus“ existiert noch heute und beherbert inzwischen ein italienisches Restaurant.

Ebenso thront das Schloss Ringberg noch auf halber Höhe des Ringbergs und erinnert an eine andere Zeit. Ursprünglich von Maler Friedrich Attenhuber für Herzog Leopold Luitpold konzipiert, diente es Künstler und Fürst, welche laut Göttler nicht nur „beruflich verbunden, sondern homosexuell liiert“ waren, als Domizil. Der Herzog jedoch „hielt seinen Universalkünstler in vollständiger Isolation und Abhängigkeit“: Die Öffentlichkeit sollte keine Kenntnis vom Talent seines Hofmalers nehmen. So trieb er Attenhuber an den Rand der Verzweiflung und letztlich in den Tod. Der Maler stürzte sich angeblich von einem jener Türme, die er selbst einst erdachte.

Der Walchensee

Der Walchensee faszinierte Lovis Corinth.
Der Walchensee faszinierte Lovis Corinth. (Foto: Allitera Verlag)

Der Walchensee wirbt mit einem etwas ausgefallenerem Charme als andere bayerische Alpenseen dieser Liste. 1918 lernte Lovis Corinth den See zu schätzen – allerdings nicht seiner Schönheit, sondern seiner Bedrohlichkeit wegen. „Der See wechselt in rätselhaften Farben und Stimmungen (…) Wunderschön ist der Walchensee, wenn der Himmel schön ist, aber unheimlich, wenn die Naturgewalten toben. Man nennt ihn Selbstmördersee“, zitiert Göttler den Maler. Seine Faszination führte zu regen Gestaltungsphasen, rund 60 Ölgemälde und 100 Skizzen entstanden während seines Aufenthalts am See. Zahlreiche seiner Werke sind im Walchensee-Museum ausgestellt, welches allerdings seit Jahresbeginn geschlossen ist. Der Lovis-Corinth-Weg bringt Interessenten anhand von sieben Ausstellungstafeln über eine Stunde das Leben und den Werdegang Corinths näher.

Wer die Erregung nachempfinden will, die der See in Corinth weckte, sollte einen der umliegenden Berge erklimmen. Ebenso lohnend ist die Fahrt über das türkisblaue Wasser selbst – etwa mit einem der Schiffe des Asentorfer Bootsverleihs. Ob treibend in der Mitte oder von den Gipfeln hinabblickend – hier offenbart sich Corinths Faszination.

Holzhausen am Ammersee

Eine Möwe fliegt  im Sonnenschein vor dem Panorama der Alpen über den Ammersee.
Eine Möwe fliegt  im Sonnenschein vor dem Panorama der Alpen über den Ammersee. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

„Der Ammersee war immer einfacher Klostersee, Bauernsee – und Malersee“, schreibt Göttler. Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts lag er vom künstlerischen Auge unbeachtet im Voralpenland, was die Einführung des Dampfschiffes im Jahre 1879 schließlich änderte.

1888 baute der Abenteurer und Maler Ludwig Scheuermann sich eine Villa am Ostufer des Sees, die noch heute als (mietbarer) Hingucker im Kurpark Herrsching steht.

1899 wurde der Ammersee ans bayerische Eisenbahnnetz angeschlossen, woraufhin sich das Künstlerehepaar Gasteiger in Holzhausen niederließ. Das Gasteiger Haus „wurde rasch zum Mittelpunkt des künstlerischen Lebens am Ammerseeer Westufer“, erklärt Göttler, und ist noch heute eine lohnenswerte Sehenswürdigkeit. Dem Beispiel des Ehepaars folgten Walter Georgi, Fritz Erler, Eduard Thöny und Adolf Münzer – welchem ein Museum in der Gegend gewidmet ist. Neben der Hinterlassenschaft der Künstlerkolonie sind dem Ausflügler auch Schiffsfahrten, Bademöglichkeit und ein Besuch im Kloster Andechs geboten – eine vielversprechende Exkursion.

Murnau

Das Münter-Haus in Murnau, gemalt von Gabriele Münter.
Das Münter-Haus in Murnau, gemalt von Gabriele Münter. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Murnauer Moos – südlich vom Markt Murnau und dem Staffelsee gelegen – ist das größte naturnah erhaltene Moorgebiet Mitteleuropas. Im Juni 1908 führte es Wassily Kandinsky und Gabriele Münter auf einem Ausflug in die Gegend. Von der wunderlichen Schönheit ergriffen, empfahlen die beiden es an Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky, welche sich noch im Herbst des gleichen Jahres in das „Griesbräu“ einmieteten und wiederum Münter und Kandinsky überzeugten, es ihnen gleichzutun.

Im August 1909 riet Kandinsky Gabriele Münter dann schließlich, sich ein Haus in Murnau zu kaufen, woraufhin Münter das erste Haus jenseits Murnaus Bahnlinie bauen ließ. Die „Streidlvilla“ in der Murnauer Kottmüllerallee Nr. 6 – ehemaliger Wohnsitz, Künstler- und Intellektuellentreff sowie Malermotiv – ist seit 1984 als „Münter-Haus“ der Öffentlichkeit zugänglich.

Um das Beste aus einem Ausflug nach Murnau zu machen, sollten sowohl das Schlossmuseum in Murnau, welches etliche Werke Münters und der „Blauen Reiter“-Gruppe zeigt, als auch eine Wanderung durchs Moos nicht fehlen. In Murnau reichen sich malerische Innovation und Naturspektakel die Hand.

Der Starnberger See

Blick auf die Roseninsel im Starnberger See.
Blick auf die Roseninsel im Starnberger See. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im Jahre 1800, als der Starnberger See noch Würmsee hieß, verschlug es Johann Georg von Dillis und kurz darauf Lorenzo Quaglio d. J an das Ufer des Sees. Beide fertigten Gemälde des Sees, Dillis etwa mit „Starnberg, vom Hanfelder Berg ausgesehen“ und Quaglio d. J. mit „Familienbild im Garten des Landrichterhauses“. Etwa 50 Jahre später wurde die Anfahrt an den Starnberger See durch die Bahnlinie erleichtert, und Maler fuhren in größeren Mengen an den See. „Vielleicht war es tatsächlich die Roseninsel, die Künstler in größerer Zahl nach Starnberg lockte“, spekuliert Göttler – besonders, nachdem ein Wirtshaus mit Biergarten auf der Insel geöffnet hatte, war es bei Touristen und Künstlern beliebt geworden. Damit war jedoch Schluss, als König Maximilian II. die Insel kaufte und seiner Gattin zum Geschenk machte. Seit 1970 ist die Insel mitsamt Casino und Rosengarten wieder der Öffentlichkeit zugänglich.

Viele Künstler empfanden das Leben am Starnberger See auf Dauer als zu „eng“ und allgemein nur, oder besonders, im Sinne der „Sommerfrische“ genießbar. Zwei Ausnahmen bildeten Gabriel Cornelius Ritter von Max, der neben der Historienmalerei auch im Züchten einer Herde Affen Gefallen fand, und Heinrich Campendonk, eines der jüngsten Mitglieder der „Blauen Reiter“-Gruppe, welcher sich Anfang des 19. Jahrhunderts in Seeshaupt ansiedelte.

Das Museum der Phantasie am Ufer von Bernried offeriert Touristen unter anderem die Sammlung Lothar-Günther Buchheims – betitelt von Göttler als „Dokumentation einer lebenslangen Sammelwut“. Es präsentiert Werke der Expressionisten Erich Heckel, Emil Nolde, Kirchner und Pechstein und ist „zu einem wichtigen Zeichen der langen künstlerischen Tradition des Sees geworden“.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Freizeit
:Münchens beste Eisdielen

In München gibt es viele Eisdielen und -cafés. Aber wo schmeckts am besten? Wer hat die verrücktesten Sorten? Und: Geht’s auch ohne Zucker? Tipps aus der SZ-Redaktion.

Von SZ-Autorinnen und  -Autoren

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: