Erinnerungskultur in Neufahrn:Märtyrer von gestern

Erinnerungskultur in Neufahrn: Das Kriegerdenkmal in der Nähe des Neufahrner Rathauses wurde 1921 gebaut und nach dem Zweiten Weltkrieg erweitert.

Das Kriegerdenkmal in der Nähe des Neufahrner Rathauses wurde 1921 gebaut und nach dem Zweiten Weltkrieg erweitert.

(Foto: Marco Einfeldt)

Am Volkstrauertag werden traditionell Kränze an den allgegenwärtigen Kriegerdenkmälern niederlegt, so auch in Neufahrn. Dort erinnert das Ehrenmal an die "toten Helden" der Weltkriege. Benötigt diese Inschrift eine Erklärungstafel?

Von Francesca Polistina, Neufahrn

Kriegerdenkmäler gibt es in fast jeder deutschen Stadt. Mal sind sie sich selbst und der Natur überlassen, mal erscheinen sie geputzt und frisch renoviert. Mit ihren monumentalen Gestalten und den meist pathetischen Inschriften, die von Vaterlandsliebe und Opferbereitschaft erzählen, kann man sie schlecht übersehen, nach einem schnellen Blick läuft man aber meistens einfach weiter. Bis wieder Volkstrauertag ist wie an diesem Sonntag. In Erinnerung an die Opfer von Gewalt und Krieg wird dort dann ein Kranz niederlegt - und dringend zum Frieden gemahnt.

Auch in Neufahrn gibt es ein solches Denkmal. Errichtet wurde es 1921, als viele Kriegerdenkmäler in Deutschland gebaut wurden, in den 50er Jahren wurden die Stelen mit den Namen der gestorbenen Soldaten hinzugefügt. Ursprünglich stand das Denkmal neben der alten Kirche, später wurde es aus Platzmangel zuerst an die Kreuzung Echinger Straße/Dietersheimer Straße und danach in die Nähe des Rathauses verlegt, wo es sich bis heute befindet.

Erinnerungskultur in Neufahrn: Die Inschrift auf dem Neufahrner Kriegerdenkmal ist für den Bürgermeister "sicher diskutabel".

Die Inschrift auf dem Neufahrner Kriegerdenkmal ist für den Bürgermeister "sicher diskutabel".

(Foto: Marco Einfeldt)

Auf dem mittleren, größeren Stein ist ein Soldat abgebildet, darunter steht: "Unseren toten Helden aus den zwei Weltkriegen sei Dank und Ehre" - eine Wortwahl, die für die damalige Zeit nicht unüblich war (in Eching ist sie zum Beispiel ähnlich), die aber aus heutiger Perspektive zumindest befremdlich klingt. Denn kann man die Soldaten der Weltkriege wirklich als "Helden" bezeichnen? Oder ist diese Glorifizierung nur der Versuch, den sinnlosen Tod von meist jungen Männern, die in einen Angriffskrieg geschickt wurden, mit einem Sinn zu versehen? Und vor allem: wo beginnt die Heldenverehrung von Soldaten?

In Freising bekommen zwei Kriegerdenkmäler eine Infotafel

In Deutschland gibt es schätzungsweise 100 000 Krieger- und Ehrenmäler und längst wird darüber diskutiert, wie mit ihnen umgegangen werden soll - vor allem, wenn die Heldenverehrung besonders ausgeprägt ist. Immer häufiger werden in der Nähe von Denkmälern Informationstafeln aufgestellt, die dazu dienen, diese historisch-kritisch zu kommentieren. Dies wird nun auch in Freising geschehen: Nachdem 2021 einige Stadträte der Parteien Bündnis 90/Grüne, ÖDP und Linke eine Überprüfung des schriftlichen und bildlichen Aussagewertes der städtischen Kriegerdenkmäler beantragt hatten, hat der Ältestenrat des Freisinger Stadtrats in einer eigenen Arbeitsgruppe das Thema beraten und ist kürzlich zu dem Schluss gekommen, dass im Umfeld der Denkmäler an der Oberen Hauptstraße und an der St. Georgs-Kirche die Aufstellung einer Informationstafel notwendig ist. Beim letzteren soll auch ein Friedens-mahnender Spruch angebracht werden.

Zu der Freisinger Arbeitsgruppe gehörte auch der Kreiskrieger- und Soldatenverein (KKSV), der sich traditionell der Errichtung und Pflege dieser Denkmäler widmet. Der Verein hat sich klar für die Aufstellung von Erklärungstafeln in Freising ausgesprochen. "Der Diskussion kann man sich nicht mehr entziehen", sagt KKSV-Vorsitzender Otto Radlmeier stellvertretend für alle 55 Sektionen aus dem Landkreis. Wichtig sei aber, dass es keine Eingriffe in die Kriegerdenkmäler selbst geben dürfe.

Der Neufahrner Bürgermeister zeigt sich "offen" für eine Tafel

Sollte auch das Kriegerdenkmal in Neufahrn eine Infotafel bekommen, welche die historischen Hintergründe seiner Entstehung erklärt? Auf Anfrage der SZ zeigt sich der Neufahrner Bürgermeister Franz Heilmeier (Grüne) für eine geeignete kommentierende Tafel "offen", dies solle aber in Abstimmung mit den Krieger- und Soldatenvereinen erfolgen, betont er. Der Bürgermeister hat Verständnis dafür, dass man durch das Denkmal den sinnlosen Verlust ungezählter Menschenleben kompensieren wollte. Aber die Inschrift sei "sicher diskutabel" und "Ausdruck dessen, dass in früheren Jahrzehnten ein gewisser Heldenepos die Denkmäler mitgeprägt hat".

Auch Norbert Hörpel, ehemaliger Vorsitzender der (gerade führungslosen) Neufahrner Sektion des Krieger- und Soldatenvereins und früher selbst Berufssoldat, würde die Aufstellung einer Zusatztafel begrüßen. Schon immer habe er die Inschrift in Neufahrn kritisch betrachtet, denn die Soldaten seien keine "toten Helden" wie auf dem Denkmal steht, sondern sie seien von einem totalitären System "missbraucht" worden.

Der Neufahrner SPD-Rat Maximilian Heumann, der in Neuerer und Neuester Geschichte promoviert und deshalb mit der Materie vertraut ist, kann sich ebenfalls eine Informationstafel vorstellen. "Meiner Ansicht nach ist es wichtig, dass bei einem Denkmal immer die Entstehungsgeschichte einbezogen wird. Auch die Stifter sind wichtig, um die bildliche Aussage des Denkmals einordnen zu können", sagt er.

Erinnerungskultur in Neufahrn: Der auf dem Neufahrner Denkmal abgebildete Soldat ist nicht euphorisch, sondern hat einen traurigen Blick.

Der auf dem Neufahrner Denkmal abgebildete Soldat ist nicht euphorisch, sondern hat einen traurigen Blick.

(Foto: Marco Einfeldt)

Bereits in den 80er Jahren habe sich die Gemeinde Neufahrn mit dem Thema beschäftigt, sagt Ernest Lang, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins. Nach der Debatte sei man damals zu dem Schluss gekommen, dass das Kriegerdenkmal noch "zeitgemäß" sei. Denn der dort abgebildete Soldat sei nicht euphorisch, sondern im Gegenteil eine traurige Figur, so Lang, der darin keine Heldenverehrung sieht. Eine Infotafel würde seiner Einschätzung nach nicht schaden, "aber ich sehe keine Notwendigkeit", sagt er. Für den Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins sind die Kriegerdenkmäler eine Aufarbeitung der Zeit. Für ihn sollte man nicht die heutigen Maßstäbe an historische Ereignisse anlegen - zumal die Verehrung von außen aufgesetzt worden sei. Denn die überlebenden Soldaten betrachteten den Krieg nicht als Heldenakt, sondern eher als Trauma.

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