Freiräume für ein Gewässer:Die Rückkehr der Steilufer

Einst war die Isar ein Wildfluss, wenigstens ein Stück weit wird sie nun renaturiert

Von Christian Sebald

Die Isar unterhalb von Landshut ist ein wahrhaft geschundener Fluss. Ihre Ufer sind komplett begradigt und betoniert. Es reiht sich Stausee an Stausee, Wehr an Wehr und Damm an Damm. Das soll sich nun ändern. Im Landkreis Dingolfing-Landau wird die Isar auf 30 Kilometer Länge renaturiert. Das "Flusserlebnis Isar", wie sie im Umweltministerium das Projekt etwas großspurig nennen, ist eines der größten seiner Art in Bayern. Insgesamt steckt der Freistaat 6,3 Millionen Euro hinein, der Löwenanteil stammt freilich von der EU. Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) und Naturschützer haben große Erwartungen. "Naturnahe Flüsse sind Lebensadern für die Artenvielfalt", sagt Scharf. "Sie machen Gewässer für die Menschen erlebbar." Peter Hirmer vom Bund Naturschutz (BN) erhofft sich eine "deutliche Aufwertung für Flora und Fauna, auch wenn die Isar nie wieder der Wildfluss werden kann, der sie einst war".

Nahe Landau bekommt man schon heute einen Vorgeschmack auf die neue Isar. Gleichsam im Vorgriff hat hier das Wasserwirtschaftsamt Landshut vor zwei Jahren auf 400 Meter Länge die alten Befestigungen an den beiden Flussufern herausreißen lassen. In der Isar selbst legten Arbeiter weitläufige Kiesbänke an. Außerdem kippten sie Gesteinsblöcke, Wurzelstöcke und Geröll in den Flusslauf - als Unterschlupf für Fische und um die Strömungsvielfalt zu erhöhen. Auch einen Altwasserarm verbanden die Arbeiter wieder mit dem Fluss. Es eröffnet Fischen neue Wanderwege flussaufwärts. Dazu ließ das Wasserwirtschaftsamt Buschwerk und Bäume anpflanzen und Wege für Spaziergänger und Radfahrer errichten. Seit Abschluss der Arbeiten wird nun die Isar sich selbst überlassen. Inzwischen hat sie sich längst ihr Flussbett samt Kiesbänken und Steilufern zurückerobert. Jedes Frühjahr sucht sie sich darin einen neuen Lauf.

Aber nicht nur das. Auch die Flora und Fauna in und an der Isar sollen von der Renaturierung profitieren. Vor allem die Fische. Einst war die Isar bei Landau voller Nasen, Barben, Huchen und anderen strömungsliebenden Arten. Seit Jahren kommen sie hier kaum noch vor. Der Grund: Diese Fische brauchen Kiesbänke als Laichplätze. Die aber waren bei Landau längst versandet und verschlammt - so wie überall an der niederbayerischen Isar. Naturschützer wie der BN-Mann Hirmer rechnen nun fest damit, dass sich dank der neuen Kiesbänke bei Landau auch die Fischbestände stabilisieren. Seltene Vogelarten wie der Eisvogel, die Zauneidechse und alle möglichen Käferarten sollen ebenfalls von der Renaturierung profitieren.

Im Rahmen des "Flusserlebnisses Isar" werden nun weitere sieben Naturinseln geschaffen. Bereits im Jahr 2022 sollen sie sich zwischen den Ortschaften Loiching und Ettling wie an einer Perlenkette aneinanderreihen. Alles in allem werde der Isar mit den neuen Naturinseln gut 600 Hektar Uferfläche zurückgegeben. Das erste Einzelprojekt soll ab Herbst 2016 in der Kreisstadt Dingolfing realisiert werden. Dort ist der Isar mit dem Dingolfinger Stausee besonders schlimm zugesetzt worden. So wichtig das "Flusserlebnis Isar" für die Isar selbst ist, der BN-Mann Hirmer sieht in dem Projekt ein Signal weit über den Fluss hinaus. "Der Kreis Dingolfing-Landau hat ja auch jenseits der verbauten Isar immense Probleme im Naturschutz", sagt er. Die Landwirtschaft etwa ist hier so industrialisiert wie in nur wenigen andern Regionen Bayerns. Auch was die Zahl der Biogasanlagen und damit der Maisäcker anbelangt, dürfte der Landkreis einen Spitzenplatz in Bayern belegen. Ebenso beim Flächenfraß. Aus diesen Gründen ist für Hirmer das "Flusserlebnis Isar" so wichtig: "Wir werden hier bei uns in Niederbayern unsere Natur nur erhalten können, wenn wir ihr die entsprechenden Räume dafür geben."

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