Freilassing:Grenzkontrollen sollen Mitte Juni enden

Coronavirus - Deutsch-österreichische Grenze

Einig in der Sache, auf Abstand bedacht: Bundesinnenminister Horst Seehofer (links) und Ministerpräsident Markus Söder in Freilassing.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Bei ihrem ersten Treffen seit Monaten bekräftigen Söder und Seehofer aber, dass sie auf einer Notbremse bestehen

Von Matthias Köpf, Freilassing

Viele, die sich nach langer Zeit des Infektionsschutzes endlich einmal wieder in den Arm nehmen oder einander wenigstens die Hand schütteln wollen, verzweifeln an den geltenden Abstandsregeln, und manche ignorieren diese Regeln dann auch einfach mal. Doch die gebotene Minimaldistanz kann so ein Wiedersehen nach langer Zeit auch leichter machen. Markus Söder und Horst Seehofer zum Beispiel sind einander sehr konsequent aus dem Weg gegangen, seit im März 2018 der eine neuer bayerischer Ministerpräsident geworden ist und der andere dafür Bundesinnenminister. Im Januar 2019, als Söder seinem alten Rivalen dann auch als CSU-Chef nachfolgte, waren sie noch einmal aufeinander getroffen, und auch am Nominierungsparteitag zur Europawahl sollen beide im gleichen Saal gesehen worden sein. Doch das Aufeinandertreffen am Montagnachmittag an der österreichischen Grenze in Freilassing ist der erste gemeinsame Auftritt des Bundesinnenministers Seehofer mit dem Ministerpräsidenten Söder. Und in der Sache zeigen sie sich einig. Man strebe das Ziel an, die coronabedingten Grenzkontrollen nach dem 15. Juni entfallen zu lassen, bekräftigt Seehofer.

Söder lässt Seehofer aber erst noch ein bisschen in der Sonne stehen, als seine Limousine ein paar Minuten nach Seehofers Dienstwagen vorgefahren ist. Stattdessen präpariert sich der Ministerpräsident noch hinter dem geöffneten Kofferraumdeckel, und als Söder schließlich mit weißblau gerautetem Mundschutz heranschreitet, geht Seehofer schnell noch ein paar Schritte, um erst einmal ein paar Polizisten zu begrüßen. Irgendwann stehen sich beide aber doch gegenüber, und dank Distanzgebots kann niemand daran Anstoß nehmen, dass die Männer gleichzeitig vornüber stürzen könnten, ohne einander zu berühren. Und als Söder dann Richtung Mikrofone strebt, bremst ihn Seehofer aus, um ein paar Worte mit Polizisten zu wechseln.

Die Bundespolizei zeigt an dem Nachmittag in Freilassing in einer Stärke Präsenz wie seit dem Höhepunkt der Migrationsbewegung 2015 nicht mehr. Damals kamen an einzelnen Tagen rund 2000 Flüchtlinge über diese Brücke. In der gesamten vergangenen Woche sind in Bayern ungefähr 100 Migranten angekommen, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der gleichwohl betont, man werde an den "sicherheits- und migrationsbedingten Grenzkontrollen", die Seehofer gerade bis November verlängert hat, unbedingt festhalten.

Doch in den Autos, die hier an den vielen Polizisten vorbeirollen, sitzen vor allem Berufspendler und Lieferanten aus dem Grenzgebiet. Seit Samstag dürfen hier auch wieder mehr Menschen ihre Familienmitglieder auf der jeweils anderen Seite besuchen, in ihre Zweitwohnung und zu ihren Schrebergärten fahren oder drüben ihre Felder und Wälder bewirtschaften. All das zählt nun als triftiger Grund, wie er allerdings weiterhin notwendig ist, um von einer Seite der Saalach auf die andere zu fahren. Einkaufen und Tanken zählen ausdrücklich nicht dazu, weshalb die Österreicher am Wochenende etliche Heimkehrer zu einer 14-tägigen Quarantäne verpflichtet haben sollen. Bayern hat seine Quarantänebestimmungen am Wochenende entsprechend der vorangegangenen Bund-Länder-Vereinbarung für Menschen aufgehoben, die direkt aus EU- und Schengenstaaten einreisen. Nur wer aus Drittstaaten kommt, muss noch mit der Quarantänepflicht rechnen. Kontrolliert wird all das - abseits der in Folge der Flüchtlingskrise eingerichteten festen Kontrollpunkte an drei bayerisch-österreichischen Autobahnübergängen - nur noch stichpunktartig. Auch die vielen kleineren Übergänge, welche Mitte März komplett gesperrt wurden, sind prinzipiell wieder offen.

Allerdings machen in Freilassing sowohl Seehofer als auch Söder deutlich, dass diese Lockerungen von der weiteren Entwicklung der Infektionszahlen in allen beteiligten Ländern abhängen. Beide waren ohnehin stets Verfechter einer harten Linie. "Wir sind immer für den vorsichtigen Weg eingetreten", sagt Seehofer. Die laut Seehofer medizinisch begründeten Maßnahmen an den Grenzen hätten zum Unterbrechen von Infektionsketten und damit "zum Zurückdämmen der Pandemie ganz wesentlich beigetragen". 150 000 Zurückweisungen habe es an der bayerisch-österreichischen Grenze in den vergangenen Wochen gegeben.

Auch Söder verteidigt die Beschränkungen: "Die Entscheidungen waren richtig, die Umsetzung war konsequent, das Ergebnis ist stabil." Bayern lockere später und vorsichtiger als andere, gerade weil es als Grenzregion stärker von der Pandemie betroffen sei. Nun die Grenze zu Österreich wieder etwas durchlässiger zu machen, sei "im Verhältnis vertretbar". Doch der Schutz der Bevölkerung stehe an erster und oberster Stelle, weshalb Söder ähnlich eine "Notbremse" wie auf der Ebene von Bund und Ländern auch auf europäischer Ebene fordert, um die jetzigen Lockerungen im Grenzregime bei Bedarf wieder rückgängig zu machen.

Seehofer verteidigt das in Freilassing auch gegenüber einer Handvoll Menschen, die sich mehr oder weniger spontan zu einer Kundgebung versammelt haben, dem Minister mundschutzlos persönliche Beispiele für versagte Grenzübertritte und Schicksale von Verwandten über die Leitplanke schreien und ein sofortiges Ende aller Einschränkungen fordern. Söder bleibt auch da auf Distanz.

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