Freihandelsabkommen:Landtagsabgeordnete schimpfen über TTIP

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  • Im Bayerischen Landtag debattieren die Abgeordneten über das Freihandelsabkommen TTIP.
  • Seit der Veröffentlichung geheimer Dokumente geben sich einige Bayerische Politiker kritischer denn je.

Von Lisa Schnell, München

Der Schal, den sich Europaministerin Beate Merk um den Hals geschwungen hat, ist rosarot. Er schimmert lieblich, weiter oben aber steigt der Ministerin die Zornesröte ins Gesicht. Ihr wütender Blick gilt Hubert Aiwanger, dem Vorsitzenden der Freien Wähler. "Sie können immer nur unterbrechen, Ängste schüren, Unfairness und Unterstellungen", schreit sie ihm vom Rednerpult entgegen und schüttelt ihre blonde Mähne.

Dass Aiwanger seinen durchdringenden Tenor gerne kontinuierlich dröhnen lässt, auch wenn seine Redezeit schon lange abgelaufen ist, das wird wohl kaum jemand abstreiten. Ob die Ängste, die er an diesem Dienstag in der aktuellen Stunde im Landtag so lautstark vorträgt, aber wirklich unbegründet sind, da gehen die Meinungen auseinander. Es geht um die Verhandlungen der USA und der Europäischen Union zum Freihandelsabkommen TTIP, zu denen kürzlich Geheimdokumente von Greenpeace bekannt wurden.

Eine TTIP-Abstimmung kann es erst nach Ceta geben

Die Positionen der USA und der EU erscheinen darin fast unvereinbar. Die USA drohen der EU unter anderem mit Nachteilen bei der Autoindustrie, wenn sie nicht deutliche Abstriche beim Verbraucherschutz macht. Solche Verhandlungsmethoden kommen nah an "Erpressung" heran, so Aiwanger. "Das ist kein Verhandlungsstil, und Verbraucherschutz ist auch nicht verhandelbar", ruft er ins Mikro.

Ihr Genfood könnten die Amerikaner gerne behalten, genauso die privaten Schiedsgerichte für Investoren. Auch für die Grünen-Abgeordnete Rosi Steinberger sind die roten Linien überschritten. Wer verbreite, die USA würden sich an die höheren Verbraucherschutzstandards in der EU angleichen, der erzähle Märchen, sagte sie.

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Der SPD-Abgeordnete Hans-Ulrich Pfaffmann zeigte sich dagegen zuversichtlich, dass eine Annäherung noch möglich sei. Auch beim Handelsabkommen mit Kanada Ceta sei viel nachgebessert worden. Er mahnte an, die finalen Verhandlungen abzuwarten. Erst dann könne dem Volk eine Entscheidung übertragen werden, wie es die Freien Wähler durch ein Volksbegehren anstreben.

Außerdem fordern sie von der Staatsregierung, eine Volksbefragung zu TTIP einzuleiten. Das Ergebnis wäre allerdings nur moralisch, nicht rechtlich bindend. Der CSU wirft Aiwanger vor, die Gefahr von TTIP nicht erkannt zu haben und die Bürger gegen die Demokratie aufzubringen, weil ihnen vermittelt wird: "Die da oben tun sowieso was sie wollen, unsere Stimmen werden nicht gehört."

Wendehälse im Landtag

Damit zielt er vor allem auf Ministerpräsident Horst Seehofer, der gerne seine "Koalition mit der Bevölkerung" betont. Er kündigte im Bundesrat ein Veto an, wenn die Verhandlungen nicht transparenter werden. Auch Europaministerin Beate Merk hörte sich nach der Veröffentlichung der Geheimdokumente anders an als nicht mal einen Monat zuvor. Noch im April warb sie für einen schnellen Abschluss der Verhandlungen. "Wir haben ja nicht ewig Zeit", sagte sie damals und betonte, die Gespräche seien auf einem guten Weg.

Zwar sagte sie auch jetzt, dass sie an einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen glaube. Wirklich euphorisch hörte sie sich aber nicht mehr an: "Niemand will TTIP um jeden Preis, im Gegenteil", sagte sie. Hohngelächter bei der Opposition.

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Noch lauter wurde dieses, als Merk Verbesserungen bei der Transparenz der CSU zuschrieb und nicht all denjenigen, die seit Jahren gegen die Verhandlungen in der Dunkelkammer protestieren. "Plötzlich merkt man, hoppla, man ist im falschen Zug", hatte Aiwanger zuvor die neuartigen Töne aus der CSU kommentiert. Vielleicht war Merk deshalb so wütend geworden.

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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