Freie Wähler:Im Bett mit dem Sumo-Ringer CSU

Hubert Aiwanger auf dem Landesparteitag der Freien Wähler in Regensburg

Hubert Aiwanger auf dem Landesparteitag der Freien Wähler.

(Foto: dpa)

Die Freien Wähler zeigen sich auf ihrem Parteitag in Regensburg immer noch berauscht von der Aussicht, in Bayern endlich mitregieren zu können.

Von Christian Sebald, Regensburg

Dieser Parteitag dürfte als ziemlich einmalig in die Geschichte der Freien Wähler eingehen. Und zwar nicht nur, weil die 300 Delegierten ihrem Parteichef Hubert Aiwanger, dem Parteivorstand und der neuen Landtagsfraktion einstimmig das Plazet gegeben haben, die Koalitionsverhandlungen mit der CSU fortzusetzen - ohne den Hauch einer Ahnung, wie viel aus ihrem Wahlprogramm sich am Ende im Koalitionsvertrag wiederfinden wird. Sondern auch, weil der Beschluss ohne jede Diskussion gefallen ist.

Dabei sind die FW bekannt für ihre Debattierfreude. An diesem Samstag in Regensburg ist alles ganz anders. Kurz nach zwölf Uhr beendet Aiwanger seine dreiviertelstündige Grundsatzrede. Keine fünf Minuten später geben die Delegierten ihm den Freibrief für den Abschluss des Koalitionsvertrags. Aiwanger zeigt sich überwältigt. "Danke für den grandiosen Vertrauensbeweis", ruft er, "wir werden euch nicht enttäuschen."

Auch zwei Wochen nach ihren ausgezeichneten 11,6 Prozent bei der Landtagswahl bleiben die Freien Wähler im Ausnahmezustand. Der FW-Generalsekretär und Münchner Abgeordnete Michael Piazolo etwa. Piazolo, 59, Hochschullehrer und seit zehn Jahren im Landtag, ist eigentlich ein zurückhaltender Mensch. Aber nicht an diesem Samstag. "Das müsst ihr euch auf der Zunge zergehen lassen", ruft er den Delegierten zu. "Wir dürfen heute entscheiden, wir dürfen es wirklich, ob wir weiter Koalitionsverhandlungen mit der CSU führen - wer hätte das vor zehn Jahren gedacht, als wir erstmals in den Landtag eingezogen sind." Unten im Saal brandet sofort tosender Applaus auf.

Aiwanger übt sich in seiner Rede in seiner noch sichtlich ungewohnten Rolle als künftiges Regierungsmitglied. Auch wenn er wie immer frei spricht und mit bisweilen waghalsigen Formulierungen. Zum Beispiel, als er ausführt, dass eine Regierungsbeteiligung für ihn "nur ein notwendiges Übel ist, um die Zukunft des Landes zu gestalten". Schließlich sei es einzig die Unzufriedenheit mit der CSU gewesen, die ihn in den Achtzigerjahren dazu gebracht habe, in die Politik zu gehen. Ansonsten würde er, sagt der gelernte Agraringenieur, "heute Bäume pflanzen und Schweine füttern".

Natürlich warnt Aiwanger den künftigen Koalitionspartner. "Ich habe ja selbst immer wieder gesagt, dass man gut aufpassen muss, wenn man mit jemanden ins Bett geht, der vier Mal so schwer ist wie man selbst", ruft er in Anspielung auf die alte Übermacht der CSU. "Denn dann wird man schnell erdrückt."

Inzwischen aber seien die FW vor der Gefahr gefeit. "Denn erstens haben wir den Sumo-Ringer abgespeckt, er ist jetzt nur noch drei Mal so schwer wie wir", erklärt Aiwanger. "Zweitens sind wir die Schnelleren und Athletischeren und sofort aus dem Bett draußen, wenn es zusammenbricht." Und immer wieder tönt er selbstbewusst: "An uns Freien Wählern vorbei kann Bayern nicht mehr stabil und bürgerlich regiert werden, ohne uns geht in Bayern nichts mehr."

Keine genauen Aussagen über die Koalitionsverhandlungen

Über weite Strecken seiner Rede hinweg gibt sich Aiwanger allerdings recht staatsmännisch. So wirbt er immer wieder um Verständnis, dass er nichts zum genauen Stand der Koalitionsverhandlungen sagen könne. "Wir haben das Stillschweigen ja deshalb vereinbart, dass wir rasch arbeiten können", sagt er. "Also halten wir uns daran." Zugleich lobt er die CSU als "fairen und offenen Gesprächspartner". Inzwischen hat er sogar den Eindruck gewonnen, "dass unsere Expertise geschätzt wird und das Gegenüber immer wieder überrascht ist über unser Detailwissen".

Vergangene Woche habe man alle Themen durchgesprochen und viele "grundsätzliche Gemeinsamkeiten" festgestellt. Nun müsse man die Einzelheiten festlegen. "Denn wir brauchen einen Vertrag, in dem die Baustellen Bayerns und die Lösungen genau beschrieben sind" - in der Familienpolitik genauso wie in der Politik für die ländlichen Räume, den Mittelstand und die Landwirte. Sogar Themen, die bisher nicht zu den Standards seiner Reden gehört haben, streift Aiwanger, den Klimaschutz etwa, auch hier brauche man "neue Impulse".

Gleichzeitig stimmt der Parteichef die Delegierten darauf ein, dass sie Konzessionen machen werden müssen. Sie werden womöglich schmerzhafter sein, als der Parteichef es erkennen lassen will. Zum Beispiel bei der dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Bisher hat Aiwanger stets verkündet, dass die CSU sich von dem umstrittenen Projekt definitiv verabschieden müsse, wenn es zu einer Koalition kommen solle. Der frühere Freisinger Landrat und FW-Politiker Manfred Pointner jubelte am Wahlabend noch, "dass die dritte Startbahn endgültig gestorben ist". Nun mutmaßt er sichtlich enttäuscht, dass es "womöglich nur auf ein Moratorium für die nächsten fünf Jahre hinausläuft".

Oder die nicht minder umstrittenen Stromautobahnen für die Energiewende. Bisher unterstützen die Freien Wähler jede Bürgerinitiative gegen die geplanten Starkstromleitungen nach Bayern. Die Regensburger Landrätin und Aiwangers Lebensgefährtin Tanja Schweiger ist immer an vorderster Front mit dabei. Für die CSU sind die Stromautobahnen unverzichtbar. Spricht man Schweiger auf diesen Konflikt an, sagt sie nur, sie erwarte, "dass die Partei das Maximum herausholt".

Am Ende verspricht Aiwanger genau dies den Delegierten. "Wir sind Qualitätsverbesserer", erklärt er. "Wir werden Bayern besser machen, wir werden liefern - auch wenn wir uns nicht immer zu hundert Prozent durchsetzen werden können." Dann nennt der Parteichef immerhin eine Marke für seine Ziele. "Bei unseren Kernthemen", ruft er, "bei unseren Kernthemen wollen wir nicht unter 50 Prozent stehen bleiben." Dann bittet er um den Freibrief für den Abschluss des Koalitionsvertrags. Und schon reißt es die 300 Delegierten von den Stühlen, Aiwanger bekommt zwei Minuten stehenden Applaus.

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