Freie Wähler im Landtag:Frei schwebend

Auch wenn die Freien Wähler gerne anderes behaupten: In der Landespolitik sind sie auch nach zwei Jahren noch nicht richtig angekommen.

Katja Auer, Roman Deininger und Andreas Roß

Hubert Aiwanger erzählt dieser Tage gern eine Erfolgsgeschichte. Es ist die Geschichte seiner Freien Wähler. Von der Nicht-Partei, die auf Anhieb drittstärkste Kraft im Landtag wurde, der CSU die Stimmen abjagte und mit 10,2 Prozent ein wahrlich sensationelles Ergebnis holte. So weit besteht Einigkeit. Und weiter?

Freie Wähler im Landtag: Auch nach zwei Jahren sind die Freien Wähler noch vor allem eine Ein-Mann-Show. Einziger Darsteller: Fraktionschef Hubert Aiwanger.

Auch nach zwei Jahren sind die Freien Wähler noch vor allem eine Ein-Mann-Show. Einziger Darsteller: Fraktionschef Hubert Aiwanger.

(Foto: ag.rtr)

Landeschef Aiwanger findet, er und die Seinen hätten die Staatsregierung seither vor sich hergetrieben, "die kommunale Thematik ist mit uns im Landtag angekommen". Dort sieht man das anders. Nicht einmal die Opposition setzt zum breiten Schulterschluss an. SPD und Grüne sind vielmehr genervt von der dauernden Selbstbelobigung der Freien Wähler, die glauben, sie hätten die CSU zum Umdenken gezwungen - beim Breitbandausbau beispielsweise.

Ein Feld, das die anderen Oppositionsparteien schon seit Jahren beackern. SPD-Vize Annette Karl teilte nach der jüngsten Selbsteinschätzung Aiwangers entnervt mit, dass "seine Arroganz nur noch von seiner Unwissenheit übertroffen wird". Und in der CSU beobachtet man mit Erleichterung, dass sich die Parteifreien im Parlamentsalltag zunehmend entzaubern. Von großer Bedrohung ist da nichts mehr zu spüren.

Es ist ruhig geworden um die Freien Wähler, seit der anfängliche Enthusiasmus verflogen und das Intermezzo mit Gabriele Pauli ausgestanden ist. Im Parlament haben sie sich auch nach fast zwei Jahren noch nicht richtig sortiert. Jetzt besinnen sie sich auf ihre Kernkompetenz: die Kommunalpolitik. Am vergangenen Wochenende luden die Parteifreien zu einer Demo ins oberpfälzische Berching. Kein klassisches Mittel der Freien Wähler, aber Aiwanger wollte ein bisschen Wahlkampfstimmung erzeugen. Die Freien Wähler fürchten ganz offenbar ihre Banalisierung. Als Thema wählten sie die Finanznot der Kommunen, ein Dauerthema. Auf der Berchinger Bühne stand Aiwanger, und er erzählte seine Erfolgsgeschichte. Unten standen seine Leute, 200 etwa, sie erzählten ihre eigene Version.

Sieglinde Hollweck zum Beispiel, sie ist FW-Vorsitzende im kleinen Berching und Dritte Bürgermeisterin. "Aller Anfang ist schwer", sagt Hollweck, "wenn du neu bist im Landtag, kannst du halt nicht gleich die Welt zerreißen." Es hätte eine Weile gedauert, bis sich die Freien im Parlament organisiert hätten, und so ganz, findet sie, sei dieser Prozess ja auch noch nicht abgeschlossen. "Wir haben die richtigen Themen", sagt sie, wohnortnahe Schulen auf dem Land, der Ausbau des Breitbandnetzes. "Aber wir müssen uns in der Öffentlichkeit noch viel stärker damit profilieren." Wenn es eine Beobachtung gibt nach knapp zwei Jahren im Landtag, auf die sich die Freien Wähler, wie sie in Berching versammelt sind, verständigen können, dann die: dass man die eigene Politik viel besser verkaufen müsse.

Das wissen sie im Landtag auch. Gerade arbeiten die Freien Wähler daran, ihre Organisation zu verbessern, vor allem in Sachen Selbstmarketing. Hans Gerngross, der FW-Vorsitzende im Landkreis Neumarkt, ist überzeugt, dass dieses Problem mit Personen zu tun hat. Das solle aber kein Vorwurf sein, sagt er: "Uns fehlen einfach die bekannten Köpfe. Unsere Leute sind neu im Landtag, die müssen sich erst mal in der täglichen Arbeit freischwimmen. Dann können sie sich um Medienpräsenz kümmern." Aiwanger, sagt Alfred König, FW-Mitglied aus der Oberpfalz, sei ein guter Frontmann, aber das reiche nicht: "Da ist er, und dann ist ganz lange nichts."

Ein Ende der Ein-Mann-Show von Hubert Aiwanger ist nicht in Sicht. Zwar begehrten die 21 Abgeordneten vor einem Jahr schon einmal auf, wählten die Fraktionsvizes ab und solche neu, von denen sie sich erhofften, sie würden neben Aiwanger auch wahrgenommen. Florian Streibl gehört dazu, der Sohn des früheren Ministerpräsidenten, oder Alexander Muthmann, der ehemalige Landrat von Freyung-Grafenau. An Aiwanger selbst wird freilich nicht gezweifelt, die Parteifreien wissen, dass sie den Einzug in den Landtag vor allem ihm zu verdanken haben.

Profilierte Kommunalpolitiker gibt es einige in der Fraktion, aber der Landtag ist eben doch kein Gemeinderat. Die Suche nach pragmatischen Lösungen, wie sie die Freien Wähler verstehen, gleicht im Maximilianeum eher der absoluten Inkonsequenz. Da gibt es keinen Fraktionszwang, jeder frei gewählte Abgeordnete soll abstimmen können, wie er will. Was allerdings dazu führt, dass die Freien Wähler bei einigen Themen gegensätzliche Positionen vertreten. Beim Rauchverbot war es beispielsweise so. Aiwanger erklärt auch das als positiven Zug. "Die breite Masse will keine Extreme", sagt er. Was die einen als Profillosigkeit kritisieren, das nennt er eine Eigenschaft, die die Parteifreien für alle wählbar mache.

Knapp 40.000 Mitglieder haben die Freien Wähler in Bayern, sie stellen mehr als 500 Bürgermeister und 15 Landräte. Zwei von ihnen sind Johann Fleschhut im Ostallgäu und Leo Schrell im Landkreis Dillingen. "Der Einstieg in die Landespolitik war historisch, und er hat uns vorangebracht", betont Fleschhut. Als ausschließlich kommunale Wählergruppe ohne Anbindung an die Landespolitik wäre man in der veränderten Parteienlandschaft auf Dauer nicht überlebensfähig gewesen, glaubt er. Aber er ist sich mit seinem Kollegen Schrell einig, dass nichts so gut ist, dass es nicht noch besser werden könne, vor allem was das Profil der Landtagsfraktion angeht. Und Peter Gietl, FW-Stadtrat in Ingolstadt und 2006 Aiwangers Konkurrent um den Landesvorsitz, sagt: "Unsere Positionierung im Landtag muss klar sein. Wir werden nur mit guter Oppositionsarbeit draußen wahrgenommen."

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