Süddeutsche Zeitung

Freie Wähler:"Ich wünsche jedem viel Spaß, wenn er mein Pensum übernehmen will"

Hubert Aiwanger ist umstritten in seiner Partei - zu eigen, zu laut, zu rechts, findet mancher. Wird bei den Freien Wählern also bald der Aufstand geprobt?

Von Lisa Schnell

Hubert Aiwanger scheint eine Person mit vielen Facetten zu sein. Der Chef der Freien Wähler (FW) ist offen für andere Meinungen und doch beratungsresistent, rechts von der CSU und gleichzeitig ein Mann der Mitte, unangefochten in seiner Partei und doch umstritten. Wer sich bei den Freien Wählern im Landtag umhört, könnte den Eindruck bekommen, es gebe zwei Aiwangers. Wahrscheinlicher aber ist, dass nicht Aiwangers Persönlichkeit gespalten ist, sondern die Fraktion.

"Der Riss geht genau durch die Mitte", sagt ein Mitglied. Am deutlichsten wird dieser Riss bei der Flüchtlingspolitik. Gerade erst verkündete Alexander Muthmann medienwirksam, dass er 2018 nicht mehr für den Landtag kandidieren wird, weil ihm Aiwanger zu nah an der AfD sei. Dass seine Kritik ausführlichst in den Zeitungen zu lesen war, findet kaum jemand gut in der Fraktion.

Nicht wenige aber teilen Muthmanns Einschätzung, dass Aiwangers Kurs für viele Freie Wähler zu rechts sei. Die einen berichten davon, dass ihnen deshalb vor Ort die Anhänger in Scharen davon laufen, die anderen sagen, näher an der Basis als Aiwanger sei keiner. Wie uneins die Partei ist, zeigt sich an Abstimmungen in der Fraktion zur Integrationspolitik, die meist sehr knapp ausfallen. Aber auch an der Charakterisierung des "großen Vorsitzenden", wie Aiwanger auch genannt wird, der Bundes-, Landes- und Fraktionsvorsitzender in einer Person ist.

Aiwanger kann integrieren, hat eine demokratische Ader, rackert sich ab für die Partei und kann Bierzelt wie kein anderer. Wenn ihm mal eine ungeschickte Bemerkung rausrutscht, dann meint er das eigentlich nicht so. So reden die einen über ihn. Bierzeltchampion und hoch engagiert, das gestehen Aiwanger auch seine Kritiker zu. Ansonsten fällt ihre Beschreibung nicht ganz so wohlwollend aus. Viel zu lasch sei Aiwanger mit dem Landtagsabgeordneten Günther Felbinger umgegangen, der sich vor Gericht verantworten muss, weil er den Landtag um Geld betrogen haben soll.

Umso härter gehe er dafür oft über die Interessen der eigenen Fraktion hinweg. Als Beispiele dienen Aiwangers Aussagen zu einer Koalition mit der CSU oder einem dritten Nationalpark. "Er sagt schnell was und bespricht es nicht. Das ist das Problem", sagt ein Abgeordneter. Und wenn er die CSU rechts überhole, dann doch eher aus Überzeugung als aus Versehen. Dass Aiwanger mal von seiner Meinung abweiche, sei außerdem so wahrscheinlich wie der Einzug der FW in den Bundestag. Es würde der Partei deshalb gut tun, wenn es nicht nur einen großen Vorsitzenden gebe, sondern mehrere Stimmen.

Wird also bald der Aufstand geprobt? Eine Gelegenheit gäbe es nach der Bundestagswahl, wenn das Ergebnis für die FW so ausgeht, wie es die meisten erwarten: miserabel. Da aber niemand ernsthaft mit einem Erfolg rechnet, glaubt bis auf ein paar wenige keiner an Personaldebatten. "Ein Jahr vor der Landtagswahl wäre das politischer Selbstmord", sagt Hans Jürgen Fahn.

Außerdem brauche es ja auch immer einen Gegenkandidaten. Doch selbst im Februar 2016 bei der Wahl zum Fraktionsvorsitz stand niemand auf. Damals war der Richtungsstreit um die Asylpolitik auf dem Höhepunkt angelangt. Aiwanger spürte den Gegenwind mit drei Gegenstimmen und drei Enthaltungen - und das sogar ohne Gegenkandidaten.

Das Amt des Fraktionsvorsitzes wird in der Partei vor allem Thorsten Glauber, Michael Piazolo und Florian Streibl zugetraut. Manche von Aiwangers Kritikern hoffen aber auf einen Überraschungskandidaten: TV-Richter Alexander Hold, der schon als Bundespräsidentenkandidat der FW angetreten ist. Wenn er sich für eine politsche Karriere entscheide, könne er für Aiwanger eine wirkliche Konkurrenz werden, heißt es. Er würde zudem den liberalen Flügel stärken, der durch den Rückzug von Peter Meyer, Karl Vetter und Alexander Muthmann geschwächt werde. Alle drei wollen nicht mehr für den Landtag kandidieren.

Und was sagt Aiwanger? "Ich wünsche jedem viel Spaß, wenn er mein Pensum übernehmen will. Bitteschön." Er habe nie behauptet, seine Ämter bis an sein Lebensende ausüben zu wollen, so schlecht habe er es aber bis jetzt nicht gemacht. Und das, obwohl sein Job nicht weniger als die Quadratur des Kreises erfordere.

Die FW setzen sich aus Wählergemeinschaften der unterschiedlichsten Richtungen zusammen. Mit Aiwanger schafften sie den Einzug in den Landtag. Andere Parteien, die klar links oder rechts ausgerichtet sind, hätten es leichter, sagt Aiwanger. "Es ist meine Kunst, auszubalancieren und trotzdem bei den politischen Debatten dabei zu sein."

Um das zu schaffen, müsse er sich auch mal frühzeitig positionieren, selbst wenn das Thema noch nicht ausführlich besprochen wurde. Sonst laufe die politische Debatte ohne die FW, wie lange beim Thema Asyl. Hier sei es seiner Ansicht nach genau richtig gewesen, den Kurs nicht weiter links zu wählen. "Hätte ich nur Integration und mehr Geld gerufen, hätten wir die Basis verloren." Niemand habe so eine Rückendeckung bei den Leuten wie er. Dass es in der Partei auch einen liberalen Flügel gibt, der seinen Kurs kritisiert, ist für ihn ein Zeichen dafür, dass die Freien Wähler eine Partei der Mitte seien.

Ganz so positiv sehen das aber längst nicht alle. Die Dauerspannung führe zu einer ständigen Unzufriedenheit, sagt ein Abgeordneter. Zwar wolle derzeit jeder einen Krach vermeiden, die Frage sei nur, ob das gelinge. Ob es die FW wenigstens bis zur Bundestagswahl ohne weiteren Zoff schaffen? Etwa die Hälfte ist sich da nicht so sicher.

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SZ vom 26.06.2017/vewo
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