Frauenclub in Kempten:Mit Aufklärung gegen K.-o.-Tropfen

Getränke an einer Bar, 2009

Augen auf und ins Glas schauen - wenn man unsicher ist, ob jemand etwas hineingemixt haben könnte, lieber vorsichtshalber stehen lassen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Eine Flüssigkeit, die nicht riecht und nicht schmeckt: Nicole Sattler aus Kempten warnt gemeinsam mit zehn Freundinnen junge Menschen mit Flyern und Gesprächen vor K.-o.-Tropfen. Gefährlich sind sie nicht nur für Frauen.

Von Dietrich Mittler, Kempten

Jugendliche ahnen oft gar nicht, welchen Gefahren sie sich bei Partys oder Disco-Besuchen aussetzen. Häufiger, als es je ans Licht dringen wird, versuchen skrupellose Täter, ihre Opfer mit K.-o.-Tropfen willenlos zu machen, um sie ausrauben oder sexuell missbrauchen zu können. Im Allgäu haben es sich elf Frauen, organisiert im "Ladies Circle", zur Aufgabe gemacht, vor dieser Gefahr zu warnen. Nicole Sattler ist die derzeitige Vorsitzende der Ladies in Kempten.

SZ: Hätten Sie je gedacht, dass die Gefahrenlage im Allgäu so hoch ist?

Nicole Sattler: Nein. Wir dachten, das ist hier eine ländliche Gegend, in der man zwar die Leute über die Risiken aufklären muss. Aber dann bekamen wir unglaublich viele Rückmeldungen von Bekannten und fremden Menschen, die schlechte Erfahrungen mit K.-o.-Tropfen gemacht haben.

Wie verhalten Sie sich auf einer Party?

Ich gehe grundsätzlich nicht alleine feiern, sondern nur mit Freunden, denen ich vertraue. Ich würde auch nie mein Glas irgendwo stehen lassen, sondern ich nehme es mit auf die Tanzfläche. Und wenn jemand von uns eine Bekanntschaft macht, dann geben wir den anderen Bescheid. Grundsätzlich aber lautet der Leitspruch: Zusammen feiern und zusammen wieder gehen.

Ist so viel Aufwand wirklich geboten?

Auf jeden Fall. Darauf weisen wir auch bei Schulbesuchen immer wieder hin. Dieser Aufwand vermeidet viel Leid.

Was kann zum Beispiel passieren?

Der aus meiner Sicht krasseste Fall ist einem Pärchen passiert. Da hat der Mann das präparierte Getränk zu sich genommen. Hätte die Frau - wie von den Tätern wohl beabsichtigt - das Glas leer getrunken, dann hätte sie diese Dosis nicht überlebt. Der Mann muss jetzt ein Leben lang Medikamente einnehmen.

Gibt es denn gar keine verräterischen Hinweise auf K.-o.-Tropfen?

Nein, die Substanzen sind farb- und geruchlos.

Wo ist besondere Vorsicht geboten?

Nun, das kann einem überall passieren - in einem Restaurant, bei einer Strandparty im Urlaub, in irgendeinem netten Café. Man schaut nur einen kurzen Augenblick weg, und schon ist etwas im Kaffee drin.

Sie verteilen Flyer. Was steht da drin?

Ganz einfache Verhaltensregeln: Lass dein Glas nie unbeobachtet. Wenn du unsicher bist, dann lass es stehen. Nimm keine offenen Getränke von Leuten an, denen du nicht vertraust. Sprich sofort mit deinen Freunden oder notfalls auch mit dem Personal der Disco, wenn dir etwas Ungewöhnliches an deinem Verhalten oder an deinem körperlichen Befinden auffällt.

Frauenclub in Kempten: Genau ein Jahr lang vertritt die 30-jährige Wertpapier-Händlerin Nicole Sattler als Vorsitzende den wohltätigen Frauenclub "Ladies Circle 19 Kempten".

Genau ein Jahr lang vertritt die 30-jährige Wertpapier-Händlerin Nicole Sattler als Vorsitzende den wohltätigen Frauenclub "Ladies Circle 19 Kempten".

(Foto: oh)

Geht das überhaupt, wenn die Tropfen zu wirken beginnen?

Es gibt einen Übergangszeitraum. Die Betroffenen merken, irgendetwas ist jetzt komisch. Die meisten schieben das leider darauf, dass sie Alkohol zu sich genommen haben. Oder sie glauben, das kommt von der ausgelassenen Partystimmung um sie herum. Das ist schlimm, denn genau das wäre der Zeitraum, in dem sich die Opfer noch an Helfer wenden könnten. Kurz darauf verfallen sie in einen ungehemmten Zustand, an den sie sich später nicht mehr erinnern. Schon deshalb werden solche Vorfälle oft nicht der Polizei gemeldet.

Die Opfer sind meistens weiblich, oder?

Etliche Männer fühlen sich selbst weniger betroffen, aber das ist ein Irrtum. Meine Eltern zum Beispiel haben einen Bekannten, der wurde mit K.-o.-Tropfen betäubt und anschließend ausgeraubt.

Lady-Circle, das hört sich etwas elitär an. Ist das so?

Nein, wir sind elf ganz normale Leute. Wir gehen alle arbeiten, da hat keine von uns zu viel Geld übrig. Wir wollen uns einfach nur für eine gute Sache einsetzen. Und sei es, dass wir uns bei Eis und Schnee - so wie andere Ladies in Deutschland auch - bei uns in Kempten in die Fußgängerzone stellen und Leute über K.-o.-Tropfen aufklären.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: