Süddeutsche Zeitung

Franz Josef Strauß:Einer der nahm, was er kriegen konnte

Franz Josef Strauß war als Politiker verschlagen und prinzipienlos. Die CSU schwelgt dennoch gern in verklärten Erinnerungen - und wird sich auch von der Forderung, den Flughafen umzubenennen, nicht beirren lassen.

Kommentar von Heribert Prantl

Vor 700 Jahren wurde der Herzog von Oberbayern erst zum römisch-deutschen König und später zum Kaiser gewählt: "Ludwig der Bayer" - auf ihn bezieht sich der Spruch "Wir sind Kaiser". In seiner republikanischen Fassung heißt er "Mia san mia".

Diesem Motto und zeitweise auch der CSU hat der vor hundert Jahren geborene Franz Josef Strauß zu fast universaler Geltung verholfen. Es gab außerhalb Bayerns oft Versuche, das sich darin spiegelnde bayerische Selbstverständnis, das sich auf Geschichte und Geschichten gründet, als hohl zu entlarven; der Spiegel widmet diesem Versuch soeben aus Anlass des bevorstehenden Strauß-Geburtstags sein Heft; der Spiegel hat darin allerdings viel vergessen.

Dazu gehörte der Hinweis, dass den großen Kaiser und den großen Politiker außer dem Stolz ihrer Nachfahren auch noch das Ende verbindet, das sie gefunden haben: Beide starben auf der Jagd; der eine bei Fürstenfeldbruck, der andere bei Regensburg. Wer solche Gemeinsamkeiten verachtet, kann Bayern nicht verstehen.

"Er nahm was er kriegen konnte, und bekam reichlich."

Stattdessen steckt das Nachrichtenmagazin stachelige Disteln in den Geburtstagsstrauß für Strauß; es sind Disteln, die der Journalist Peter Siebenmorgen bei den Recherchen für seine Strauß-Biografie entdeckt hat. Sie belegen, was ein anderer Strauß-Kenner, der frühere SZ-Journalist Michael Stiller in seiner Analyse des "Systems Strauß" schon vor fünfzehn Jahren analysiert hat: "Der Freund der Industrie nahm, was er kriegen konnte, und er bekam reichlich - für die CSU und für sich selbst. Die Grenzen waren bei ihm fließend, und seinen ergebenen Anhängern war das ziemlich egal."

Strauß hat, für echte und angebliche Beratungstätigkeiten und auf vielerlei Weise, unendlich viel Geld kassiert: Da gab es geheimnisvolle Sonderkonten, da wurden von Strauß und der CSU die Firmen angezapft wie die Banzen auf dem Oktoberfest. Straußens Anhänger, die posthum schon gar nichts mehr umwirft, werden ihn deswegen nicht für korrupt, sondern für Robin Hood halten.

Entwidmung des FJS-Flughafens? Dabei ist er doch unfallfrei geflogen.

Es waren andere Zeiten damals. Aber auch in diesen anderen Zeiten war Strauß ein Solitär - im guten und im schlechten Sinn. Strauß war ein orgiastischer Politiker: verschlagen und prinzipienlos nannten ihn seine Feinde, unorthodox und flexibel seine Anhänger. Beide hatten recht. Strauß hatte seine Verdienste, er hatte seine Skandale, er hatte sein Spezl-System. Wahrscheinlich hat Strauß beim großen Geldkassieren nicht einmal Gesetze verletzt; die waren damals biegsam; er hat sie, mit Hilfe von Justiz und Finanzbehörden, dehnen lassen.

Die CSU von heute hat mit der CSU zu Straußens Zeiten nur noch wenig gemein. Besser ist sie deshalb nicht geworden. Erfolgreicher auch nicht. Sie torkelt durch die Politik und schwelgt in verklärten Erinnerungen. Bei den 100-Jahr-Feiern wird sie sich von den Stacheln in den Sträußen nicht stören lassen; auch nicht von den albernen Forderungen der FDP, den Münchner Flughafen umzubenennen. Immerhin ist Strauß, neben anderen Verdiensten um die Luftfahrt, unfallfrei geflogen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2617993
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.08.2015/axi
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.