Süddeutsche Zeitung

Franz-Josef-Strauß-Biographie:Einer gegen alle

Nach der Amtszeit von Ministerpräsident Goppel waren in Bayern Männer an der Macht, die nicht in erster Linie dem Staat dienten - das schreibt ein Steuerfahnder, der den Mythos Strauß entzaubern will.

Simon Pfanzelt

Als im vergangenen Sommer in Berlin eine Ausstellung der Wachsfiguren von Madame Tussauds eröffnet wurde, war die Aufregung groß: Franz Josef Strauß stand in der Abteilung der "Bösewichte". Spitzenpolitiker der CSU erregten sich darüber. Eine "Sauerei" sei das, schimpfte der damalige Vorsitzende Erwin Huber. Strauß-Sohn Max kündigte an, man werde "dagegen vorgehen". Einer hingegen sah Strauß genau in die richtige Ecke gestellt: Wilhelm Schlötterer, ehemaliger Steuerfahnder in der bayerischen Finanzverwaltung, CSU-Mitglied seit 34 Jahren und nun Buchautor.

Sein gestern im Literaturhaus München vorgestelltes Buch "Macht und Missbrauch. Franz Josef Strauß und seine Nachfolger, Aufzeichnungen eines Finanzbeamten" aus dem Fackelträger Verlag ist der Versuch, den Mythos Strauß zu entzaubern. Die CSU müsse sich von Übervater Strauß endlich distanzieren, fordert Schlötterer.

Keine Staatsdiener in den Ämtern

Die Kernthese des Autors: Nach der Amtszeit von Ministerpräsident Alfons Goppel waren in Bayern Männer an der Macht, die nicht in erster Linie dem Staat dienten, sondern sich selbst und ihren Freunden. Der Autor, mittlerweile 70 Jahre alt, stützt sich auf Erlebnisse, die ihm in seinem langen Berufsleben widerfahren sind. Prägend für den jungen Finanzbeamten war, wie die CSU im Verein mit dem bayerischen Fiskus dem Fußballspieler Franz Beckenbauer ermöglichte, Steuern zu hinterziehen und sein Geld in die Schweiz zu transferieren.

Hilfreich beraten wurde Beckenbauer damals vom CSU-Fraktionschef im Landtag und späteren Finanzminister Ludwig Huber. Schlötterer sagt, dieses Verhalten sei "von ganz oben" gedeckt gewesen, also von Franz Josef Strauß. Als der Finanzbeamte Schlötterer dagegen vorgehen wollte, wurde er massiv behindert, ihm wurde sogar eine Strafversetzung angedroht. Lange glaubte keiner so recht den Vorwürfen des aufrechten Finanzbeamten - bis Beckenbauer das ein paar Jahre später in einem Buch selbst ausbreitete.

"Kreative Finanzgestaltung"

Der Finanzbeamte Schlötterer litt darunter, dass er die Großen laufen lassen musste, während kleine Baggerfahrer, die 2000 Mark Zinsen aus einem Bausparvertrag nicht bei der Steuer angegeben hatten, verfolgt wurden. Schlötterer bringt eine ganze Reihe von Beispielen für die von höchsten Regierungskreisen ermöglichte kreative Finanzgestaltung der oberen Zehntausend in Bayern. Franz Josef Strauß warnte sogar seinen Freund und "Bäderkönig" Eduard Zwick aus Bad Füssing, dass gegen ihn ein Haftbefehl erlassen wurde. Zwick konnte rechtzeitig in die Schweiz fliehen.

Auch Steuerstrafverfahren gegen den "Wienerwald"-Besitzer Friedrich Jahn wurden eingestellt, weil Staat und Staatsanwalt laut einer Aktennotiz verhindern wollten, "dass die Angelegenheit Gegenstand einer breiten Öffentlichkeit werde". Diese Ereignisse bestärkten Schlötterer in seiner Überzeugung, dass Franz Josef Strauß von einem "Ruch der Korruption" umweht war, wie das sogar das Landgericht München festgestellt hatte. Schlötterer beschreibt sich in dem Buch als Einzelkämpfer, der im Alleingang versuchte, in der bayerischen Finanzverwaltung Recht und Gesetz durchzusetzen. Dabei sieht er sich in der Rolle des Unerbittlichen und zitiert sogar SPD und Grüne, die erklärt hatten, Schlötterer habe eine eigene Seite in den Sozialkundebüchern verdient.

Der Autor zeichnet ein wahres Panoptikum bayerischer Sitten und Finanzgebräuche - allerdings liegen diese Ereignisse lange zurück und sind oft schon bekannt. Damals, in den siebziger und achtziger Jahren, als FJS noch in sehr eigener Manier Bayern regierte, schien die Finanzverwaltung nur ein verlängerter Arm des Amigo-Systems zu sein. Doch seitdem hat sich in Bayern vieles verändert: Schon Edmund Stoiber rief die neue Sachlichkeit aus, gegen Steuersünder aus dem Straußschen Freundeskreis ging die Justiz danach streng vor. Und der Finanzminister kümmert sich heute lieber um die Rettung von Quelle als um den Schutz von CSU-treuen Steuersündern.

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Quelle:
SZ vom 10.7.2009
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