Frankenwein:Weg mit der altdeutschen Wampe

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Das Design des Bocksbeutels schreckt die Kundschaft ab.

(Foto: Imago)

Der Bocksbeutel ist ungefähr so trendig wie Butzenscheiben. Nun hat der Designer Peter Schmidt der Flasche eine neue Form verpasst.

Von Katja Auer, Veitshöchheim

Die Zeit der Bescheidenheit ist vorbei. Definitiv. Am Freitag hat das fränkische Selbstbewusstsein Gestalt angenommen, und zwar die einer Flasche. Das ist keinesfalls ironisch gemeint, genauso haben es die Verantwortlichen kommuniziert, die den neuen Bocksbeutel in der bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau präsentierten.

Nun sieht die Flasche freilich nicht gänzlich anders aus. Ein bisschen schmaler ist sie geworden, nicht mehr so kugelig und die Schultern hat ihr Designer Peter Schmidt abgeschliffen. Wie ein Bocksbeutel sieht sie immer noch aus, der Wiedererkennungswert sollte bleiben. Nicht allerdings die Assoziation, die viele Leute mit der traditionellen Frankenwein-Flasche verbinden. "Sie wirkte so kauzig", sagt Schmidt. Damit drückt er sich noch zurückhaltend aus. Längst gibt es junge Winzer in Franken, die ihre Weine nicht mehr in Bocksbeutel abfüllen, weil sie eben nicht wollen, dass ihre Kunden ihr Produkt mit jener 80er-Jahre-Spießigkeit verbinden, die dem Bocksbeutel anhaftet wie dem Toast Hawaii oder flaschengrünen Vorhangquasten.

Die Hamburger Freunde mochten den Frankenwein nicht - wegen der Flasche

Peter Schmidt hat es selbst erlebt. Bevor der Mann ein international anerkannter Designer wurde, wuchs er in Bayreuth auf. Sein Vater sei ein Liebhaber des Frankenweins gewesen, sagt er, also nahm auch er selbst den Wein mit, als er nach Hamburg umzog. "Aber er kam nicht an", sagt er. Gelitten habe er, erzählt er, und den Freunden immer wieder Frankenwein angeboten. Aber die mochten ihn einfach nicht. Der Flasche wegen, zu staubig, zu altbacken. Irgendwann hat Peter Schmidt dann Weine aus Italien bestellt.

Aber der Bocksbeutel hat ihn nicht losgelassen. Als die fränkischen Weinvertreter eines Tages bei ihm anklopften, weil sie ihn als Botschafter für den Frankenwein in Hamburg gewinnen wollten, sagte Schmidt zu - wenn sich etwas ändere. Der Mann hat die Apollinaris-Flasche entworfen und die Lila Kuh, er hat Parfumflakons für die großen Unternehmen designt und das Logo der Bundeswehr. Jetzt also den Bocksbeutel PS - PS wie Peter Schmidt.

Der Designer ließ sich aufpäppeln für die Präsentation - aus sentimentalen Gründen

"Die Hauptsache war, der Flasche Merkmale zu geben, die sich mehr einprägen als die jetzigen", sagte er bei der Präsentation der Flasche am Freitag. Beinahe hätte er es gar nicht nach Veitshöchheim geschafft, er war krank geworden und wollte den Besuch in Franken schon absagen. Weil dort aber seit Wochen ein Riesentamtam um den neuen Bocksbeutel gemacht wird und das Geheimnis um die neue Flasche strenger gehütet wurde als die Kronjuwelen der Wittelsbacher, kam Schmidt doch. Tags zuvor konnte man ihn beim Arzt erreichen, wo er sich gerade etwas aufpäppeln ließ. "Das hat schon auch etwas Sentimentales" sagte er, und der oberfränkische Zungenschlag ist nach Jahrzehnten in Hamburg noch zu hören. Mit seinem Vater sei er als Kind immer wieder mal in Veitshöchheim gewesen. Gerade ist Schmidt 78 Jahre alt geworden.

Frankenwein: Von der Seite sieht die neue Flasche viel schlanker aus.

Von der Seite sieht die neue Flasche viel schlanker aus.

(Foto: Rolf Nachbar)

"Das war ein wunderbarer Zufall", sagt Arthur Steinmann, der Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes. Eigentlich habe man Schmidt 2011 nur für eine Veranstaltung gewinnen wollen, aber dass dieser sich dann gleich der Flasche angenommen habe - ganz wunderbar. Zwar hat sich der Bocksbeutel über die Jahre immer wieder verändert, ein bisschen wenigstens, mal wurde er ein wenig runder, mal etwas länger, aber grundlegend überarbeitet wurde er nie. Die letzte Neuerung sei die Einführung des Schraubverschlusses vor ein paar Jahren gewesen, sagt Steinmann, eigentlich seien immer technische Veränderungen der Grund gewesen, wenn der Bocksbeutel etwas variiert wurde. Aber diesmal ging es zum ersten Mal um das Design. Schöner sollte die Flasche werden, schlanker, eleganter. "Es ist mehr eine Ikone als eine Verpackung", sagt Steinmann.

Eine Flasche wie das Gemächt des Ziegenbocks

Frankenwein: Peter Schmidt ist mehr als 150 Mal ausgezeichnet worden.

Peter Schmidt ist mehr als 150 Mal ausgezeichnet worden.

(Foto: dpa)

Gleich der erste Entwurf von Schmidt sei gut angekommen, sagt Steinmann, "das hätten wir am liebsten genauso übernommen." Allerdings mussten erst noch einige Widrigkeiten überwunden werden, bis die Flasche in Serie produziert werden konnte. Denn sie sollte nicht nur schön aussehen, sondern auch gut funktionieren. Vier Jahre dauerte es schließlich, bis man sich auch mit der Glasindustrie einig war, wie die Flasche hergestellt werden könnte. Nicht zu dünnwandig, nicht zu schmal des Standes wegen, solche Fragen mussten geklärt werden. Und alles streng geheim.

Auch wenn mancher nun auf den ersten Blick gar keinen so großen Unterschied erkennen mag, so ist das neue Design doch eine Zäsur in der langen Geschichte des Bocksbeutels, dessen Vorläufer schon in der Antike gebräuchlich waren: plattgedrückte Kugelgefäße mit flachem Stehboden und kurzem Röhrenhals. Die älteste derartige Flasche, ein keltisches Tongefäß aus der Zeit um 1400 vor Christus, wurde tatsächlich auf fränkischem Boden gefunden, in der Nähe von Wenigumstadt im Landkreis Aschaffenburg. Das Stück ist im Mainfränkischen Museum in Würzburg ausgestellt.

Die Römer, die ja auch nach Franken kamen, wenngleich wohl nicht in erster Linie des Weines wegen, benutzten ebenfalls die Bocksbeutel-Form etwa bei der Pilgerflasche, die flach und rund war und sich mit kleinen Henkeln am Flaschenhals am Gürtel befestigen ließ. Noch im Mittelalter war diese Trinkflasche populär, erst im 15. Jahrhundert wurde sie von der gläsernen Weinflasche abgelöst und wandelte sich zum Abfüllgefäß für Wein.

Frankenwein: Der Fränkische Weinbauverband hat deshalb die berühmte, aber gleichermaßen verstaubte Form überarbeiten und modernisieren lassen.

Der Fränkische Weinbauverband hat deshalb die berühmte, aber gleichermaßen verstaubte Form überarbeiten und modernisieren lassen.

(Foto: dpa)

15 Millionen Bocksbeutel füllen die fränkischen Winzer jedes Jahr ab

Seinen Namen hat der Bocksbeutel vom Ziegenbock, dessen Gemächt eine frappierende Ähnlichkeit mit der rustikalen Flasche aufweisen soll.

Gut 15 Millionen Bocksbeutel füllen die fränkischen Winzer jedes Jahr mit ihren Weinen, das ist etwa ein Drittel der gesamten Menge. Dabei ist es nicht nur eine Geschmacksfrage, wer seinen Wein in die bauchige Flasche füllt und wer nicht. Es geht auch um Qualität. Nur ein Wein mit einem Mostgewicht von mindestens 72 Oechsle darf in Bocksbeutel gefüllt werden. "Das ist die einzige Flaschenform, die ein Mindestmaß an Qualität verspricht", sagt Arthur Steinmann. Umso wichtiger ist es ihm, dass die neue Flasche nun auch danach aussieht.

Denn tatsächlich hat der Frankenwein immer noch ein Imageproblem. Oftmals zu Unrecht, werden doch im Norden Bayerns längst hochwertige und vielfach prämierte Weine angebaut. Dennoch müssensich die Winzer immer noch gegen das alte Klischee vom sauren Wein in verstaubten Flaschen wehren. Wie bei jenem oberbayerischen Abgeordneten, der sich standhaft weigerte, den Wein des staatlichen Hofkellers aus Würzburg zu trinken, den Landtagspräsidentin Barbara Stamm, ebenfalls aus Würzburg, zu offiziellen Gelegenheiten im Parlament ausschenken lässt. Keinesfalls werde er Frankenwein trinken, tat er kund. Der Mann brachte sich zum festlichen Weihnachtsessen lieber seine eigene Flasche Rotwein mit. Italienischen.

In etwa zwei Jahren dürften die meisten Winzer die neue Flasche anbieten

Dennoch werden die Anhänger des Frankenweins zahlreicher, auch in München. Dort soll eine Weinlounge eingerichtet werden, um die Weine aus Franken zu präsentieren. Wann sie eröffnet werden soll, irgendwann Ende des nächsten Jahre vielleicht, steht noch nicht genau fest, auch wenn das politische Hin und Her um diese Vinothek schon Jahre andauert. Doch schon jetzt nimmt auch die Bedeutung des Frankenweins für den Tourismus zu. Immerhin identifiziert sich eine ganze Region mit ihrem Produkt und findige Werbeleute schaffen es inzwischen auch, das so zu vermarkten, dass sich nicht nur Rentnergruppen angesprochen fühlen. Wer etwa zur Zeit der Weinfeste Urlaub an der Mainschleife machen will, muss lange vorher ein Zimmer buchen.

In vielen Betrieben haben die jungen Winzer die Geschäfte übernommen und präsentieren sich zeitgemäßer und frischer. Vielerorts kann der Wein inzwischen in modernen Vinotheken probiert werden, nicht mehr nur in dunklen Weinkellern. Die Weinarchitektur spiele zunehmend eine größere Rolle, sagt Steinmann. Dazu passe nun auch die neue Flasche, die den meisten Winzern gut gefalle, sagt Steinmann. Er rechnet mit einer Dauer von etwa zwei Jahren, bis die meisten Betriebe ihre Abfüllanlagen umgestellt hätten. Die Flasche im alten Design wird aber dennoch nicht abgeschafft, wer sie weiter verwenden möchte, kann das tun. Viele würden das wohl nicht sein, sagt Steinmann. Der Präsident ist richtig stolz. "Franken ist moderner geworden", sagt er. Der neue Bocksbeutel sei dabei nun das letzte Puzzlestück.

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