Identität ist ein Wort, welches den Franken wichtig ist. Leider ist es auch ein Wort, welches die Franken schlecht aussprechen können. Wenn ein Franke außerhalb Frankens von fränkischer ,,Idendidäd'' spricht, erntet er mehr Spott als Verständnis. Welche Tragik! Was eine fränkische Identität überhaupt sein soll, lässt sich ohnehin nur schwer beantworten. Als vor 200 Jahren die fränkischen Gebiete nach und nach an Bayern fielen, gab es keinen einheitlichen fränkischen Staat, sondern nur einen losen Bund von Herrschaftsgebieten. Der "Fränkische Reichskreis" hatte vor allem wirtschaftliche Ziele verfolgt. Ein echtes fränkisches Gemeinschaftsgefühl aber war nicht entstanden. Die politische, räumliche und konfessionelle Zersplitterung sind dann auch Gründe, warum "Franken" relativ geräuschlos an Bayern fallen konnte.
Barwasser alias Erwin Pelzig: Der Süden boomt, der Norden kämpft
(Foto: Foto: ddp)Die historisch gewachsene Kleinteiligkeit Frankens war also einerseits eine Schwäche ("fränkisch ist zänkisch"), andererseits aber auch eine Stärke, die in großer kultureller Vielfalt zum Ausdruck kam. Das erschwert die Identitätssuche bis heute: "Franken ist kein flächenhafter Zustand, sondern eine Summe regionaler Binnendifferenzen", sagt Hartmut Heller, Professor für Landes- und Volkskunde in Erlangen.
Möglicherweise geht es ja heute bei der Suche nach einer "fränkischen Identität" auch weniger um die Frage, wer und was man ist, sondern vielmehr darum, wer und was man nicht sein will: nämlich Bayern. Das mag woanders belächelt werden, sollte aber dennoch Verständnis finden. Pseudobajuwarischer Neo-Seppilismus gilt als Exportschlager, und kein anderer deutscher Volksstamm prägt das internationale Bild der Deutschen dadurch so nachhaltig und einseitig wie die Bayern.
Das kann den Kölnern, Berlinern und Hamburgern egal sein, weil sie ja wissen, dass sie Kölner, Berliner und Hamburger sind. Für die Franken ist es ärgerlich: Sie sind politisch gesehen Bayern, aber wenn Bayern gelobt wird oder sich selbst lobt (was noch häufiger vorkommt), sind sie zwar betroffen, jedoch gar nicht gemeint.
Unzufrieden mit "München"
Die Unzufriedenheit mit "München" hat aber noch mehr Gründe. War Franken einmal der Motor der bayerischen Wirtschaft, hat sich die Situation inzwischen umgekehrt: Der Süden boomt, der Norden kämpft. Bei den Arbeitslosenzahlen gibt es ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Auch Forschung und Wissenschaft beklagen die finanzielle Bevorzugung des Südens.
Zum Streit kommt es regelmäßig, wenn gefordert wird, die nach der Säkularisation 1803 in Münchner Schatzkammern verfrachtete "fränkische Beutekunst" wieder heimkehren zu lassen. Hier schließen sich dann die fränkischen Abgeordneten auch gerne parteiübergreifend zusammen. Die Liste der Vorwürfe ist im Laufe der Zeit immer länger geworden und reicht von allgemeiner Benachteiligung bis hin zum konkreten Vorwurf, dass Franken im Vergleich zu den Bayern häufiger erkrankten oder dass Nazi-Bauwerke in München abgerissen wurden, in Nürnberg jedoch unter Denkmalschutz gestellt worden seien.
Bei einer scheinbar so großen Unzufriedenheit verwundert es dann schon, dass sich bislang kein radikaler Widerstand gegen die Bayern entwickelt hat. Als kürzlich die Rentenversicherungen von Unter-, Ober- und Mittelfranken zur "Rentenversicherung Nordbayern" umbenannt worden sind, mokierten sich die fränkische SPD-Bundestagsabgeordnete Renate Schmidt und ihr Landtagskollege Wolfgang Hoderlein über den mangelnden Lokalpatriotismus in Franken, wo die Umbenennung auf zu schwachen Widerstand gestoßen sei.