Franken:Mit Snack-Gemüse auf die Erfolgsspur

Gemuesebetrieb Muschler in Nürnberg

Familie Muschler aus dem Nürnberger Knoblauchsland betreibt das größte Gewächshaus für Snack-Gemüse in Deutschland.

(Foto: Peter Roggenthin)

Familie Muschler aus dem Nürnberger Knoblauchsland baut Mini-Gemüse an. Mit Erfolg: Ihr Gewächshaus ist eines der größten in Deutschland.

Von Magdalena Hechtel, Nürnberg

Wer das riesige Gewächshaus betritt, wird schlagartig in den Hochsommer versetzt. 27 Grad beträgt die Temperatur, die Luft ist schwül und stickig. Die ganze Größe der Halle lässt sich nur schwer abschätzen. Dünne weiße Schnüre spannen sich vom Dach zum Boden, an ihnen entlang wachsen aus vielen parallelen Rinnen am Boden saftige grüne Pflanzen nach oben. Über das Dach fliegt hin und wieder ein Flugzeug im Tiefflug hinweg - kein Wunder, liegt doch der Nürnberger Flughafen mitten im Nürnberger Knoblauchsland, einem der größten Gemüseanbaugebiete Deutschlands.

Das gewaltige Gewächshaus gehört der Familie Muschler und ist der größte Snack-Anbaubetrieb Deutschlands. Der Neubau im Nürnberger Stadtteil Wetzendorf ist nicht ganz leicht zu finden. Man muss sich schon trauen, rechts von der Straße auf einen provisorischen Schotterweg abzubiegen, um zu ihm zu gelangen. Dafür bemerkt man schnell, dass man sein Ziel erreicht hat.

Fünf Personen in gelben T-Shirts mit der Aufschrift "Bayernminis" treten aus der noch unfertigen Halle. Es sind die Muschlers. Neben dem Firmenchef Peter arbeiten dessen Frau Gisela, die beiden Söhne Stefan und Rainer sowie Stefans Frau Sabine in dem Unternehmen.

Mini-Gemüse ist inzwischen gefragt in deutschen Haushalten. Der Boom begann laut Simon Höfler vom Gemüseerzeugerring Knoblauchsland vor etwa drei Jahren. In dem Nürnberger Anbaugebiet ernten fünf Betriebe außer normalgroßen Tomaten, Gurken und Paprikas auch Gemüse im Kleinformat. Tomaten machen mit 87 Prozent den Löwenanteil des in Deutschland verkauften Snack-Gemüses aus, acht Prozent sind Gurken, der Rest entfällt auf Karotten oder eben Paprika.

Zwischen 2012 und 2015 hat sich die Menge des verkauften Mini-Gemüses verdreifacht, in einem Viertel aller deutschen Haushalte kam die kleinere Gemüseversion schon einmal auf den Tisch.

Doch warum kaufen immer mehr Menschen Gemüse im Miniaturformat? Für Höfler, der selbst Snack-Gurken anbaut, liegt das am Trend zu gesunder Ernährung. "Früher haben die Leute Süßigkeiten gegessen, heute eben Gemüse", sagt Höfler. Die Studie eines niederländischen Marktforschers gibt ihm recht. Wer zu Snack-Gemüse statt zu Süßigkeiten greift, fühlt sich besser. Neben dem Gesundheitseffekt haben die Mini-Paprikas einen weiteren Vorteil: Sie enthalten kaum Kerne und sind damit leichter zu essen - praktisch für unterwegs.

Das erklärt auch die Hauptkonsumzeit von Mini-Gemüse: nachmittags, um den Leerlauf zwischen Mittag- und Abendessen zu überbrücken. Hinzu kommt, dass die kleinen Züchtungen süßer schmecken als ihre großen Verwandten, eine Entwicklung, die sich laut Hans-Christoph Behr von der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft in Bonn bei nahezu jeder Gemüsesorte feststellen lässt. Anders als bitteres Obst und Gemüse, wie Grapefruit oder Endiviensalat, seien süße Produkte mehrheitsfähig.

Alles auf die Mini-Karte gesetzt

Bei den Muschlers im Knoblauchsland kam die Idee für den Anbau von Snack-Paprikas von der Chefin Gisela. Die Familie beschloss daraufhin, alles auf eine Karte zu setzen, "hopp oder top". Die Muschlers haben Neuland betreten, Erfahrungswerte gibt es kaum. Im Vergleich zu anderen Firmen im Knoblauchsland war ihr Betrieb früher eher klein. Das hat sich inzwischen geändert. 46 500 Paprikapflanzen wachsen in der rund 15 000 Quadratmeter großen Halle.

Die Vergrößerung des Betriebs und eine Umstrukturierung des Konzeptes - von Tomaten und Gurken hin zu Snack-Gemüse, den "Bayernminis" - waren die logischen Schritte, um das Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben. "Die Söhne haben alle Gärtner gelernt", sagt Firmenchef Muschler. Obwohl die Eltern erst wollten, dass sie studieren. Die Entscheidung der beiden bereut aber keiner. "90 Prozent der Zeit ist es schön, als Familie zu arbeiten", sagt Ehefrau Gisela. "Das Schönste und Schlimmste an einem Familienbetrieb ist: Du bist nie allein."

"Wollen Sie mal probieren?", fragt Peter Muschler. Er zeigt auf die grünen Plastikkisten voller orangefarbener Mini-Paprikas und greift sogleich selbst zu. Da ist er nicht der Einzige, während des Gesprächs greift immer wieder eines der Familienmitglieder in die Plastikkiste. Oma Babette Muschler verdrückt schon einmal eine ganze Schale der kleinen Früchte, abends vor dem Fernseher. Gesünder als Chips und Co. sind die Snack-Paprikas auf jeden Fall. Eine Mini-Frucht enthält etwa vier- bis fünfmal so viel Vitamin C wie eine Zitrone und deckt damit den Tagesbedarf eines Kleinkindes.

Mini-Gemüse aus der Region

Zwar gibt es Snack-Paprikas schon länger in deutschen Supermarktregalen, allerdings kommen sie bisher vor allem aus Spanien oder den Niederlanden. Familie Muschler setzt hingegen auf Regionalität. Die Muschlers ernten nur reife Früchte, für den Vertrieb brauchen sie, anders als Spanier und Holländer, den nahegelegenen Flughafen nicht. Schnell zum Verbraucher kommt die Ware trotzdem. Ohnehin ist Umweltschutz der Familie wichtig, das Gewächshaus ist zur Energieeinsparung doppelt verglast, angebaut werden die Pflanzen auf kompostierbarer Kokosfaser.

Durch die Tröpfchenbewässerung erhalten die Pflanzen nur die Menge an Wasser, die sie wirklich benötigen. Der Rest wird über Rinnen abtransportiert und wiederverwendet, ins Grundwasser versickert er nicht. Eine Gärtner-Regel lautet: Wenn die Paprika zufrieden ist, dreht sie ihre Blätter nach oben. Auf den ersten Blick machen das viele Pflanzen in der Halle, es gefällt ihnen offenbar im Knoblauchsland. Und solange sich ihre Snack-Paprikas wohlfühlen, geht es auch den Muschlers gut.

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