Süddeutsche Zeitung

Dialekt:Wenn aus dem Gerupften ein Obazda wird

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Im Norden des Freistaats sind sie sowieso nicht gut auf den Süden zu sprechen. Doch dass in Franken jetzt auch noch das Oberbairische Einzug hält, gleicht einem Sprachverfall.

Glosse von Claudia Henzler

Kilian Moritz ist ein Unterfranke, der durchaus Sympathien für die bairischen Dialekte pflegt. "Ich höre das gerne", sagt er absolut überzeugend. Aber mindestens genauso gerne hört er halt das Rhönfränkische seines Geburtsortes oder auch das Mainfränkische, wie es in Würzburg gesprochen wird. Und deshalb beobachtet er mit wachsender Genervtheit, wie das Oberbairische in Unterfranken immer modischer wird und die Franken ohne Not ihre eigene Sprache abschaffen, wenn sie zum Beispiel in Traditionslokalen "Fleischpflanzerl" und "Obazdn" auf Speisekarten schreiben statt "Fleischküchli" und "Gerupften".

Nun hat der Hochschulprofessor auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt auch noch "ofenfrische Rahmfleckerl" entdeckt, die in völligem Widerspruch zur bairischen Verkleinerungsform als "fränkische Antwort auf Pizza" beworben werden. Das kann man so nicht stehen lassen, fand Moritz und prangerte den Sprachverfall in der Würzburger Mainpost an, die ihm schon vor Jahren den Ehrentitel "Streiter fürs Fränkische" verliehen hat.

Moritz war lange beim Radio, lehrt heute über Medien und weiß um die Macht des öffentlichen Wortes. In den vergangenen Tagen konnte er sich über reichlich positive Zuschriften freuen. Denn der "bayerische Imperialismus", so steht es in einer Mail, stinkt manchem Franken schon lange. Als Sprachpolizist will sich Moritz allerdings nicht verstanden wissen. Sprache sei wandelbar, betont er, niemand müsse Dialekt sprechen. Aber dass die Franken sich einem weißblauen Fremdbild anbiedern und auf Weinfesten Pseudobairisch singen, das müsse doch nun wirklich nicht sein. Er wünscht sich von den Franken mehr Selbstbewusstsein.

Das könnten sie tatsächlich gebrauchen. Es muss ja nicht gleich die Arroganz mancher Oberbayern sein, die Kunden vor der Ladentheke mit einem Schild zurechtweisen ("Bei uns sagt man Grüß Gott") oder abfällig auf Leute herabschauen, deren Vorfahren unverschuldet außerhalb Altbayerns geboren wurden. Auf die Idee, Zugezogene als Main-Preißn zu schmähen, kämen die Franken ohnehin nicht. Eigentlich wäre es schön, wenn sich die Oberbayern auch ein paar Dinge von den Franken abschauen würden.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2018
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