Franken: Beamter veruntreut Geld:Inkasso-Betrieb in eigener Sache

Über Jahre hinweg veruntreute ein Gerichtsvollzieher aus Franken Geld, das er bei Schuldnern eingetrieben hatte - ohne dass die Vorgesetzten etwas mitbekamen.

U. Ritzer

Er ließ die Schecks eines Schuldners statt dessen Gläubigern sich selbst gutschreiben und vom Dienstkonto weg bezahlte er seine Wassergebühren, Kirchensteuer, private Darlehensraten und einmal sogar einen Strafzettel. Über Jahre hinweg veruntreute ein Gerichtsvollzieher aus dem Raum Nürnberg Geld, das er bei Schuldnern eingetrieben hatte. Ohne dass seine Vorgesetzten etwas mitbekamen.

Franken: Beamter veruntreut Geld: Nachdem ein Gerichtsvollzieher Geld veruntreut hatte, wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und verlor seine Pensionsansprüche.

Nachdem ein Gerichtsvollzieher Geld veruntreut hatte, wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und verlor seine Pensionsansprüche.

(Foto: Foto: ddp)

Selbst als konkrete Untreue-Hinweise gegen den 59-Jährigen laut wurden, dauerte es nach Erkenntnissen der Nürnberger Staatsanwaltschaft zehn Monate, ehe die Chefs wirksam eingriffen. Auch dass der Gerichtsvollzieher selbst hochverschuldet war, scheint niemandem aufgefallen zu sein. Inzwischen wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und verlor seine Pensionsansprüche.

Mit mehr als zwei Millionen Euro stand Gustav Wittmann (Name geändert) bei Gläubigern in der Kreide. Vor allem durch Bürgschaften für Immobiliengeschäfte eines Verwandten hatte er sich hoch verschuldet. Was Wittmann allerdings nicht daran hinderte, als Vorsitzender eines Vereins für Schuldnerberatung zu fungieren.

Spätestens von Januar 2003 an griff er nach den Erkenntnissen des Amtsgerichtes Hersbruck kräftig in die Dienstkasse. Einer Bausparkasse erteilte der Gerichtsvollzieher zeitweise sogar eine Einzugsermächtigung, damit sie die monatlichen Raten für seine vier Bausparverträge von dem bei einer Raiffeisenbank geführten Dienstkonto mit der Nummer 2607085 abbuchen konnte.

Die Ermittler stießen später zudem auf fast zwei Dutzend Überweisungen, mit denen Wittmann private Rechnungen bezahlte. Besonders schlimm aber trafen seine Machenschaften Günter Lauber (Name geändert).

Bei ihm sollte Wittmann Bankschulden eintreiben. Zwischen Januar und Juli 2004 übergab Lauber Wittmann Schecks über mehr als 75.000 Euro. Davon behielt der Gerichtsvollzieher 63.000 Euro für sich. Tatsächlich hätte ihm von dem gepfändeten Betrag eine Provision in Höhe von 55,50 Euro zugestanden.

Womöglich hätte der Gerichtsvollzieher sich weiter munter selbst bedienen können, wären nicht Gläubiger auf die Barrikaden gegangen. Anfang 2005 beschwerten sich immer mehr darüber, dass der Gerichtsvollzieher Zahlungen von Schuldnern nicht oder erst mit erheblicher Verzögerung weiterleitete.

Staatsanwaltschaft forderte drei Jahre Haft

Endlich wurde die Justiz hellhörig. Dabei hatten Prüfer des Nürnberger Amtsgerichtes bereits Monate zuvor, am 30. Juni 2004, auf dem von Wittmann geführten Dienstkonto einen Kassenfehlbetrag von 402,39 Euro moniert.

Der ging weiteren Kontrollen aus dem Weg, in dem er sich für den jeweiligen Tag kurzfristig krank meldete. Offenkundig gaben sich die Vorgesetzten damit zunächst zufrieden. Erst zehn Monate nachdem der Fehlbestand entdeckt worden war und immer mehr Gläubiger sich beschwerten, informierte Wittmanns Vorgesetzter am 21. April 2005 die Staatsanwaltschaft. Sie ordnete eine Hausdurchsuchung an.

Beim Kassensturz stellten die Ermittler fest, dass fast 53.000 Euro fehlten. Zusammen mit den anderen Veruntreuungen addierte sich die Schadenssumme auf 92.400 Euro. Am 26. April 2005 wurde der Gerichtsvollzieher nach 25 Dienstjahren von seinem Amt entbunden. Das Amtsgericht Hersbruck verurteilte ihn später wegen Untreue in 27 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft ohne Bewährung beantragt.

Was die Lokalpresse wohlwollend als Abwägen des Gerichtes zu Gunsten des Angeklagten beschrieb, soll nach Angaben von Insidern ein Deal mit Hintergrund gewesen sein.

"Schließlich hatte die Dienstaufsicht offenkundig über Jahre hinweg nicht funktioniert, sonst hätte etwas auffallen müssen", sagt eine mit dem Fall vertraute Person. Justizsprecher Andreas Quentin nahm die Vorgesetzten Wittmanns jedoch in Schutz. Die Dienstaufsicht habe nicht versagt. Nicht zehn, sondern längstens sechs Monate vor der Anzeige habe es "Hinweise auf ein Fehlverhalten des Gerichtsvollziehers" gegeben. Als man diese erhärtet habe, sei "umgehend die Staatsanwaltschaft eingeschaltet" worden.

Der unmittelbare Vorgesetzte Wittmanns war Quentin zufolge der Direktor des Amtsgerichtes Hersbruck. Der Chef just jenes Gerichtes also, das den Gerichtsvollzieher am Ende verhältnismäßig glimpflich davonkommen ließ.

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