Fragwürdige Geschäfte im TV:Doktor Rings gesammeltes Schweigen

Klaus Kopka, der langjährige Kontrolleur der privaten Medien in Bayern, nahm einen anrüchigen Kredit - seine Kollegen schauten lieber weg.

Klaus Ott

Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) beaufsichtigt das Privatfernsehen und ist eigentlich für einen ordentlichen Fernsehkrimi nicht der richtige Tatort. Solche Einrichtungen wirken gewöhnlich auf dem Bildschirm sehr grau.

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(Foto: Grafik: SZ)

Und auch Dr. Wolf-Dieter Ring, der Präsident der BLM, wäre vermutlich die falsche Besetzung für einen TV-Krimi. Er wirkt sehr seriös, aber auch etwas bieder, und nur die Älteren wissen, dass er als Medienreferent bei Franz Josef Strauß das Handwerk gelernt hat. Der frühere bayerische Ministerpräsident war - wie in vielen anderen Dingen - auch in Fernsehangelegenheiten nicht sehr pingelig und mischte sich schon mal in die Vergabe von TV-Frequenzen für private Programme ein.

Seit gut zwei Jahrzehnten führt sein einstiger Helfer Ring jetzt schon die Landeszentrale und ausgerechnet in seiner vermutlich letzten Amtsperiode bricht eine Affäre auf, die sehr unappetitlich und unendlich verwickelt ist und den Geruch der alten Amigo-Geschichten hat.

Eigentlich soll die Anstalt zum Wohl der Allgemeinheit für Vielfalt auf dem Bildschirm sorgen, aber die Frage ist, ob sie nicht viel mehr für das Wohl zweier umtriebiger Geschäftsleute gesorgt hat, von denen der eine eng mit der CSU verbunden war? Und, schlimmer noch: Hat die BLM ihrem früheren Medienratschef, dem CSU-Politiker Klaus Kopka, ein Strafverfahren, womöglich sogar eine Anklage erspart?

Es geht, wie meist in Krimis, um Geld und Beziehungen, und im Mittelpunkt stehen bislang der TV-Macher Ralph P. und jener Ralph Burkei, der vor einem halben Jahr bei den Terroranschklägen im indischen Mumbay ums Leben kam. B

eide veranstalteten zwei Jahrzehnte lang gemeinsam das Bayern Journal bei Sat 1 und RTL und kassierten mit ihrer Firma Camp TV etliche Millionen Euro. Obwohl es häufiger den Verdacht gab, dass sie verbotene Schleichwerbung auf den Bildschirm brachten, durften sie ihre Sendelizenz behalten.

Die Frage ist, ob Verantwortliche in der BLM weggeschaut haben und ob einer sogar die Hand aufgehalten hat.

Der frühere CSU-Landtagsabgeordnete Kopka und dessen Lebensgefährtin erhielten großzügige Darlehen in Höhe von insgesamt 215.000 Euro, und es riecht aus den Kanälen, in die das Geld geflossen ist. Kopka leitete fast 20 Jahre lang den Medienrat der BLM und war somit, neben Ring, oberster TV-Kontrolleur in Bayern. SPD und Grüne sprechen von "CSU-Filz in Reinkultur" und Korruptionsverdacht.

Der späte Ruf aus der Staatskanzlei

Sogar die Staatskanzlei, die Regierungszentrale von Ministerpräsident Horst Seehofer, ist alarmiert und verlangt Aufklärung. Der Ruf kommt ein bisschen spät. Schon vor sechs Jahren hatte Saubermann Ring erste Hinweise auf die Darlehen.

Doch eine hässliche Affäre hätte damals der CSU vor der Landtagswahl im September 2003 bestimmt nicht ins Konzept gepasst. Immerhin war Burkei, der Kopka die Kredite gewährte beziehungsweise besorgte, auch mal Schatzmeister der von der damaligen Kultusministerin und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier geleiteten Münchner CSU.

Erst jetzt, nachdem der Fall in der Süddeutschen Zeitung stand, leitete die BLM eine Untersuchung ein. Das Ergebnis ist alamierend. Der erste Anschein spreche dafür, dass der "Straftatbestand der Vorteilsgewährung" erfüllt sei, heißt es in einer Vorlage der BLM für den Medienrat. Kopka sei als Medienratschef ein Amtsträger gewesen. Die Darlehen für seine Lebensgefährtin erschienen "vergleichsweise günstig, da diese ohne Sicherheiten gewährt wurden". Es liege nahe, sei aber nicht bewiesen, "dass die Vorteilsgewährung für die Dienstausübung von Kopka als Vorsitzenden des Medienrats erfolgte".

Allerdings sei das kein Fall für den Staatsanwalt, weil die Angelegenheit verjährt sei, heißt es in der Vorlage. Die einschlägige Frist von fünf Jahren sei bei den beiden Darlehen für Kopkas Freundin längst vorbei. 2003, als Medienwächter Ring Hinweise auf den Handel hatte, wäre das vermutlich noch anders gewesen. Der jüngste Kredit stammte vom Februar 2000, er war vom TV-Unternehmer und CSU-Funktionär Burkei direkt dem Parteifreund Kopka gewährt worden.

Die Landeszentrale kannte nach Angaben von Ring im Jahr 2003 zwar nicht die Details der Kopka-Kredite. Hätte der BLM-Präsident Ring jedoch damals schon die Affäre aufgerollt und untersuchen lassen, dann hätte die Landeszentrale auch auf das seinerzeit noch nicht verjährte Geldgeschäft unter den CSU-Parteifreunden Burkei und Kopka stoßen müssen. Kopka war damals noch Medienratschef. Stattdessen begnügte sich Ring damit, seinem Medienratsvorsitzenden zu sagen, dass es so nicht gehe.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über Beweise, aus denen sich der Verdacht der systematischen Schleichwerbung im Bayern Journal ergibt.

Doktor Rings gesammeltes Schweigen - Teil II

Dass die Kredite "inakzeptabel" seien, bekam Kopka auch von Erich Jooß zu hören, damals Vizechef des Medienrats, der wenig später zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde. Ring hatte Jooß im Jahr 2003 über die der Landeszentrale bekannten Hinweise auf Kopka-Kredite informiert. Ein paar Monate später verabschiedeten Ring und Jooß den langjährigen Medienratschef Kopka mit feierlichen Worten.

Es ist nicht nur diese Mischung aus Heuchelei und Vertuschung, die Ring und Jooß und die BLM und die CSU in Bedrängnis bringt. Ein ganz spezielles bayerisches Geflecht aus Politik, Medien und Wirtschaft rund um die Fernsehfirma Camp TV tritt zutage. Und wieder geht es um viel Geld.

Der Süddeutschen Zeitung liegen mehr als 100 Rechnungen allein aus den Jahren 2008 und 2009 für TV-Beiträge und Internetfilme vor, aus denen sich der Verdacht der systematischen Schleichwerbung im Bayern Journal ergibt. Zur Kasse gebeten wurden Pharmafirmen, Kliniken, Banken, Autokonzerne und andere Unternehmen. Und bedeutende Organisationen in Bayern wie der Genossenschaftsverband.

Geschrieben wurden die Rechnungen vor allem von der Firma World Com in Leipzig, die sich über eine gleichnamige Treuhandfirma in Südafrika im Besitz von Camp TV befinden soll. Wurden auf diese Weise etwa illegal erwirtschaftete Gewinne gewaschen?

Das trübe Treiben reicht bis in die jüngere Vergangenheit. Am 29. Januar 2009 berechnete die Leipziger Firma Worldcom einer Direkt-Bank aus dem Ruhrgebiet 14280 Euro für das Projekt "Televideo Wirtschaft". Das Projekt beinhaltete laut einer vorherigen E-Mail von World Com an die Bank unter anderem die "Produktion einer TV-Talkrunde für das Wirtschaftsmagazin im Bayern Journal auf Sat 1".

Teilnehmer: ein Vorstand der Direkt-Bank. An den 15 darauffolgenden Samstagen sollten Werbespots geschaltet werden. Das erziele eine "hohe Nachhaltigkeit der TV-Talkrunde". Solche Rechnungen und E-Mails gibt es auch in anderen Fällen.

Die Presse hat schon in den 90er Jahren wiederholt über Schleichwerbung im Bayern Journal berichtet, doch die BLM griff nicht durch. Das sei nicht möglich gewesen, weil der Landeszentrale die Belege gefehlt hätten, sagt deren Präsident Ring heute.

Besonders ausgeprägt war der Wille freilich nicht, diesen Dingen nachzugehen. 1997 notierte die BLM, man setze vor allem auf den "Dialog" mit den Privatsendern und betrachtete es als "medienpolitisch nicht sinnvoll", Schleichwerbung zum Bußgeldtatbestand zu erheben. Als die BLM später Camp TV doch mit einem Bußgeld belegen wollte, scheiterte der Versuch, wie Ring sagt, vor Gericht.

Vieles ist aufzuklären in diesen Tagen, auch der Umgang bei Camp TV mit den von der BLM gewährten Fördermitteln. Der Vertreter der Staatsregierung im Medienrat, Staatskanzleiminister Siegfried Schneider, weiß von Gerüchten, wonach bei Camp TV "öffentliche Gelder nicht so eingesetzt worden seien, wie es dem Gesetz entspricht".

Ein dicker Fragenkatalog

Schneider hat der BLM diese Woche einen umfangreichen Fragenkatalog zu Camp TV und den Kopka-Krediten präsentiert. Bei einer Sondersitzung des Medienrats am 26. Mai sollen die Antworten vorliegen. Die Landeszentrale plant seit Oktober 2008, die Geldflüsse der vergangenen sechs Jahre bei Camp TV zu prüfen. Am 2. Dezember 2008 teilte BLM-Präsident Ring der Fernsehfirma mit, man wolle eine "unabhängige Wirtschaftsprüfgesellschaft" mit der Prüfung beauftragen. Das war wenige Tage nach Burkeis Tod.

Dessen langjähriger Partner Ralph P., die beiden kannten sich schon aus der Schule, sieht sich als Opfer von Burkei. Dessen Hinterlassenschaften müsse er nun aufarbeiten, sagt P.. Vieles habe er nicht gekannt. Zum Beispiel einen Treuhandvertrag von Camp TV mit der World Com in Südafrika für die gleichnamige Firma aus Leipzig. Oder Rechnungen der Leipziger World Com für TV-Beiträge im Bayern Journal. Er habe nur "medienrechtlich einwandfreie Kooperationen" betrieben, sagt P..

Und er habe auch nicht gewusst, dass es sich bei einer Arzthelferin, der er auf Bitte von Burkei Darlehen gewährt habe, um die Lebensgefährtin von Medienratschef Kopka gehandelt hatte.

In der BLM glaubt man P. nicht. Die Sendelizenz für Camp TV und das Bayern Journal soll, anders als kürzlich noch geplant, doch nicht verlängert werden. Plötzlich werden neue Verdachtsfälle von Schleichwerbung geprüft. Im Medienrat heißt es, P. wolle nur von der Verwicklung seiner Firma Camp TV in diese Dinge ablenken: "Burkei ist tot, der kann sich nicht mehr wehren."

Auch in den Fernsehkrimis soll der Tote immer der Schurke gewesen sein.

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