Forstwirtschaft:40 Millionen Euro für Kolle-Schäden

Ein Jahr nach dem Orkan sind die Wälder noch schwer getroffen

Von Christian Sebald

Die Nacht von 18. auf 19. August 2017 wird Johann Gaisbauer vom Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Passau nie vergessen. Es war die Nacht, in der Orkan Kolle über den unteren Bayerischen Wald hinweggefegt ist. Zwar dauerte er nur 20 Minuten. Aber mit einem Tempo von mehr als 200 Kilometern pro Stunde hinterließ er in den Wäldern zwischen Passau und Dreisessel eine Schneise der Verwüstung. Nun, am ersten Jahrestag von Kolle, steht das Ausmaß der Zerstörung fest: Der Orkan hat 10 000 Hektar Wald niedergewalzt, das entspricht einer Fläche von 14 000 Fußballfeldern. Die kaputten Fichten summieren sich auf etwa 2,3 Millionen Festmeter Holz. Würde man es zu einer ein Meter breiten und zwei Meter hohen Mauer aufschichten, würde diese von Berlin bis über Rom hinaus reichen. Der Freistaat hat 4000 geschädigten Waldbesitzern 40 Millionen Euro Beihilfen für die Aufräumarbeiten ausbezahlt. Viele haben dennoch nicht verwunden, dass ihre, oft über Generationen hinweg sorgsam gepflegten Wälder binnen Minuten wie Streichhölzer umgeknickt worden sind.

"Die Aufräumarbeiten waren eine harte Plackerei", sagt Gaisbauer. "Aber nun sind sie fast beendet." Nur noch aus einigen wenigen kleineren Waldstücken, etwa an der Donauleiten, müssten umgeworfene Fichten herausgeholt werden. Die immensen Schäden freilich werden noch auf Jahre hinaus erkennbar sein - an den leer geräumten kahlen roten Waldböden, die sich wie ein Flickenteppich durch die Landkreise Passau und Freyung-Grafenau ziehen. Das größte Problem in der Region ist jetzt der Borkenkäfer. Denn es waren ja nicht nur die unzähligen geknickten Fichten, die dem Schädling optimale Bedingungen geboten haben. Sondern auch der extrem trockene und heiße Sommer. "Wir haben eine Massenvermehrung der Borkenkäfer, die noch weit ins nächste Jahr anhalten wird", sagt Gaisbauer. "Damit haben jetzt auch die Waldbauern zu kämpfen, die Kolle halbwegs oder ganz verschont hat."

Der heiße, trockene Sommer hat aber auch den Waldbauern übel mitgespielt, die schon im Frühjahr mit der Wiederaufforstung begonnen haben. "Gott sei Dank waren das nicht so viele", sagt Gaisbauer. "Den wenigen, die das getan haben, sind die Setzlinge regelrecht vertrocknet." Das Passauer AELF will erst im Herbst größere Wiederaufforstungen starten. Dieses Jahr sollen sie sich auf eine Größenordnung von 250 Hektar beschränken. Gaisbauer und Wolfgang Kreuzer vom AELF in Freyung raten den Waldbauern dringend, von reinen Fichtenwäldern zu lassen und auf Mischwälder mit Buchen, Eichen und Tannen, aber auch Lärchen oder Douglasien zu setzen. "Denn das zeigen Kolle und der Hitzesommer", sagt Kreuzer. "Fichten haben auch bei uns im Bayerischen Wald keine Zukunft mehr."

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