Sozialministerium:Forensik in Bayern vor großer Reform

Bezirkskrankenhaus Straubing

Im Bezirkskrankenhaus Straubing sind psychisch kranke Straftäter untergebracht.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Psychisch kranke Straftäter mit hohem Gewaltpotenzial sollen in Bayern künftig nicht mehr nur in Straubing, sondern in allen forensischen Einrichtungen untergebracht werden.
  • Der "unhaltbare Status des BKH Straubing" als Sonderanstalt habe für die dort untergebrachten Forensik-Patienten zur Folge gehabt, dass ihnen sogenannte Vollzugslockerungen verwehrt blieben, so Adam Ahmed.
  • Der Münchner Strafverteidiger Ahmed hatte zuvor juristische Schritte gegen die bisherige Handhabung unternommen.

Von Dietrich Mittler, Straubing

Psychisch kranke Straftäter mit hohem Gewaltpotenzial sollen in Bayern künftig in allen forensischen Einrichtungen untergebracht werden - und nicht mehr nur in Straubing. Seit seiner Eröffnung im Jahre 1990 hatte das Straubinger Bezirkskrankenhaus den Status einer "Sonderanstalt", in der hauptsächlich als äußerst gefährlich eingestufte psychisch kranke Straftäter aus ganz Bayern einsaßen. Doch dieses Konzept soll nun grundlegend überarbeitet werden. "Wir wollen die Bezirkskliniken so aufstellen, dass diese Patienten in jeder bayerischen Forensik untergebracht werden können", sagt Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) am Montag. Bis zum Herbst soll eine Arbeitsgruppe erste Ergebnisse vorlegen.

Der Münchner Strafverteidiger Adam Ahmed verbucht diesen grundlegenden Richtungswechsel in der bayerischen Forensik-Strategie als Erfolg für sich - hatte er doch juristische Schritte gegen die bisherige Handhabung eingeleitet. "Endlich wird eine jahrzehntelange rechtswidrige Praxis abgeschafft", sagt er. Der "unhaltbare Status des BKH Straubing" als Sonderanstalt habe für die dort untergebrachten Forensik-Patienten zur Folge gehabt, dass ihnen sogenannte Vollzugslockerungen verwehrt blieben. Dazu zählen laut Ahmed insbesondere begleitete und unbegleitete Ausgänge als Vorbereitung auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft.

Ein erster juristischer Durchbruch war dem Münchner Anwalt Anfang Februar dieses Jahres gelungen: Die für das BKH Straubing zuständige Strafvollstreckungskammer verfügte da in einem vorläufigen Beschluss, dass einem von Ahmed vertretenen Forensik-Patienten in Straubing der Ausgang zu gewähren sei. Politisch aber bewirkte die Gerichtsentscheidung überhaupt nichts. Das Sozialministerium blieb dabei: "Die bisherige Praxis, wonach aus dem BKH Straubing heraus grundsätzlich nicht gelockert wird, wird fortgeführt." Im Juli stellte Ahmed folglich bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg Strafanzeige. Und zwar gegen alle, "die das Bezirkskrankenhaus Straubing dazu anleiten, dort nicht zu lockern". Der Tatvorwurf lautete auf Freiheitsentziehung - ein auch politisch brisanter Vorstoß. In letzter Konsequenz könnte dies nämlich bedeuten, dass sich die Ermittlungen auch auf das Sozialministerium ausweiten. Schließlich hatte dieses jegliche Lockerungen in Straubing kategorisch abgelehnt.

Zum Hintergrund: Straubinger Forensik-Patienten, die nach intensiver Überprüfung für eine Lockerung geeignet erscheinen, werden bislang aus Prinzip in andere Bezirkskrankenhäuser in Bayern verlegt - etwa nach Ansbach oder nach Mainkofen. Dort aber kommen sie nicht umgehend in den Genuss von Lockerungen, sondern müssen sich in der neuen Einrichtung erst wieder beweisen. Dadurch, so argumentiert Ahmed, werde rechtswidrig bei seinen Mandanten "der Entlassungszeitpunkt aus einer Maßregelvollzugseinrichtung deutlich verzögert". Und das sei Freiheitsberaubung - eine Straftat.

Auch der bayerische Vollstreckungsplan werde geändert

"Die Strafanzeige spielt keine Rolle bei der Entscheidung, ein neues Konzept für Straubing zu erarbeiten", heißt es indes aus dem Sozialministerium. Der Grund für das jetzige "Zukunftsmodell" sei vielmehr, dass sich die Anforderungen an den Maßregelvollzug in den vergangenen Jahrzehnten "stark gewandelt hätten". Schon seit einiger Zeit finde dazu "ein fachlicher Austausch statt". Als Konsequenz daraus werde nun auch der bayerische Vollstreckungsplan geändert. Für das BKH Straubing heißt das konkret: Wenn das neue Konzept steht, darf auch dort gelockert werden.

Der Bekanntgabe dieser Entscheidung war ein intensives Gespräch vorangegangen - daran auch beteiligt der niederbayerische Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich und der Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr (beide CSU). "Aus heutiger Sicht muss man sich schon fragen, ob das damals eine kluge Idee des Freistaats war, Straubing zur Sondereinrichtung für ganz Bayern zu machen", sagt Pannermayr. Klar sei, dass dieser Status so nicht weitergeführt werden könne.

Im Sinne der Bürger seiner Stadt habe er aber erreichen können, dass in Straubing künftig nicht mehr die schwersten Fälle aus ganz Bayern untergebracht werden, sagte der OB. Das BKH Straubing solle nur noch Patienten aus Niederbayern aufnehmen. Zudem sei das Ministerium auch auf seine Bitte eingegangen, die Reformpläne eingehend im Straubinger Stadtrat zu erläutern.

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