Flussbericht der Staatsregierung:Das Elend der Flüsse

Verrohrt, verbaut, verödet: Gerade einmal ein Fünftel der Fließgewässer im Freistaat ist in gutem Zustand, 90 Prozent der bayerischen Fischarten stehen auf der Roten Liste. Umweltminister Huber verspricht Besserung - doch das ist eine gewaltige Herausforderung.

Christian Sebald

Die Isar hinter Landshut zum Beispiel, wo sie in Richtung der Kernkraftwerke Isar 1 und Isar 2 fließt: Träge liegt sie da in ihrem Bett, eingezwängt von Dämmen und Deichen und immer wieder gigantisch aufgestaut für Wasserkraftwerke. Wenig verwunderlich also, dass der neue 1000 Seiten starke Flussbericht der Staatsregierung zu einem wenig schmeichelhaften Urteil kommt - zumindest was die Qualität der Isar als Lebensraum für Algen und andere Flusspflanzen, aber auch Fische und Kleinlebewesen anbelangt: "Mäßig" heißt es lapidar zu ihrem ökologischen Zustand - so wie für fast die Hälfte der Flüsse im Freistaat Bayern. Umweltminister Marcel Huber (CSU) spricht von "gewaltigen Aufgaben, wenn wir den Zustand unserer Bäche und Flüsse in Bayern weiter verbessern wollen".

Flussbericht der Staatsregierung: Ein Beispiel für eine erfolgreiche Renaturierung - die Isar in Schäftlarn

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Renaturierung - die Isar in Schäftlarn

(Foto: lks)

Tatsächlich ist die Herausforderung gigantisch. Wenn es nach der EU geht, sollen die Bäche und Flüsse nicht nur in Bayern, sondern in sämtlichen Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2027 in möglichst "gutem Zustand" sein - so hat es die Europäische Union in ihrer sogenannten Wasserrahmenrichtlinie festgelegt. In Bayern erfüllen derzeit aber gerade einmal ein gutes Fünftel der Flüsse und Bäche diese Vorgabe. Um den Rest ist es sehr viel schlechter bestellt: 47,1 Prozent fallen in die Kategorie "mäßig", 26,7 Prozent, also mehr als ein Viertel, sind in "unbefriedigendem Zustand" und 5,4 Prozent sogar in "schlechtem Zustand". Einzig was die Wassergüte, also die Sauberkeit anbelangt steht Bayern gut da. So gut wie alle Bäche und Flüsse erfüllen schon jetzt die Vorgaben der EU.

Damit ist nun amtlich, was Naturschützer und Fischer seit Jahren beklagen: Die allermeisten Bäche und Flüsse in Bayern sind so kanalisiert und mit Dämmen, Deichen und Stauwehren zugebaut, dass sie kaum noch Lebensraum für Fische und Pflanzen bieten. Selbst einstige Allerwelts-Fischarten wie die Nasen und die Äschen, aber auch die Flussforelle stehen deshalb bereits auf den Roten Listen - so wie 90 Prozent der heimischen Fischarten in Bayern.

Aber auch von den Auwäldern, die einst die Flusslandschaften im Freistaat beherrschten, sind nur mehr wenige Reste übrig. Und selbst deren Ende könnte absehbar sein, so befürchten zumindest die Umweltverbände, wenn die Energieversorger und die Staatsregierung Ernst machen mit ihren Plänen, im Zuge der Energiewende noch mehr Wasserkraftwerke in die Flüsse und Bäche hineinzustellen. Umweltminister Huber ficht das nicht an. Er kündigte auch bei der Präsentation des Flussberichts erneut den "ökologisch verträglichen Ausbau der Wasserkraft" an.

Zugleich versprach Huber weitere Anstrengungen, um die ökologische Qualität der Flüsse und Bäche zu verbessern. Zwar stehe der Freistaat bereits jetzt gut da - zumindest im Vergleich zum restlichen Deutschland, wo nur zehn Prozent der Flüsse und Bäche in gutem Zustand sind. "Aber das reicht uns natürlich nicht", sagte der Minister. Bis 2027 - dem Zeitrahmen der Wasserahmenrichtlinie also - will der Freistaat 750 Millionen Euro in Fischtreppen, Renaturierungen und andere Öko-Projekte investieren.

Millionenschwere Investitionen

So wie in Bamberg, wo derzeit an einem Kraftwerk einer früheren Baumwollspinnerei an der Regnitz eine 1,2 Kilometer lange Fischtreppe errichtet wird, damit die Flussfische wieder zu ihren angestammten Laichplätzen schwimmen können. Oder in München, wo in den vergangenen Jahren mit Millionenaufwand das einstige Kanalbett der Isar eingerissen und wieder ein annähernd natürlicher Flusslauf samt Inseln modelliert wurde.

"Maßnahmen wie diese dienen nicht nur der Gewässerökologie", sagte Huber, "sie verbessern auch die Lebensqualität der Leute, die am Fluss leben." Auch hierfür ist die renaturierte Isar das beste Beispiel. An schönen Sommertagen kommen bis zu 50 000 Münchner zum Spaziergehen und Baden.

Aber auch millionenschwere Hochwasserschutzmaßnahmen sollen die Qualität des Lebensraums Fluss verbessern, etwa die Rückverlegung von Dämmen und Deichen, damit wieder vermehrt Auwälder nachwachsen. An der Mangfall bei Bruckmühl etwa wurde für zwei Millionen Euro ein 500 Meter langer Deich vom Flussufer tiefer in die Landschaft versetzt, damit der Fluss wieder freier fließen kann.

Zudem wurden 400 Meter Ufer renaturiert und ein 600 Meter langer Seitenarm geschaffen. "Die Mangfall ist ein Beispiel für modernen Hochwasserschutz, der die Lebensräume von Mensch und Natur bewahrt", sagte denn auch Huber. "Bis 2020 sollen 2500 Kilometer Gewässerstrecke und 10 000 Hektar Uferfläche renaturiert werden."

Angesichts der insgesamt 100 000 Fluss- und Bachkilometer in Bayern ist Naturschützern das freilich viel zu wenig. Und vor allem geht es ihnen viel zu langsam. So kritisierte der Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl schon vor mehr als einem Jahr, dass die Rückverlegung der Isar-Dämme und -Deiche unterhalb von Freising nicht wie versprochen vorankommt - weil sich die Landwirte sperren. Huber indes versprach, dass bis 2015 "zumindest 39 Prozent der Flüsse und Bäche in Bayern in dem ökologisch guten Zustand sind, den die EU von uns verlangt".

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