Süddeutsche Zeitung

Flug in den Kongo:Käpt'n Kuck im Raupenparadies

Nach 5700 Flugkilometern ist der SZ-Kuckuck jetzt im Kongo-Becken angekommen. Ein guter Ort zum Überwintern, denn Nahrung gibt es ohne Ende. Nicht nur die Nonstop-Flüge des kleinen Vogels haben die Experten vom Landesbund für Vogelschutz beeindruckt.

Von Christian Sebald

Er hat es geschafft. Käpt'n Kuck hat sein Winterquartier in den tropischen Regenwäldern im Kongo-Becken erreicht. Seit Ende vergangener Woche hält sich der SZ-Kuckuck in der Region zwischen dem Tumba-Ladiima-Reservat, dem Tumba See und dem Mai-Ndombe-See auf, ganz in der Nähe des Kongo-Flusses also, der hier die Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und der Republik Kongo bildet.

Dort lässt Käpt'n Kuck es sich richtig gut gehen. Zumindest zeigen das die Daten, die der winzige Sender auf seinem Rücken aus dem tropischen Regenwald via Satellit in die Zentrale des Vogelschutzbundes LBV im mittelfränkischen Hilpoltstein sendet. "Käpt'n Kuck streift im Regenwald umher", sagt des LBV-Mann Markus Erlwein. "Er hat den anstrengenden Flug in sein Winterquartier richtig gut überstanden."

Nonstop-Flüge über hunderte Kilometer

Es ist eine gewaltige Leistung, die der taubengroße, 120 Gramm leichte Vogel in den vergangenen vier Monaten vollbracht hat. Allein die Entfernung. Von den heimatlichen Donau-Auen nahe dem niederbayerischen Bogen, wo Käpt'n Kuck um den 20. Juni herum gestartet ist, ins Dreieck zwischen Tumba-Ladiima-Reservat, Tumba-See und Mai-Ndombe-See sind es 5700 Kilometer. "Das ist gut neunmal die Flugstrecke München - Hamburg", sagt Erlwein, "das muss man sich mal geben."

Zumal die 5700 Kilometer ja nur Luftlinie sind. Addiert man die Strecken zusammen, die sich aus allen bisherigen Flugdaten von Käpt'n Kuck ergeben, kommt man auf 6500 Kilometer. Und in Wirklichkeit dürften es sogar noch deutlich mehr sein. "Denn man muss ja auch die vielen Ausflüge und Streifzüge bedenken, die Käpt'n Kuck unternommen hat, während der Satellitensender auf seinem Rücken keine Daten gemeldet hat", sagt Erlwein. "Da kommen ganz schnell noch einmal einige hundert Kilometer dazu."

Aber es ist nicht die Entfernung alleine, die Käpt'n Kucks Winterflug zu einer so gewaltigen Leistung macht. Sondern auch seine Nonstop-Flüge. Das fängt bei seiner Mittelmeer-Überquerung an. Ungefähr 550 Kilometer am Stück ist der SZ-Kuckuck da geflogen, immer dem inneren Kompass nach, nur die Sonne am Himmel über und das Meer unter sich, bis am Horizont die nordafrikanische Küste auftauchte, als ganz schmaler Streifen. Und es hört auf bei der 1300-Kilometer-Strecke zwischen dem Tschad und dem Kongobecken, die Käpt'n Kuck zuletzt zurückgelegt hat. Ganze fünf Tage hat der SZ-Kuckuck für sie gebraucht. "Immerhin hat er auf diesem Flug immer mal wieder kurz rasten können", sagt LBV-Mann Erlwein. "Außerdem ist er in die Regenzeit hineingeflogen, er hat also Raupen, Schmetterlinge und andere Insekten jagen und sich bei Kräften halten können."

Über der Wüste Sahara war das ganz anders. Dort gibt es keine Raupen, keine Schmetterlinge und auch keine anderen Insekten. Nur flirrende Hitze untertags, scharfe Kälte nachts und Sand, Geröll oder Felsen soweit das Auge reicht, kein Baum, kein Strauch, kein Fluss und auch kein See, höchstens ab und zu eine Oase - 2250 Kilometer weit von der libyschen Mittelmeerküste bis tief in den Sudan hinein. Nur drei Tage hat Käpt'n gebraucht, dann hatte er den Gewaltflug über die Sahara hinweg hinter sich gebracht. "Wir haben unsere Kuckucke ja schon im vergangenen Jahr dafür bewundert, mit welcher Energie sie ihre Sahara-Überquerungen durchziehen", sagt LBV-Mann Erlwein. "Aber auch dieses Jahr hatten wir einen Riesenrespekt, als wir die Vögel auf ihren Strecken verfolgt haben."

Jetzt also das Tumba-Ladiima-Reservat. Das Schutzgebiet liegt ungefähr 180 Kilometer südlich des Äquators im Kongobecken direkt am Kongo-Fluss. Der wiederum ist der wasserreichste Strom Afrikas, es gibt Abschnitte, in denen er 16 Kilometer breit ist, und Stellen, an denen er 220 Meter tief ist. Das Kongobecken erstreckt sich um den Mittellauf des Kongos. Es ist ungefähr 1,7 Millionen Quadratkilometer groß und damit fünfmal größer als Deutschland. Im Kongo-Becken liegen einzigartige Sumpflandschaften und der nach dem Amazonas-Gebiet größte zusammenhängenden Regenwald der Welt. Die Artenvielfalt hier ist kaum zu übertreffen: Antilopen, Gorillas, Schimpansen, Meerkatzen, Krokodile, Flusspferde, Nashörner, Waldelefanten und viele andere exotische Tierarten sind dort anzutreffen.

Eine gigantische Tafel voller Leckerbissen

Käpt'n Kuck freilich interessiert sich vor allem für die schier unerschöpfliche Vielzahl an fetten Raupen, Schmetterlingen und anderen Insekten im Regenwald. Für ihn ist das Tumba-Ladiima-Reservat eine gigantische Tafel, auf der es vor Leckerbissen nur so wimmelt. Da stört es den SZ-Kuckuck überhaupt nicht, dass es im Kongo-Becken praktisch täglich regnet und zwar richtig kräftig. Aufs Jahr gesehen fällt dort mindestens doppelt so viel Regen wie in den Donau-Auen, wo der SZ-Kuckuck daheim ist.

Außerdem ist es im Kongo-Becken sehr warm und richtig schwül. Die Temperaturen dort pendeln konstant um 26 Grad herum. "Auch wenn sich das für uns Mitteleuropäer nicht wirklich angenehm anhört", sagt LBV-Mann Erlwein. "Für Käpt'n Kuck sind das ideale Bedingungen für die kommenden Monate." Gut möglich also, dass sich der SZ-Kuckuck dort nun fürs Überwintern einrichtet in der Region rund um das Tumba-Ladiima-Reservat.

Womöglich fliegt er aber noch etwas weiter. So wie Kucki, das Kuckucksweibchen, das die LBV-Leute im zweiten Jahr auf dem Winterflug beobachten. Seit ihrem Abflug aus den niederbayerischen Donau-Auen ist Kucki Käpt'n Kuck immer einen Tick voraus. So auch dieser Tage. Kucki hält sich 500 Kilometer südlich von Käpt'n Kuck in Angola aus. "Aber das macht kaum einen Unterschied aus", sagt Erlwein. "Die Bedingungen fürs Überwintern sind im Norden von Angola nicht wirklich anders als im Kongo-Becken."

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Quelle:
SZ vom 28.10.2014/vewo
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