Flüchtlingsunterkünfte in Bayern:Willkommen im Provisorium

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Sozialministerin Emilia Müller (CSU) in der ehemaligen Pionierkaserne, die zur Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge umgebaut wurde. (Foto: dpa)
  • Sozialministerin Emilia Müller (CSU) eröffnet in der Regensburger Pionierkaserne eine Erstaufnahmeeinrichtung für 280 Flüchtlinge.
  • Sie soll die überfüllten Stellen in München und Zirndorf entlasten - aber nur vorübergehend.
  • Wenn die Regensburger Bajuwarenkaserne fertig umgebaut ist, sollen diese als Oberpfälzer Erstaufnahmezentrum dienen.

Von Wolfgang Wittl, Regensburg

Es sieht aus wie im Kinderland großer Möbelhäuser. Auf dem Flur hängt ein Plakat mit rotem Herzen und einem Willkommensschriftzug, drinnen verraten bunte Blumenbilder, die Puppenküche und eine Spielecke sofort, worum es in diesem Raum geht: Hier sollen sich Kinder austoben können. "Einladend", sagt Sozialministerin Emilia Müller. Es ist außerdem ein Zimmer, in dem sich schöne Fotos und gute Nachrichten produzieren lassen - von einer Art jedenfalls, wie sie mit dem Thema Asyl in Bayern zuletzt eher selten in Verbindung gebracht wurden.

Überfüllte Erstaufnahmezentren, missglückte CSU-Debatte zum Thema Integration, Anschläge auf unbewohnte Unterkünfte wie im fränkischen Vorra: Müller ist anzumerken, dass sie derzeit gerne nach Regensburg kommt - die Stadt, der Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) eine neue Willkommenskultur verordnen will.

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"Die Alternative wären Zelte gewesen"

Tags zuvor war die Ministerin bereits beim gemeinsamen Kochen mit Asylbewerbern zugange, am Montag präsentiert sie die frühere Pionierkaserne als "Übergangs-Erstaufnahmeeinrichtung". 280 Asylbewerber können hier untergebracht werden, der Bus mit den ersten 50 Flüchtlingen soll diesen Dienstag eintreffen. Die Unterkunft dient als Entlastung für die Einrichtungen in München und Zirndorf, ist aber selbst nur ein Provisorium, bis die Regensburger Bajuwarenkaserne als Oberpfälzer Erstaufnahmezentrum fertig gestellt ist.

4,4 Millionen Euro hat der Freistaat in die Pionierkaserne investiert, in drei Monaten wurde sie in eine Erstaufnahmeunterkunft umgebaut. Nicht nur die Kinderbetreuung wurde neu gestaltet. Arztzimmer, Kantine, Schlafräume, Sanitärbereich: Alle Zimmer sind zweckmäßig eingerichtet und gut beheizt - auch die wegen der knappen Zeit zusätzlich benötigten Container. "Die Alternative wären Zelte gewesen", sagt Regierungspräsident Axel Bartelt. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer zeigt sich "tief beeindruckt von den Standards". Müller sagt: "Wenn wir nach einem christlichen Menschenbild Politik gestalten wollen", gehöre es zu den zentralen Aufgaben, traumatisierten Flüchtlingen einen adäquaten Platz anzubieten. Und dass man in Bayern "die Humanität in den Mittelpunkt all unserer Überlegungen" stelle.

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Priorität hat in Regensburg allerdings die Sicherheit der Asylbewerber, erst recht nach den Vorfällen in Vorra. Drei Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma kontrollieren das Gelände rund um die Uhr, die Polizei verstärkt ihren Streifendienst. Die Unversehrtheit der Bewohner zu garantieren, ohne dass die sich wie in einem Gefängnis eingesperrt fühlten, das sei ein schwieriger Spagat, räumt der Regierungspräsident ein. Müller bezeichnet die Geschehnisse von Vorra als "menschenverachtende Straftat" von Verirrten. In Regensburg, versichert Oberbürgermeister Wolbergs, sei die Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen sehr hilfsbereit und aufgeschlossen.

In punkto Asylanträge kritisierte Müller den Bund

Doch auch in Regensburg zeigt sich, wie unterschiedlich die Maßstäbe beim Thema Asyl sein können. In der bislang so einträchtig agierenden bunten Koalition knirscht es seit einigen Tagen in der Frage, ob Container - wie in einem anderen Stadtteil dann allerdings als womöglich längerfristige Unterkunft geplant - eine geeignete Form der Unterbringung darstellen. So konnte sich Wolbergs beim Rundgang einen Seitenhieb nicht verkneifen. Vielleicht ließen sich nun ja die letzten Zweifler überzeugen, "dass man auch mit Containern gute Sachen machen" könne.

Die Flüchtlinge in der Pionierkaserne werden spätestens nach acht Wochen in eine andere Unterkunft gebracht. Familien können bis dahin gemeinsam in einem Zimmer wohnen, das sei für eine Erstaufnahmeeinrichtung ein großer Fortschritt, sagte Müller. Kritik übte sie am Bund: 163 000 unbearbeitete Asylanträge lägen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf Halde. Das Amt müsse personell dringend aufgestockt werden, sonst werde es trotz weiterer Erstaufnahmeunterkünfte wie von Januar an in Deggendorf nicht gelingen, Asylbewerber in Arbeit zu bringen. Regierungspräsident Bartelt warnte, falls der "Zu- und Abfluss" von Flüchtlingen nicht miteinander korrespondiere, werde man auch in Regensburg Zustände wie unlängst in München erreichen: "Und die wollen wir ausdrücklich vermeiden."

© SZ vom 16.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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