Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingspolitik:Was Flüchtlinge ohne Arbeitserlaubnis den Freistaat kosten sollen

  • Rosenheimer Asylhelfer haben die Rechnung aufgestellt, wie viel es den Freistaat kostet, dass Asylbewerber ihres Landkreises nicht arbeiten dürfen.
  • Eine ähnliche Argumentation verfolgte die Grünen-Politikerin Christine Kamm schon vor Jahren. Sie sprach von Kosten von etwa 32 Millionen Euro.
  • Bei einigen CSU-Politikern kommen mittlerweile Bedenken, ob die bisherige Sichtweise bezüglich Arbeitsverboten sinnvoll ist.

Von Dietrich Mittler, Rosenheim

"Ich bin froh, dass endlich was passiert", sagt Magdalena Arbinger aus Stephanskirchen im Kreis Rosenheim, "denn bislang hat das keinen interessiert, wie wir in unserem Landkreis gegen die Arbeitsverbote für Asylbewerber ankämpfen." Es sei schon ein sehr leidiges Thema, dass Menschen nicht arbeiten dürften, die das sehr wohl wollten. Wie die 28-Jährige denken viele weitere Asylhelfer in Bayern. Einige - ebenfalls aus dem Kreis Rosenheim - haben nun eine Rechnung erstellt, die am Sinn der Arbeitsverbote zweifeln lässt. Die Ausarbeitung der Rosenheimer Asylhelfer ist zwar so knapp, dass sie auf ein Blatt Papier passt, doch das ändert nichts an den Fakten.

Demnach entstehen allein durch verweigerte Arbeitserlaubnisse bei hochgerechnet 260 betroffenen Flüchtlingen im Kreis Rosenheim jährliche Ausgaben in Höhe von mehr als einer Million Euro - auf Kosten der Steuerzahler. Hinzu kämen die Beträge, die ebenfalls für die Gesellschaft wegfallen, wenn arbeitsfähigen Flüchtlingen die Arbeitserlaubnis nicht erteilt wird. Die Autoren des Faktenblatts zählen da auf: Beiträge zur Krankenversicherung sowie auch die "Mindereinnahmen bei Steuer und Rentenversicherung". Ihre Berechnungen haben die Rosenheimer inzwischen mehreren Landtags-Abgeordnete überreicht. Ein Statement lieferten die Asylhelfer den Empfängern oft gleich mit: "Kein Mensch versteht, warum arbeitswillige Leute nicht arbeiten dürfen." Nun warten sie gespannt auf Reaktionen seitens der Politik.

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Christine Kamm hat als asylpolitische Sprecherin indes Erfahrung, welche Schlüsse die CSU und damit auch die Staatsregierung bislang aus solchen Berechnungen geschlossen haben - nämlich gar keine. Die Grüne hatte vor genau einem Jahr errechnet, was es allein kostet, weil die Flüchtlinge aus Senegal und Ghana nicht arbeiten dürfen. Sie kam auf mutmaßlich 32 Millionen Euro. Kamm ließ sich vom mangelnden Interesse der Regierenden nicht irritieren. Sie hat neue Berechnungen angestellt und kommt dabei überschlagsmäßig auf bayernweit 18 000 arbeitsfähige junge Flüchtlinge, bei denen die Ausländerbehörden - bestärkt durch die Vorgaben aus dem Innenministerium - die Arbeits- oder Ausbildungserlaubnis nicht erteilt, beziehungsweise nicht weiter verlängert haben.

Um dem Vorwurf der Übertreibung zuvorzukommen, ging Kamm von lediglich 10 000 Betroffenen aus. Das Ergebnis: Insgesamt kämen durch die Verweigerung von Arbeitserlaubnissen in Bayern jährlich 120 Millionen Euro an entgangener Wertschöpfung zusammen. Das wiederum habe öffentliche Ausgaben zur Folge, die den Steuerzahlern hätten erspart werden können. "1000 Euro kostet bei der derzeitigen Organisation jeder in Bayern untergebrachte Flüchtling, obwohl so viele doch selbst für sich sorgen könnten", sagt Kamm.

Petra Nordling, eine der Initiatorinnen des Ostbayerischen Asylgipfels, befürchtet, dass gar 50 000 Flüchtlingen entgegen ihrem Willen untätig herumsitzen und deshalb von der Gesellschaft "zwangsalimentiert werden müssen".

Kamm betont, sie würde auf Schätzungen gern verzichten und stattdessen lieber auf offizielle Zahlen der Staatsregierung zurückgreifen. Doch auf ihre Anfragen las sie wiederholt: "Hierzu liegen keine statistischen Angaben vor, sie könnten nur mit einem nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand ermittelt werden." Ebenso erging es den Freien Wählern. Auf eine ihrer Anfragen hin hieß es: Statistiken "zu Asylbewerbern erteilten oder versagten Beschäftigungserlaubnissen" würden nicht geführt.

Bei einigen CSU-Politikern kommen mittlerweile Bedenken, ob die bisherige Sichtweise bezüglich Arbeitsverboten sinnvoll ist. Der Rosenheimer Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner sagte auf Anfrage: "Wir brauchen eine Regelung, dass auch nicht anerkannte Asylbewerber bis zu ihrer Abschiebung noch arbeiten dürfen, damit sie den Sozialkassen nicht auf den Taschen liegen."

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SZ vom 20.12.2017/axi
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