Flüchtlingspolitik:Ministerin auf Hilfesuche in Jordanien

Flüchtlingspolitik: Selfie mit Ministerin: Beate Merk besucht ein Projekt, in dem Frauen aus Syrien und Jordanien zu Klempnerinnen ausgebildet werden.

Selfie mit Ministerin: Beate Merk besucht ein Projekt, in dem Frauen aus Syrien und Jordanien zu Klempnerinnen ausgebildet werden.

(Foto: Staatskanzlei)

Beate Merk reist nach Jordanien, um sich über die Lage der Flüchtlinge dort zu informieren. Die Staatsregierung will den Menschen helfen - auch deswegen, damit sie nicht nach Bayern kommen.

Von Andrea Bachstein, Amman

Mit der ganzen Inbrunst seiner 15 Jahre singt der bleistiftdünne Junge auf der Bühne, blaue und gelbe Luftballontrauben neigen sich hinter ihm mit dem Wind, vor ihm sitzen mit ihren Eltern 200 Kinder und Jugendliche. Es ist die Abschlussfeier dieser Schule im Jabal-Viertel von Amman in Jordanien, und so heiter die Stimmung, so traurig ist das Lied. Es handelt von der verlorenen, zerstörten Heimat, die er vielleicht nie wieder sehen wird.

Die ihn beklatschen, wissen, was er meint. Sie sind wie er aus dem Irak geflohen, vor der Terrormiliz Islamischer Staat und vor der Aussichtslosigkeit eines Lebens dort, die vor allem die irakischen Christen betrifft. Sie gehören zu den 630 000 Menschen, die offiziell als Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak im kleinen Jordanien registriert sind, die Regierung spricht sogar von 1,3 Millionen.

Dass die Caritas dieses und andere Bildungsprojekte für Flüchtlinge und sozialschwache Jordanier stemmen kann, geht dank Spenden, und so dankt Wael Sulieman, der Caritas-Leiter für Jordanien, ausdrücklich der deutschen Regierung, die mit 15 Millionen Euro hilft. Er betont das auch so, weil gerade eine Ministerin aus Deutschland da ist, Bayerns Europaministerin Beate Merk. Sie stellt gleich klar, dass die 15 Millionen nicht aus München kommen, aber dass sich Bayern doch mit gut 70 000 Euro an diesem Schulprojekt beteiligen wird.

Herauszufinden, wo und wie sich die Staatsregierung engagieren könnte mit Hilfsorganisationen als Partner oder dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) oder der Weltbank, ist der Zweck dieser Reise. Im Sommer steht die Kabinettsklausur an, bei der es um die Haushalte geht, da müssen konkrete Vorschläge vorliegen.

Merk, die mit dem Wachsen der Flüchtlingskrise stärker und stärker befasst wurde mit der Problematik, hat ihre Mittel dafür vervielfacht. Waren 2014 noch 300 000 Euro im Etat, es sind nun 2,6 Millionen, und sie hofft, dass es deutlich mehr wird. "Es ist Teil der bayerischen Flüchtlingspolitik", sagt Merk, "humanitäre Hilfe zu leisten, aber vor allem auch Fluchtursachen zu bekämpfen, den Menschen dort eine Perspektive für die Zukunft zu geben, wo sie sind."

Den Menschen helfen, in der Region zu bleiben

Da ist natürlich auch das eigene Interesse im Spiel, damit die Zahlen derer sinken, die Zuflucht in Bayern suchen, aber auch, den Flüchtlingen die lebensgefährlichen Reisen nach Europa zu ersparen. Die Bundesregierung hat dieselbe Strategie, die ganze EU. "Dass wir helfen wollen, dass die Menschen in ihrer Region bleiben können, das geschieht auch um der Länder Willen, die sonst Menschen verlieren, die eines Tages beim Aufbau fehlen", sagt Merk.

Und außerdem: "Das Geld ist ein Vielfaches wert, das wir dort ausgeben, wo die Flüchtlinge herkommen wie den Nachbarländern Syriens, also auch in Jordanien." Bayern ist ein Player geworden unter denen, die Projekte im Ausland fördern. Aber einer der kleineren, deshalb will die Ministerin sorgfältig aussuchen, wohin Geld fließen soll. Der Freistaat ist in Tunesien engagiert und im Libanon, Jordanien könnte auch interessant sein. "Maßgeschneiderte" Projekte sucht die Ministerin.

Es gehe nicht darum, ein Entwicklungshilfeministerium zu schaffen, das dem BMZ Konkurrenz macht. "Wir wollen direkt, nah an den Leute arbeiten", sagt Merk. Schulbildung, die Förderung von Frauen und Berufsausbildung sind Schwerpunkte, da könne Bayern mit seinem Handwerksbereich und dem dualen System Stärken einbringen.

Was der Ministerin im Berufsbildungszentrum in Irbid vorgestellt wird, anderthalb Fahrstunden von Amman entfernt, könnte zum Konzept passen. Dort hat die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Projekt aufgezogen, das Jordanien und den Flüchtlingen helfen soll. Jordanien ist eines der wasserärmsten Länder der Welt, dazu ist das Leitungssystem marode, es versickert jede Menge. Klempner können da helfen, deswegen gibt es in Irbid das Projekt der "Water Wise Plumbers".

Installateure werden ausgebildet, was auch ein paar Arbeitsplätze schafft. Und: Auch Frauen lernen hier klempnern - Muslimas als Handwerkerinnen, eine kleine Revolution. In der Arbeitshalle der Berufsschule ist ein gutes Dutzend Frauen dabei, die Haare von Kopftüchern verhüllt, an Waschbecken und Kloschüsseln herumzuwerkeln. Sie üben, Anschlüsse und Armaturen anzuschrauben, applaudieren einander, wenn alles sitzt.

Die meisten sind aus Syrien geflohen, aber auch eine junge Jordanierin ist da. Jede hat gute Gründe, das hier wenig angesehene Handwerk lernen zu wollen: Anpacken können beim Wiederaufbau in Syrien, sich selbstständig machen, selber zu Hause etwas reparieren können, denn viele sind ohne ihre Männer. Die sind in Syrien oder ganz vermisst.

Zwei Monate dauert dieser Basiskurs, und er ersetzt gewiss keine Installateurlehre. Aber er ist ein Anfang und ein Versuch, sich von der traditionellen Rolle zu befreien - also selbst Geld zu verdienen. Das könnte ins bayerische Konzept passen, ein überschaubares Projekt, Berufsausbildung, noch dazu für Frauen.

350 000 Euro gibt der Freistaat dafür.

In den nächsten Wochen werden die Vorschläge für die Haushaltsklausur erarbeitet. Eine Idee hat Merk schon, ehe sie zurück fliegt. Eine ehrgeizige: 1000 Flüchtlingskindern in der Region den Schulbesuch zu ermöglichen, das wäre doch was.

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