Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingspolitik in Bayern:Seehofer besänftigt Kritiker

"Die Zeit für Statements ist vorbei:" Nach einem Treffen in München geben sich Hilfsverbände und Staatsregierung optimistisch. Doch eines lässt Horst Seehofers in Superlative verpackte Gipfelbotschaft fast vergessen.

Von Dietrich Mittler, Frank Müller und Mike Szymanski

Sozialministerin Emilia Müller (CSU) ist an diesem Tag im Kampf-Modus. Die Opposition hatte sie für den Dienstag in den Landtag bestellt, damit sie darlegt, wie die Staatsregierung überfüllte Asylbewerber-Unterkünfte und beklemmende Versorgungslücken - zum Beispiel bei der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge - künftig verhindern will.

Augenscheinlich hatte sich die Opposition von Müller erhofft, dass sie womöglich eingesteht, dass die Asylpolitik der CSU viele der aktuellen Probleme mit verursacht hat. Weit gefehlt. "Wir sind gut aufgestellt. Wir waren immer handlungsfähig, und wir sind es auch jetzt", sagte die Ministerin.

Schon durch ihre Körpersprache ließ Müller wissen, dass sie sich beim Krisenmanagement das Heft nicht aus der Hand nehmen lässt. "Ich habe in der Notsituation schnell und entschlossen gehandelt", wehrte sie sich gegen den Eindruck, sie sei mit der Suche nach neuen Asylbewerber-Unterkünften womöglich überfordert. Der hätte jüngst entstehen können, als Ministerpräsident Horst Seehofer die Asylproblematik zur Chef-Sache machte und für eben diesen Dienstag - an dem seine Ministerin im Landtag Rede und Antwort stehen musste - zu einem Asylgipfel einlud.

Müller musste den Gipfel vorzeitig verlassen, auf sie wartete der Sozialausschuss. Und während auf sie Vorwürfe der Opposition einprasselten, schwelgte Horst Seehofer, offensichtlich begeistert von seinem Asylgipfel: "Das war eine Sternstunde für die Zusammenarbeit in Bayern", sagte er. "Ich habe selten so ein bemerkenswertes Gespräch zwischen Politik und Gesellschaft erlebt." Fragen nach seiner Haltung zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen wollte er da gar nicht mehr beantworten. Darüber habe er zwei Tage geredet, nach dem guten Verlauf des Gipfels "ist mir das einfach zu klein, im Moment."

Notfallplan für den Winter

Seehofers in Superlative gepackte Gipfelbotschaft ließ beinahe vergessen, dass das Kabinett an diesem Dienstag keine konkreten Beschlüsse gefasst hatte. Es ging eindeutig darum, Verbündete zu finden und Organisationsabläufe zu verbessern, damit nun rasch alle neu ankommenden Asylbewerber menschenwürdig unterkommen. Den Zustrom der Flüchtlinge organisatorisch gut zu bewältigen, sei entscheidend dafür, dass die Bevölkerung diesen akzeptiere, sagte Seehofer. Deshalb werde die Staatsregierung auch noch einen Notfallplan für den Winter vorlegen.

Im Wesentlichen ging Seehofers Rechnung auf, die Kritiker der bayerischen Flüchtlingspolitik hinter sich zu bringen. Am Ende des Gespräches mit Vertretern von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Kommunen und Flüchtlingsorganisationen sicherten sich alle ihrer vollen Unterstützung zu. Dazu hatte Seehofers Linie beigetragen, einfach zuzuhören.

"Es war deutlich, dass der Ministerpräsident und sein Kabinett die teilweise dramatische Situation der Flüchtlinge im Freistaat ernst nehmen und den Handlungsbedarf erkannt haben", sagte Michael Bammessel, der Präsident des Diakonischen Werkes in Bayern, hinterher. Auch der Vertreter des Bayerischen Flüchtlingsrats sah hier eine gute Entwicklung, die der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm als "einen Wandel in der CSU" bezüglich der Tonlage in der Flüchtlingsdebatte beschrieb.

Harsche Töne in der Staatskanzlei

Zum guten Einvernehmen trug indes auch Seehofers Zusage bei, die Asylsozialberatung aufzustocken. Auf einen Helfer kämen bislang bis zu 200 Flüchtlinge. Dies könne so nicht bleiben, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber. Die Teilnehmer verständigten sich darauf, den Betreuungsschlüssel auf 1:100 zu verbessern. Das war dann auch eine der positiven Nachrichten, die Ministerin Emilia Müller mit in den Sozialausschuss bringen konnte. Während sie stellvertretend für ihre Partei Kritik einstecken musste, blieben beim Gipfel in der Staatskanzlei harsche Töne aus.

Hatte etwa das Bayerische Rote Kreuz (BRK) noch jüngst die Flüchtlingspolitik der Staatsregierung als "humanitäre Katastrophe" bezeichnet, so sagte BRK-Präsident Theo Zellner nun diplomatisch: "Die Zeit für Statements ist vorbei." Jetzt müsse rasch gehandelt werden. Das BRK werde dem Sozialministerium beim Aufbau einer Koordinierungsstelle beistehen, damit die Hilfe die Flüchtlinge schneller erreicht. Zellner blieb mit seiner Aufbruchstimmung nicht allein. Städtetagspräsident Ulrich Maly (SPD) sagte, die Staatsregierung habe einen Schritt in die richtige Richtung unternommen, indem sie rasch 2000 zusätzliche Unterkunftsplätze schaffen will.

Eines wird Horst Seehofer bei aller Euphorie aber auch klar geworden sein. Die Staatsregierung wird noch einmal viel Geld hinlegen müssen. Bischof Bedford-Strohm sprach es aus: "Wir werden genau verfolgen, ob sich der Wille der Staatsregierung in konkreten Maßnahmen zeigt."

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SZ vom 17.09.2014/amm
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